Wohnen in der modernen Stadt

Deutschlands Bevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten schrumpfen, doch die großen Städte werden weiter wachsen - sofern sie genügend attraktiven Wohnraum für alle schaffen. Hier beschreibt Hamburgs Erster Bürgermeister, mit welchen Strategien er die positive Entwicklung seiner Stadt sichern will

Von großen Städten geht seit jeher eine besondere Anziehungskraft aus. Viele kommen hierher, weil sie Lebensperspektiven und Lebensqualität erhoffen und finden. Junge Leute ziehen in die Städte, um eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen. Es gibt interessante Arbeitsplätze für qualifizierte Arbeitnehmer in vielen verschiedenen Berufsfeldern. Die große Stadt hat einen so breiten Arbeitsmarkt, dass im Verlaufe eines Arbeitslebens der mehrmalige Wechsel des Arbeitgebers möglich ist. Und sie hat einen Arbeitsmarkt, der es modernen berufstätigen Paaren ermöglicht, die eigenen beruflichen Wünsche zu verwirklichen, ohne ständig den Arbeits- und Wohnort wechseln zu müssen.

Große Städte erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Dieser Prozess, die Bewegung hin zu den Städten, ist keineswegs abgeschlossen. Deutschland wird für die nächsten Jahrzehnte eine sinkende Bevölkerungszahl vorhergesagt. Dieser Trend verläuft jedoch nicht einheitlich. In einigen großen Städten Deutschlands wächst die Bevölkerung. Hamburg zum Beispiel hatte gegen Ende der achtziger Jahre nur noch weniger als 1,6 Millionen Einwohner. Mittlerweile sind es wieder 1,8 Millionen. Die Bevölkerungsprognosen sagen bis zum Jahr 2030 ein Wachstum auf 1,9 Millionen Einwohner oder mehr voraus.

Qualität und Erschwinglichkeit

Diese Zahlen lassen auch Rückschlüsse auf die Attraktivität einer Stadt zu. Wirtschaftlich wie auch kulturell werden Hamburg hunderttausend Neubürger gut tun. Nur muss ihnen auch angemessener Wohnraum angeboten werden – angemessen im Sinne von Qualität ebenso wie Erschwinglichkeit. Das ist zurzeit die größte Aufgabe der Stadtentwicklungspolitik, denn momentan reicht das Angebot nicht einmal für die jetzigen Bewohner aus. Es ist zu gering, vielfach zu teuer und entspricht nicht der konkreten Nachfrage.

Große Städte, die wachsen, haben einen kontinuierlichen Bedarf an Wohnraum. Der gestiegene Anteil an Ein-Personen-Haushalten, der Wegfall von Wohnraum durch Abriss oder die Zusammenlegung von Wohnungen machen es notwendig, ständig neu zu bauen. Wird der Wohnungsneubau über einen längeren Zeitraum vernachlässigt, kann dies gravierende Folgen haben. In Hamburg hat die unzureichende Neubautätigkeit über die Dauer eines Jahrzehnts dazu geführt, dass nun ein Wohnungsmangel herrscht: Es fehlen schätzungsweise 40 000 Wohnungen.

Das knapper werdende Angebot führt zu immer höheren Mieten und Preisen für Wohneigentum. Metropolen üben zwar eine besondere Anziehungskraft aus, so dass viele dort wohnen wollen, gleichzeitig aber leidet die Attraktivität dieser Städte darunter, dass es nicht ausreichend Wohnraum gibt – ein Paradoxon. Das ist übrigens auch schlecht für die Wirtschaft, denn wie sollen Unternehmen die besten Köpfe anlocken, wenn dringend benötigte Fachkräfte und ihre Familien nicht ohne Schwierigkeiten ein passendes Zuhause finden?

Die beste Maßnahme gegen Wohnungsknappheit und zu hohe Mieten ist der Neubau von Wohnungen. Deshalb hat sich der Senat, Hamburgs Landesregierung, zum Ziel gesetzt, dass jährlich 6 000 neue Wohnungen entstehen – zum Teil öffentlich gefördert, zum größeren Teil privat gebaut. Die Stadt nutzt einen Mix an Maßnahmen, um die richtige Balance zwischen Wachstum durch mehr Wohnungsbau auf der einen Seite und sozialem Wohnraum andererseits zu gewährleisten. Ein Drittel aller Neubauwohnungen, also 2 000 Wohnungen jedes Jahr, sollen Sozialwohnungen sein.

Die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt stellt eine attraktive Förderung bereit, damit auch die Wohnungen für Bezieher mittlerer Einkommen gefördert werden können. Das neue Förderprogramm ist auf Haushalte ausgerichtet, die trotz eines guten Einkommens auf dem Wohnungsmarkt Schwierigkeiten haben, ein bezahlbares Angebot zu finden. Wir nennen das den „Zweiten Förderweg“ in der Neubauförderung von Mietwohnungen. Die Besonderheit ist, dass die Einkommensgrenze in diesem Zweiten Förderweg plus 60 Prozent beträgt, gegenüber plus 30 Prozent im Ersten Förderweg. Dies soll dort gelten, wo ein überdurchschnittliches Mietniveau herrscht. Die Sicherung der geförderten Wohnungsanteile auf privaten Flächen erfolgt über das Bebauungsplanverfahren beziehungsweise über städtebauliche Verträge.

Im Rahmen des derzeit vermutlich größten Wohnungsbauprogramms in Deutschland bringt die Freie und Hansestadt Hamburg ihre eigenen Flächen zu vernünftigen Preisen ein. Die Vergabe dieser Grundstücke orientiert sich in der Regel stärker an der Qualität des planerischen Konzepts, zum Beispiel am Anteil des geförderten Wohnungsbaus am jeweiligen Bauvorhaben. Das bedeutet gleichzeitig eine Abkehr vom Höchstgebotsverfahren, das in früheren Jahren vorherrschend war und dazu geführt hatte, dass die Stadt durch Grundstücksverkäufe zwar gute Einnahmen erzielen konnte, die Investoren aber nur solche Wohnungen bauten, mit denen sie auch so viel Geld verdienen konnten, dass sich die Investitionen lohnten. Die Folge war einerseits, dass viele Büroflächen entstanden, von denen gegenwärtig immer noch viele leer stehen. Und zum anderen sind die Wohnungen, die auf den zu Höchstpreisen vergebenen Grundstücken entstanden sind, für den größten Teil der Bevölkerung unerschwinglich.

Ein festes Bündnis für das Wohnen

Über die Notwendigkeit, Wohnungen neu zu bauen, herrscht in Hamburg mittlerweile ein breiter Konsens. Neu ist, dass es feste Verabredungen zwischen der Landesregierung und den wohnungswirtschaftlichen Verbänden gibt. Diese bundesweit einmalige Vereinbarung, das „Bündnis für das Wohnen“, sieht unter anderem eine Verpflichtung der Verbände vor, auf ihre Mitglieder so einzuwirken, dass jährlich mit dem Bau einer festgelegten Anzahl von Wohnungen begonnen wird.

Auf der anderen Seite sorgen alle sieben Hamburger Bezirke für eine schnelle Planung und Genehmigung. Im so genannten „Vertrag für Hamburg“ haben sich die Bezirke darauf verpflichtet, dass vom Antrag bis zur Genehmigung nicht mehr als ein halbes Jahr vergehen soll. Jeden Monat berichten die Bezirke, wie viele neue Wohnungen sie genehmigt haben. Diese Maßnahmen zeigen Wirkung: 2012 wurden bereits Neubauvorhaben mit insgesamt über 8 700 Wohnungen genehmigt. Keine Frage, genehmigte Wohnungen sind noch keine gebauten Wohnungen. Doch diese Zahl zeigt, dass sich alle Beteiligten anstrengen und ein gemeinsames Anliegen verfolgen.

Damit beim Mietwohnungsneubau der angestrebte Anteil von 30 Prozent geförderter Wohnungen erreicht wird, hat sich auch das öffentliche Wohnungsunternehmen in Hamburg, die stadteigene SAGA GWG, dazu verpflichtet, jedes Jahr 1 000 neue Wohnungen fertigzustellen. Auch hier gibt es erste Erfolge. Nachdem die Bautätigkeit der SAGA GWG unter dem Vorgängersenat fast vollständig zum Erliegen gekommen war, konnte schon im vergangenen Dezember der 750. Baubeginn einer Wohnung im Jahr 2012 gefeiert werden.

Zum Schutz der Mieter vor Umwandlung ihrer Wohnungen in Eigentumswohnungen, dem Abriss ihrer Wohnungen und „Luxussanierungen“ setzt Hamburg die so genannte Soziale Erhaltungsverordnung nach § 172 des Baugesetzbuches ein. Damit kann eine Gemeinde in einem Bebauungsplan (oder durch eine sonstige Satzung) Gebiete bezeichnen, in denen der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung von Gebäuden der Genehmigung bedürfen, um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Zu den bereits seit einiger Zeit bestehenden Gebieten Hamburgs, in denen die Soziale Erhaltungsverordnung schon gilt, sind einige Bereiche hinzugekommen, weitere sind in Planung.

Neben all diesen Maßnahmen setzt die Stadt bewusst auf weitere Initiativen, auch auf Bundesebene. Beispielsweise wurde eine Bundesratsinitiative zur Maklercourtage auf den Weg gebracht. Während in bevölkerungsärmeren Gegenden Deutschlands in der Regel der Vermieter die Maklerkosten trägt, wird die Courtage in Hamburg vom Mieter gezahlt, auch wenn der Makler vom Vermieter beauftragt wurde. Das Ziel dieser Initiative ist eine Änderung des Wohnraumvermittlungsgesetzes im Sinne des „Bestellerprinzips“: Der Vermieter soll, wenn er einen Makler beauftragt hat, die Courtage nicht mehr auf den Mieter abwälzen können.

Warum wir höher und dichter bauen müssen

Als Folge von Rechtsprechungen des Bundesgerichtshofes in den Jahren 2004 und 2005 wird das derzeitige Wirtschaftsstrafgesetz dem ursprünglichen Ziel nicht mehr gerecht, die Mieter vor überhöhten Neuvermietungsmieten von mehr als 20 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zu schützen. Mit einer weiteren Bundesratsinitiative soll eine Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes erfolgen, um es wieder zu einem wirksamen Instrument zum Schutz der Mieter zu machen.

Mieterorganisationen und Medien haben in der Vergangenheit auf zahlreiche Fälle langfristig leer stehender Wohnungen hingewiesen. Auch die vielfach zweckfremde Nutzung vorhandenen Wohnraums, etwa als Ferienwohnung, ist angesichts der angespannten Wohnraumlage nicht hinnehmbar. Die Bekämpfung von Wohnungsleerstand und Zweckentfremdung in Hamburg soll durch verschiedene landesgesetzliche Änderungen erreicht werden. Dabei geht es um die Verkürzung der Dauer des erlaubten Leerstands von sechs auf drei Monate, die Anzeigepflicht bei Leerstand (über drei Monate) bereits ab dem ersten Tag, die Zwischenvermietungspflicht bei Um- und Neubaumaßnahmen und die Ausweitung der Auskunftspflicht über etwaigen Leerstand gegenüber Behörden. Dies gilt neben Vermietern und Bewohnern nun auch für Verwalter, Vermittler und Internetanbieter. Der Hamburger Senat hat Ende 2012 eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Außerdem wurde die Anzahl der zuständigen Mitarbeiter in den Bezirken deutlich erhöht.

Die wohnungsbaupolitischen Ziele, die eine Stadt wie Hamburg verfolgt, müssen innerhalb der Stadtgrenzen verwirklicht werden. Das bedeutet, dass dafür entsprechend Platz benötigt wird, der allerdings nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Bezahlbaren Wohnraum zu angemessenen Bedingungen kann man nicht allein dadurch schaffen, dass man in der Fläche – soweit vorhanden – weitere neue Baugebiete erschließt, die den bereits bestehenden in allem ähneln, vor allem in ihrer Begrenztheit auf zwei, seltener drei Stockwerke. Abgesehen davon, dass Naherholungsgebiete ohnehin nicht angetastet werden und die Grenzen sich nicht ausdehnen lassen: Mit „Nachverdichtung“ darf nicht nur gemeint sein, dass die letzten noch bestehenden Baulücken geschlossen werden.

Wenn wir weitere Eingriffe in empfindliche Naturräume vermeiden wollen, müssen wir höher und dichter bauen und das Wachstum weitgehend in der bestehenden Siedlungskulisse in die Tat umsetzen. Hamburg verträgt das. Berlins Fläche beispielsweise ist um knapp ein Fünftel größer als die der Freien und Hansestadt. Berlins Einwohnerzahl liegt aber um mehr als 90 Prozent über der Hamburgs. Und dennoch hat man nicht den Eindruck, dass es in der Hauptstadt zu eng wird. Höher zu bauen heißt nicht nur, Hochhäuser zu bauen, sondern an vielen Stellen stadtverträglich statt zwei-, viergeschossig oder statt vier-, sechsgeschossig zu bauen. Aber Hochhäuser können das Stadtbild an geeigneten Stellen sinnvoll akzentuieren. Altstadtsilhouetten mit Kirchtürmen sollten jedoch tabu sein.

„Große Städte sind nicht statisch“, schreibt Edward Glaeser, Ökonomieprofessor aus Harvard in seinem Buch Triumph of the City. Er fährt fort: „Städte können nicht mit neuen Gebäuden den Wandel forcieren, aber wenn es Wandel gibt, kann die richtige Art zu bauen diesem Prozess helfen.“ Eine Wohnungsbauoffensive wie in Hamburg ist demnach nicht nur eine Frage von mehr Quantität, sondern auch von mehr Qualität. Es geht also um Städtebau, um Stadtplanung, um Flächenkonkurrenz und darum, dass eine lebenswerte Stadt eine grüne Stadt bleiben muss. Was diejenigen, die dort leben wollen, sich wünschen, ist leicht zusammenzufassen: familiengerechtes, ökologisch verträgliches, modernes, einfallsreiches Bauen für Menschen, die stadtnah wohnen wollen, inmitten guter Infrastruktur. Und in einer Umgebung, in der sie ihre Kinder gern aufwachsen sehen.

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