Was man in der heutigen Zeit wirklich braucht

»Windhorst« Jürgen Neumeyer trinkt Wein mit Rainer Wend, dem Konzernbereichsleiter für Politik und Unternehmensverantwortung der Deutschen Post DHL, in der Bar & Lounge "Windhorst", Dorotheenstraße 65, 10117 Berlin (Montag bis Freitag 18:00 Uhr bis open end, Samstag ab 21:00 Uhr)

Die Bar ist klein. Sie ist nur abends geöffnet und liegt zentral im Regierungsviertel. In der Dunkelheit weisen drei gelb beleuchtete Buchstaben den Weg: „B A R“. Rainer Wend hat das Windhorst für sich entdeckt, als er noch Bundestagsabgeordneter war. Heute ist er für den Corporate Responsibility Bereich der Deutschen Post DHL verantwortlich. Seine Kernthemen sind Umweltschutz, Bildung und Katastrophenmanagement. Übersetzt in die Sprache der Post heißt das „GoGreen“, „GoTeach“ und „GoHelp“. Gleichzeitig ist Rainer Wend der politische Interessenvertreter des Unternehmens. Diese Tätigkeit führt den 57-Jährigen häufig in die Hauptstadt. Und eben auch ins Windhorst. „Die haben eine riesige Weinkarte hier, die Tapas sind spitze und du darfst drinnen rauchen.“ Zwar raucht er selbst nicht, „aber viele meiner Freunde rauchen“.

Von 1998 bis 2009 war Rainer Wend Bundestagsabgeordneter aus Bielefeld, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und zwischendurch auch Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses. Der promovierte Jurist und Rechtsanwalt ist verheiratet und hat drei Töchter. Die Politik und seine Partei beschäftigen ihn noch immer. Auf die derzeitige Lage der SPD angesprochen, sagt Wend: „Sie steht erkennbar besser und harmonischer da als in unseren letzten Regierungsjahren.“ Das habe auch viel mit dem Parteivorsitzenden zu tun. „In der Opposition hat uns Sigmar Gabriel Selbstvertrauen eingeimpft. Zudem verkörpern wir mit Steinmeier und Steinbrück viel Verlässlichkeit und Seriosität. Das ist in der heutigen Zeit sehr wichtig.“

Das Windhorst liegt um die Ecke der ehemaligen amerikanischen Botschaft. „Nach dem 11. September 2011 waren wir die am besten bewachte Bar in der Republik“, sagt Günter Windhorst, der Betreiber und Barchef. Ihm ist in der heutigen Zeit – neben Verlässlichkeit und Seriosität – vor allem Kontinuität wichtig: „Gute Weine, gute Drinks, gute Musik.“ Ich nehme einen Dirty Damares mit Wodka, Cranberry und Maracuja für 9,50 Euro. Rainer Wend bestellt einen „trockenen Wein mit wenig Säure“. Er bekommt eine Verdejo-Traube aus Rueda für 6 Euro serviert. „Ich möchte, dass es hier ruhig und entspannt zugeht und trotzdem professionell – am besten: unaufgeregt“, sagt Günter Windhorst. Das Konzept scheint seit dem Jahr 1999 aufzugehen.

Wend ist mit 16 Jahren in die SPD eingetreten. Damals fühlte er sich mehr zu den Jusos hingezogen als zur Mutterpartei. „Willy Brandts Regierungserklärung ‚Mehr Demokratie wagen‘ und die Themen der Achtundsechziger haben mich bewegt. Ich wollte Farbe bekennen.“ Heute hat er sein 40-jähriges Parteijubiläum
hinter sich und steht dem Zentrum der Partei nahe. So sagen es zumindest viele über ihn.

Zu den Wirtschaftsthemen ist er als Rechtsanwalt gekommen. Zunächst beschäftigte er sich mit dem Arbeitsrecht und mit juristischen Problemen der Betriebsräte, später kam das Insolvenzrecht hinzu. „Ich habe viele Betriebe fortgeführt, geleitet oder verkauft.“ Wend war einer der wenigen Anwälte auf diesem Gebiet in Nordrhein-Westfalen. „Beide Schwerpunkte haben mir einen guten Zugang zu Wirtschaftsfragen gebracht.“

Wie ist die Arbeit als Lobbyist? „Anders!“, ruft Rainer Wend spontan aus – und denkt dann kurz nach. „Mein Job ist es, Übersetzungsarbeit zu leisten. Die Politik weiß oft nicht, wie die Wirtschaft tickt. Und die Wirtschaft weiß oft nicht, wie die Politik tickt. Das mache ich sehr gerne. Das kann ich. Das macht mir Freude.“ Rainer Wend hat seinen Hauptarbeitsplatz im Bonner Post Tower. Er muss aber auch nach Asien reisen, etwa um dort die Postgesetze in Indien oder China mitzugestalten oder in den Repräsentanzen der Deutschen Post DHL vor Ort im persönlichen Kontakt mit den Mitarbeitern zu bleiben. Das Gleiche gilt für Brüssel und natürlich für Berlin.

Ob er im Rahmen dieser Tätigkeit mehr bewegen könne als während seiner Zeit als Abgeordneter? „Nicht im politischen Sinne. Aber als Repräsentant eines der weltweit größten Unternehmen kann ich Beiträge liefern, die ich früher nicht liefern konnte.“ Es geht ihm um Kompromisse zwischen Wirtschaft und Politik: „Beide müssen einen Weg finden, sich aufeinander zuzubewegen.“ Seine Parteizugehörigkeit sei dabei egal. „Sie hat weder Vor- noch Nachteile.“ Doch einen entscheidenden Erkenntnisvorsprung hat Wend: „Mir sind die Strukturen und
Entscheidungswege vertraut. Ich weiß, wie es in Parteien und Fraktionen zugeht.“

Gelegentlich vermisst er den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen, den er früher im Wahlkreis hatte. „Wenn ich in Bielefeld über den Markt gehe, wird mir oft zugewunken. Ich bin aber viel zu selten bei den alten Weggefährten. Neulich konnte ich immerhin mal zu einem 30-jährigen Parteijubiläum gehen. Das war schön.“

Ein bisschen Stolz schwingt mit, wenn Wend über „sein“ Unternehmen spricht, den größten Logistikkonzern der Welt: Zum Express-Bereich gehören 150 Flugzeuge; weltweit arbeiten 470.000 Menschen für die Deutsche Post DHL. „Wir sind der sechstgrößte Arbeitgeber der Welt.“ Aber auch das nationale Geschäft ist sehr wichtig. „50 Prozent der Gewinne macht der Konzern hier in Deutschland.“

Der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft sei ihm „nicht so schwer“ gefallen. Auch früher schon konnte er sich
mit Vertretern von CDU und FDP gut verständigen. „Dann hat die Post mich angesprochen, und ich konnte mir gut vorstellen, Dolmetscher zwischen Politik und Wirtschaft zu werden.“ In Bonn gefällt es ihm ausgezeichnet: „Das Leben ist gelassener, ruhiger, weniger hektisch.“ Auch die Arbeit in einem Unternehmen ist anders. „Während im politischen Betrieb gerne mal probiert wird, die eigene Meinung in den Vordergrund zu stellen, sind die Rollen im Unternehmen klarer festgelegt.“ Und schließlich sagt er: „Ruhe und Unaufgeregtheit, das ist es, was man braucht.“

Inzwischen ist es nach 23 Uhr. Ein Whiskey-Sour für 9,50 Euro rundet den Abend ab. Barchef Windhorst hat alle Hände voll zu tun, denn jeder der rund 20 Plätze ist besetzt. Trotzdem fühlt sich Wend hier „unbelästigt“ und „ungestört in kleinster Runde“. Bei gutem Wetter werden noch ein paar Tische nach draußen gestellt – und manchmal erst im Morgengrauen wieder rein geräumt. Rainer Wend sagt: „Ich fühle mich hier zu Hause, weil es freundlich und familiär zugeht. Wie unter Sozialdemokraten.“ «

zurück zur Person