Nachtleben: Prenzlauer Berg



Abends ausgehen am Prenzlauer Berg ist einfach und einfach gut. Der Lieblings-Bezirk aller neu zugezogenen Berliner lockt mit einem reichhaltigen gastronomischen und kulturellen Angebot. Eine Szene aus frühen Techno-Jüngern und Multimedia-Pionieren und eine alternativ-anarchistische Grundhaltung prägten Anfang und Mitte der 90er Jahre den Bezirk. Schnell folgten zuerst die jungen, jetzt auch alle anderen Touristenströme dem bunten Treiben, das bis heute das Nachmittags- und Nachtleben im Prenzlauer Berg ausmacht.

Der Kollwitzplatz ist der pittoresk-schöne, aber inzwischen auch schicke und teure Mittelpunkt des Prenzlauer Bergs. Nachdem hier alle Häuser renoviert sind, kostet das Bier bis zu 7 Mark, und die Anwohner laufen Sturm gegen die vielen Touristenbusse. Zum Pflichtprogramm für den Polittouristen gehört gleichwohl der Guggelhof mit elsässischen Spezialitäten und original Schweizer Käsefondue für 25,50 Mark. Gerhard Schröder führte im Mai Bill Clinton dorthin, seitdem ist es immer voll, und die Streichholzschachteln des Hauses sind auch immer aus.

Lohnenswert ist auf alle Fälle die Sredzkistraße. Hier liegt Kneipe an Kneipe, und fast alle sind gut. Das Sowohl AlsAuch ist ein rundum gemütliches Kaffeehaus, im Joy kann man gut essen, im Müller-Lüdenscheidt gibt es guten Wein zu vernünftigen Preisen mit kleinen Vorspeisen. Zu den besten Cocktailbars des Bezirks, wenn nicht sogar in Berlin, gehört das Tarot. Der Name hat sich schon herum gesprochen, so dass die kleine gemütliche Bar mit ihren sieben Tischen oft früh voll ist. In der ausgedehnten Happy-Hour zwischen 19.00 und 22.00 Uhr gibt es (fast) alle hervorragend zusammengestellten Drinks für 8 Mark.

Noch mitten im Sanierungsgebiet liegt der Helmholtzplatz. Die Metamorphose, die der Kollwitzplatz schon durchgemacht hat, steht hier noch aus, und so findet man eine bunte Mischung von bestehenden alternativen Einrichtungen und täglich neu hinzukommenden Hochburgen der Jungen und Reichen. Unter "alternativ mit Atmosphäre" ist das Wohnzimmer, Ex-Helmholtzklause, zu verbuchen. Die Self-Service-Kneipe ist immer voll, dennoch kann man sich dort zu jeder Tageszeit wohl fühlen. Neben den Getränken gibt es einfache Speisen und Frühstück bis vier Uhr morgens. Eine Institution und Klassiker ist das Eckstein. Das gemütliche Eckrestaurant mit breitem Speisen-Angebot ist Pflichtprogramm für alle Fans vom "Boss" - Bruce Springsteen zeichnete hier eines seiner Videos auf. Exotisch-familiäres Flair strahlt das äthiopische Café Arada aus. Die traditionellen Speisen werden mit gesäuertem Fladenbrot serviert, in das man das Essen mit der Hand einwickelt und dann in verschiedene Soßen taucht. Freitag abends gibt es ein Buffet für 18 Mark.

Die Cocktail X-Bar greift gleich zwei Trends auf und serviert Sushi zu Cocktails. In der Happy-Hour von 18 bis 20 Uhr (So-Do) bekommt man so immerhin fünf Sushi und einen Cocktail für 13 Mark. Leider lassen die Cocktails immer wieder zu wünschen übrig. Richtig gutes Essen gibt es dafür schräg gegenüber im Miro, das anatolische Küche, interessante Frühstückskombinationen und auch für Vegetarier eine abwechslungsreiche Speisekarte bietet.

Der Vielfalt beim gastronomischen Angebot stehen die Schwierigkeiten entgegen, wenn man im Prenzlauer Berg tanzen gehen möchte. In der Zeit nach den Wende reichte es, einen Raum schwarz zu streichen und einen Schweinwerfer hineinzuhängen. Mittlerweile gibt es in Mitte jede Menge aufwendig gestalteter Clubs, und der Prenzlauer Berg ist etwas abgefallen. Traditionsreich ist der KNAACK, in dem seit fast 50 Jahren getanzt wird. Nach der Wende vom alten Personal übernommen und zunächst "der" Tip des Bezirks, hat er in der Zwischenzeit verloren, das Publikum ist sehr jung. Gleichwohl bietet er am Wochenende Tanzen auf bis zu drei Dancefloors unterschiedlicher Stilrichtungen, man kann Billiard spielen, und ein Internet-Cafe ist neuerdings auch dabei. Ein guter Tip ist hier der Mittwoch, an dem es oft Konzerte gibt.

Eine Alternative dazu bietet der Duncker-Club. Deutlich kleiner als der KNAACK findet man hier eher Dark und Independent Musik. Aber auch dieser Club ist nicht mehr der Trendsetter, der er nach der Wende einmal war. Wer es mag, kann zur Vorbereitung der Nacht am Nachmittag im Elexir vorbeischauen. Hier gibt es legal, nach niederländischem Vorbild eines Smart-Shops, psychoaktive Kräuter, Lianen und Pulver, sowie Produkte von Sensatronics, einem Berliner Hersteller von Liquören und Elexieren ganz spezieller Wirkungen.

Die Sanierung der Kulturbrauerei wurde gerade abgeschlossen - entstanden sind nun eine ganze Reihe von großen und kleinen Locations. Während im Kesselhaus Platz für den größeren Live-Auftritt ist, finden in der alten Kantine am Wochenende auch schon einmal Lesungen statt, der Soda-Club strahlt gediegene Club-Atmosphäre aus. Auf dem Gelände finden sich außerdem zwei Theater, Ausstellungsräume, ein großes Kino und ein Biergarten. Also für jeden etwas. Gleichwohl bleibt ein unangenehmer Nachgeschmack. Alles wurde aufwendigst renoviert, hat dabei aber an Atmosphäre verloren. Die vielen Türme und Zinnen strahlen eher ein einen Hauch von Disneyland aus. Es bleibt abzuwarten, welches Publikum man hier dauerhaft binden kann. Bisher ist es Anlaufpunkt für alle, die von außerhalb in den Prenzlauer Berg kommen, um etwas zu erleben.

Aufbruchstimmung verströmt noch die Gegend um die Kastanienallee/Oderberger Straße mit vielen Cafés und Bars. Beginnen sollte man mit einem Abstecher bei Konnopkes Imbiss an der Schönhauserallee. Der Imbiss steht seit 1930 unter der U2 an der Eberswalderstraße und wird nicht nur vom Kanzler dafür gerühmt, Berlins beste Curry-Wurst zu haben. Der Mann muß es wissen! Von dort aus die Kastanienallee herunter finden auch größere Gruppen im ältesten Biergarten Berlins, dem Prater, Platz und ihr Bier. Als er 1837 gegründet wurde, machte man dorthin noch einen Ausflug vor die Tore Berlins. Schräg gegenüber liegt das Café An einem Sonntag im August. Unter Rundbogen mit erotischer Deckenbemalung gibt es donnerstags dazu passende Lesungen und morgens ein einfaches, aber günstiges Frühstücksbüffet (Mo-Fr 5 Mark, So 9 Mark). Auf der Kastanienallee findet sich auch eine gute Sushi-Bar, das Sumo. Die Konkurrenz ist gleich um die Ecke, die Sushi-Bar Ky in der Oderberger: genauso gut, aber nicht ganz so günstig.

Für späte Nachtschwärmer bietet das Luxus mit seinen blau-weissen spanischen Kacheln auch zu später Stunde und gar nicht so luxuriösen Preisen einen guten Absacker. Drinnen findet sich ein entspanntes und meist buntes Publikum, das die Nacht scheinbar nie beenden wird.

Skurriler Abschluss eines Abends könnte ein Besuch von Birth Marriages Death werden. Dieser Wohnzimmerclub öffnet (noch!) jeweils Donnerstag nachts. In das alte Ladenlokal in der Christburger Straße sind zwei Zahnarztsessel, ein Sofa und ein paar Hocker gestellt. Auf einem 60er Jahre Plattenspieler läuft Venyl der 60er bis 80er. Falls der Keeper hinter der Theke Zeit findet, schaltet er gelegentlich seinen Ghettoblaster mit Geräuschen dazu. Zusammen mit dem Klappern einer Mitmachschreibmaschine, auf der Germanistikstudenten Selbstentworfenes produzieren, bildet dies den ureigenen Sound des Clubs. Dazu läuft ein alter Super-8-Projektor, auf dem unter anderem Erotik-Streifen der 70er rückwärts auf die gegenüberliegende Hauswand projiziert werden. Mit Bier (0,5) für 3 Mark und Gin-Tonic für 5 Mark ist das ganze schließlich nicht nur skurril, sondern auch noch konkurrenzlos günstig.

Kurzum: Der Prenzlauer Berg ist ein Stadtteil im Umbruch, in dem es sich gut feiern lässt. Wer noch nicht da wohnt, muss herkommen. Zumindestens für eine Nacht.

An einem Sonntag im August, Café, Kastanienallee 103
Bahu, Indisches Restaurant, Rykestraße 15
Birth Marriages Death, Wohnzimmerclub, Christburger Straße 14/18
Café Arada, Äthiopisches Restaurant, Lychener Straße 4
Cocktail X-Bar, Cocktailbar, Raumerstraße 17
Dunker, Tanzen, Dunckerstraße 64
Eckstein, Kneipe und Restaurant, Pappelallee 73
Elexir, Kräuterladen, Kollwitzstraße 54
Guggelhof, Elsässische Spezialitäten, Knaakstraße 37
Joy, Kalifornisches und Mexikanisches Essen,
Sredzkistraße 36
KNAACK, Tanzen, Billiard, Internet-Café auf 3 Ebenen, Greifswalder Straße 37
Konnopke, Imbißstand, Schönhauser Allee/Eberswalderstraße unter der U2
Kulturbrauerei, Knaakstr. 97, Ecke Danzinger Straße
Ky, Sushi-Bar. Oderberger SLuxus, Kachelbar, Belforter Straße 18
Müller-Lüdenscheidt, Weinhaus, Srezkistraße 45
Miro, Anatolisches Restaurant, Raumer Straße 28/29
Prater, Gaststätte und Biergarten, Kastanienallee 7-9
Sowohl AlsAuch, Kaffeehaus, Kollwitzstraße 88
Sumo, Sushi Bar, Kastanienallee 40
Tarot, Cocktailbar, Sredzkistraße 62
Wohnzimmer, ex-Helmholtzklause, Lettestraße 6

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