Mit Extremisten gegen Terroristen?

Ex-KSK-Kommandeur Brigadegeneral a.D. Günzel hat sich in fragwürdige Gesellschaft begeben - und den Überblick verloren

Als einziges Bundestagsgremium kann sich der Verteidigungsausschuss nach Artikel 45a GG selbst zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss erklären. Er hat das im Oktober 2006 auf Antrag von SPD und CDU/CSU zum 13. Mal seit 1955 getan. Anlass ist der „Fall Kurnaz“, aber im Kern geht es um die heikle Frage, ob die militärischen Antiterroreinsätze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in den Jahren 2001 und 2002 der politischen Kontrolle entzogen waren – und ob sie es gegebenenfalls noch immer sind. Für die Sitzungen des Ausschusses gilt Vertraulichkeit, Zeugenanhörungen werden überwiegend als „geheim“ eingestuft, die hinzugezogenen Akten lagern in der Geheimschutzstelle des Bundestages. Über Zwischenergebnisse kann also niemand öffentlich etwas sagen.

Die Kameradschaft ist ihnen „heilig“

Aber es gibt auch ganz offene Quellen zu diesem Thema; die wollte nur bisher kaum jemand lesen. Brigadegeneral a.D. Reinhard Günzel, der bis zu seinem Rauswurf wegen der Hohmann-Affäre Ende 2003 Kommandeur des KSK war, hat im Dezember 2006 gemeinsam mit anderen ein Buch über seine Truppe veröffentlicht. Es trägt den Titel Geheime Krieger. Dort nennt er die KSK-Soldaten eine „Elite“, ein „besonderes Korps“, einen „Orden“. Er schreibt begeistert über die „extremen Anforderungen“ und die „opferbereite Leistungsbereitschaft“ seiner Männer – wobei er nicht versäumt hinzuzufügen: „im klassischen preußischen Sinne“. „Der Wille zählt“, sei das Motto des KSK. Von den Soldaten werde verlangt, „dass sie mitten im Frieden Krieg führen“ – „ohne jede öffentliche Anerkennung, Ruhm oder Ehre.“ Die geheimen deutschen Ordenskrieger wüssten, schreibt Günzel, „dass sie Aufgaben zu lösen haben, die eigentlich nicht zu lösen sind.“ Der Begriff „Kameradschaft“ sei ihnen „heilig“. Vor allem „der Wille, zu einer Auswahl der Besten zu gehören“, treibe die Männer an.

Dass dem 1996 aufgestellten KSK vom damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe verboten wurde, sich in die Tradition der 78. Sturm- und Infanteriedivision oder der Spezialdivision „Brandenburg“ der Wehrmacht zu stellen, geißelt Günzel scharf: „Die Kommandosoldaten wissen genau, wo ihre Wurzeln liegen.“ Und in einer Bildunterschrift heißt es: „Keiner sieht sie kommen, keiner weiß, dass sie da sind. Und wenn ihre Mission beendet ist, gibt es keinen Beweis dafür, dass sie jemals da waren. Das Selbstverständnis deutscher Kommandosoldaten hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht verändert.“

Günzels Geist ist der Militarismus, wo das Zivile zweitrangig und die demokratische Führung unzuverlässig sind. Wenn er von der „unerschütterlichen Treue“ der deutschen Kommandosoldaten faselt, bleibt offen: wem oder was gilt diese?

Seit fast drei Jahren ist der Autor im unfreiwilligen Ruhestand. Von dem damaligen Verteidigungsminister Peter Struck wurde er als „verwirrter General“ entlassen, weil er auf dienstlichem Briefpapier dem CDU-Rechtsaußen Martin Hohmann zu dessen „Tätervolk“-Rede gratuliert hatte. Insofern kann er heute privat schreiben, was er will – oder?

Antiterrorkampf in braunem Umfeld?

Geheime Krieger ist im Verlag Pour le Mérite erschienen, der im Verfassungsschutzbericht des Bundes dem Unternehmenskomplex um den rechtsextremistischen Arndt-Verlag zugerechnet wird. Bei Pour le Mérite erscheinen sonst Titel wie Siegerjustiz oder Verbrechen an der Wehrmacht.

Günzel hat zwei Co-Autoren: Der erste ist der Ritterkreuzträger Wilhelm Walther (Jahrgang 1910), der zu Nazi-Zeiten zeitweilig Stabschef bei dem berüchtigten SS-Obersturmbannführer Otto Skorzeny war. Er berichtet von der glorreichen Geschichte der Spezialkräfte der Wehrmacht. Bei seinen „Brandenburgern“ sei die Kampfweise „von den Elementen List und Tücke geprägt“ gewesen. Zudem, schreibt Walther trotzig, „waren die meisten unserer Einsätze nicht von dem damaligen Kriegsvölkerrecht gedeckt.“

Der zweite Co-Autor ist der Generalmajor a.D. Ulrich Wegener, Gründer und langjähriger Kommandeur der Antiterroreinheit des Bundesgrenzschutzes, der legendären GSG 9, und Held von Mogadischu im Jahr 1977. Auch er scheint mit seinem Deutschland abgeschlossen zu haben, „denn viele Alt-Achtundsechziger, die heute politische Verantwortung tragen, stammen zumindest aus dem Sympathisantenumfeld der RAF“. Wegener beklagt den „linken Zeitgeist“ und „dass in diesem Staat, Begriffe wie Pflicht, Leistungsbereitschaft, Kameradschaft und Tradition nur noch in Sonntagsreden hochgehalten werden“.

Das darf man in unserem Land so sehen. Aber warum braucht der berühmteste deutsche Polizeiführer für seine Systemkritik, die er aus der wohlbestallten Pension heraus äußert, ein verfassungsfeindliches publizistisches Umfeld? Was haben deutsche Antiterror-Spezialisten a.D. mit Rechtsextremisten zu schaffen?

Reinhard Günzel klagt, nur wenige Kameraden aus der Bundeswehr hätten offen zu ihm gehalten. Das mag bitter sein, aber es gibt noch eine andere Beobachtung zu machen: Bisher sah auch kaum jemand einen Anlass, sich offen von Günzel zu distanzieren. Nicht in Calw, wo die 1.000 Mann starke Kommandotruppe stationiert ist, und auch nicht in den oberen Etagen des Heeres, wo manche den „verwirrten General“ für ein Opfer der Politik halten – und ansonsten für einen guten Kameraden.

Keine Geheimarmee in der Armee!

Wenn das Bild des KSK, das in Geheime Krieger gezeichnet wird, annähernd richtig wäre, gäbe es bei den Heeres-Spezialkräften einiges zu korrigieren. Günzels Kämpfer-Elite ist voller Dünkel gegenüber der verweichlichten Welt der Zivilisten wie auch gegenüber der Rest-Bundeswehr. Alles, was die Spezialsoldaten tun, ist ungeheuer wichtig. Und weil es wichtig ist, muss es total geheim sein.

Die Missionen des Kommandos Spezialkräfte im Antiterroreinsatz in Afghanistan waren bisher offenbar durchweg zu wichtig und zu geheim, als dass das Parlament darüber hätte informiert werden können. Wir Abgeordnete haben in den Jahren 2001, 2002, 2003, 2004, 2005 und 2006 die Mandate hierfür beschlossen. Und jetzt – gewiss nicht zu früh – arbeiten wir in einem Untersuchungsausschuss daran, in Erfahrung zu bringen, warum wir in der Zwischenzeit nichts erfahren haben.

Es gibt nur eine Bundeswehr, deren Einsätze wir kontrollieren, das heißt: mit guten Gründen verantworten können. Eine Geheimarmee in der Armee darf es nicht geben!

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