Eine Frau ohne Fisch ist wie ein Mann ohne Fahrrad

Was Singles in the City so alles versuchen. Ein Sozialschocker *

ls frisch gebackener Single soll ich hier goldrichtig sein: Berlin ist die Stadt der Singles. Jeder vierte lebt allein: 830.000 Einpersonenhaushalte, davon 452.000 allein lebende Frauen. Überdurchschnittlich viele Schwule treiben den Anteil weiblicher Singles in die Höhe. Wie treffen sich die Bridget Jones′ Berlins, die "alle Klischees weiblicher Singles um die dreißig" erfüllen, "ehrgeizig und erfolgreich sein" möchten aber "letzlich doch einsam und in hektischen Herznöten verfangen" sind (Felicitas von Lovenberg in der FAZ)?

Ja, wie? Begibt man sich auf die Suche, erscheint das Angebot an institutionalisierten Treffen der Einsamen doch eher mager. Die Konjunktur der Ally-McBeal-Parties ist im Abschwung, die letzte soll Mitte Oktober 2001 im Sage Club stattgefunden haben. Aber es gibt Alternativen.

Der Zungenkuss existiert seit 10 Jahren. Männer zahlen 3 Euro Eintritt und bekommen eine Nummer auf das Shirt geklebt, Frauen haben freien Eintritt, erhalten einen Gutschein für ein Glas Sekt und ebenfalls eine Nummer. Die Getränkekarte erklärt, um was es geht: "Allein schlafen fördert die Wohnungsnot." Im Zentrum befindet sich ein großer verwinkelter Tresen. Gedämpftes Licht, Holzverkleidung und abgetrennte Sitzecken bieten Rückzugsraum. Die Musik erinnert an Ballermann, das Publikum manchmal auch.

"Erst haben wir Briefe geschrieben, dann gepoppt"

Auf kleinen rosa Zetteln trage ich meine Nummer und die der potentiellen Objekte meiner Begierde ein. Ich fülle die vorgegebene Felder mit Namen, Alter, Hobby, Beruf und ein paar persönlichen Zeilen aus und reiche die "Bagger Post" beim DJ ein. Nach dem nächsten Stück werden die Nummern verlesen, die sich ihre Post abholen können: "Zwischen 18 und 26 Jahren, maximal 62 Kilo für Nummer 336." So ist auch ohne Tanzen Bewegung im Laden und die Suche nach dem Absender geht los. Erna ist mit ihrer Freundin hier, lebt seit eineinhalb Jahren in einer Beziehung und grinst schelmisch: "Du machst ein bisschen Party, meistens schreiben die Jungs und den besten suchst du dir raus. Das geht nicht länger als einen Abend." Auf einmal erinnert die Wolkenwatte-Dekoration an Sperma. Erna hat auch ihren Freund hier kennengelernt: "Erst haben wir Briefe geschrieben, dann gepoppt und dann warn wir zusammen." Die Freundinnen haben sich zu viert verabredet. Bärbel ist Single, aber "nur just for fun dabei". Vielleicht passiere was, vielleicht auch nicht. Um einen Freund zu finden, solle man lieber "ganz normal ausgehen", oder man komme durch andere Freunde dran. So lauten die meisten Einschätzungen. Lisa macht da die Ausnahme. Sie sucht einen neuen Vater für ihren fünf Monate alten Sohn, der gerade bei der Ex-Schwiegermutter weilt. Den richtigen Vater hatte sie auch hier kennengelernt und die Beziehung hat ein Jahr gehalten. Jetzt wolle sie aber initiativ werden und greift zu einem leeren rosa Bagger-Post-Zettel. So weit, so klar. Mich irritieren jetzt nur noch die gelben CSU-Luftballons.

Ähnlich geht es im Fritz zu. Seit fünf Jahren werden hier Freitags Single Parties veranstaltet. 5 Euro Eintritt, für Mädels frei - das erklärt, warum der Frauenanteil über 40 Prozent liegt. Das Publikum ist etwas jünger als im Zungenkuss. Viele machen eine Ausbildung, einige gehen noch zur Schule. Sandy findet, das der freie Eintritt schon ein guter Grund ist, auf die Party zu gehen. Auch sie hat keinen Freund und nimmt immerhin zwei Briefchen entgegen: "Mal wieder nichts Orginelles. Das übliche Blabla von schönen Augen und "ich möchte dich kennenlernen". Ich mach mich aber auf die Suche." Eine Nummer kennt Jessica schon, "der sieht ganz nett aus, vielleicht lädt er mich zu einem Cocktail ein".

Missmutig begutachten die Freundinnen Daniel

Mehr als zwei Drittel der Leute sollen hier Singles sein. Abgetrennt bieten ein Gastraum und eine Art Wintergarten die Möglichkeit zum Gespräch. Essen gibt es auch. Daniel und Nicole sitzen dort, sie kennen sich seit fünf Minuten. Daniel hat den Brief geschrieben, jetzt wird man mal schauen. Nach weiteren fünf Minuten holt Nicole ihre Freundinnen an den Tisch. Etwas missmutig begutachten sie Daniel. Während die frisch Gefundenen sich unterhalten, gucken Nicoles Freundinnen auf die Videoleinwand, auf der die Tanzfläche übertragen wird.

Dennis trägt keine Nummer, sondern ein blinkendes Herzchen. Er gehört zum Personal und ist Liebesbote. Seine Aufgabe ist es, den Kontakt unter den Gästen zu fördern. Dazu verteilt er die Postzettel, hilft beim Ausfüllen, reicht sie beim DJ ein oder geht auf Leute zu, um Nachrichten weiterzuleiten. Er erklärt auch die Handys, die am Eingang kostenlos gemietet werden können. Um 23 Uhr sind alle 100 Stück verliehen. "Da stehen eher die Jungs drauf", sagt Dennis, "die Frauen schreiben lieber Briefchen". Stolz weist Dennis auf eine Hochzeit hin: "Das hält schon seit zwei Jahren, aber die beiden kommen jetzt natürlich nicht mehr so oft."

"Ich such′ einen, der ehrlich und treu ist"

Alternierend werden hier Blind-Date Parties veranstaltet: Rücken an Rücken stehen die Kandidaten auf der Bühne, dann "Top oder Flop". Manchmal klappt das sogar: Pro Abend werden so zwei bis drei Pärchen verkuppelt.

Allers längste Beziehung dauerte viereinhalb Jahre. Jetzt kommt sie her, um "zu trinken und zu tanzen". Sie hat sich mit ihrem Singledasein abgefunden und glaubt auch nicht, hier einen Mann zu finden: "Das sind alles Partyjungs, die feiern jedes Wochenende. Ich such einen, der ehrlich, treu, aber nicht zu lieb ist", sagt sie. Auch Madeleine sieht so aus, als ob sie nicht allein nach Hause gehen müsste. Sie hofft, jemanden kennenzulernen - gestern hat ihr Freund mit ihr Schluss gemacht. "Den hab ich auch hier kennengelernt. Aber länger als ein halbes Jahr hat das nicht gedauert."

Nicoles Freundinnen sitzen jetzt alleine am Tisch. Vielleicht hören sie, welche Nummern aufgerufen werden. Ab und zu kontrollieren sie das Handy.

Fans von Brigets Jones′ Tagebuch fühlen sich vielleicht wohler auf der Fisch- sucht-Fahrrad-Party des Stadtmagazins TIP im Metropol. Das Publikum ist älter, vielleicht die klassischen Singles, die vor lauter Arbeit wenig Zeit haben und das Angebot einer organisierten Kennenlern-Fete gerne nutzen. Im August 1994 startete TIP diese Feten als zusätzliches Angebot zur Lonely-Hearts-Rubrik. Immer noch suchen sich hier jeden zweiten Freitag bis zu 1.400 Personen auf zwei Ebenen. Die Nummern der zuvor aufgegeben Anzeigen in der TIP können noch mal auf Monitoren gesehen werden, Nachrichtenzettel erleichtern die Kontaktaufnahme.

Auch in diesem Sommer wird das Stadtmagazin Zittyin Zusammenarbeit mit Timebandits wieder seine Single Adventuretouren veranstalten. In Gruppen von sechs bis acht Personen ungefähr gleichen Alters werden Männchen und Weibchen quotiert durch die Stadtteile geschickt. Gemeinsam müssen sie Aufgaben und kleine Rätsel lösen. Haben sie erst die Tourbücher und Stadtpläne in der Hand, verlieren die Singles ihre anfängliche Schüchternheit. Zwischendurch gibt es gemeinsames Picknick, abends werden auf einer Party die besten Teams gekürt. Anders als bei anderen Partys lernen sich hier die Menschen in Aktion und unalkoholisiert kennen. Leonie hat es letzten Sommer versucht: "Die Rallye hat extrem Spaß gemacht. Leider waren die Männer bei mir Langweiler. Da kann man Pech haben", sagt sie. "Aber am Abend ergab sich dann doch noch ein kleines Techtelmechtel." Die erste Single Adventuretour (35 Euro für Tour, Picknick, Buffet und Party) findet am 4. Mai in Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg statt.

Anfang 2002 startete auch das Diva und veranstaltet zweiwöchentlich samstags Kann-denn-Liebe-Sünde-sein-Singleparty. Lara, die Erfahrung auch mit anderen Single-Parties hat, schätzt, dass "weniger Prolls hier sind, obwohl das Publikum eigentlich zu jung ist". Die Einrichtung ist modern, Rückzugsmöglichkeiten in der Lounge stehen den Gästen zur Verfügung. Auch hier bekommt man am Eingang seine Nummer. Finden sich die gleichen Nummern, können sich beide einen Sekt abholen und nehmen an einer Verlosung teil. Sophie hat zwar nicht ihren Nummernpartner gefunden, doch auf der Suche nach ihm zwei andere Bekanntschaften gemacht. "Singleparties sind gut, um mit Leuten in Kontakt zu kommen", doziert sie. "Meinen letzten Freund hab ich auch auf einer Singleparty gefunden. Aber das war auf Mallorca." Oder so.

* Ich danke den drei Gesinnungsjugendlichen
Georg Heil, Ulrike Mühlberg und Anne-Sophie
Petersen für die Unterstützung der Recherche.

DIVA - Club - Friedrichstraße 105 (Eingang am Schiffbauerdamm) - Berlin Mitte - www.diva-club.de - Single Party jeden zweiten Samstag

FRITZ- Kneipe und Disko - Warschauer Straße 34 - Berlin Friedrichshain - www.fritz-berlin.de - jeden Freitag Single Party

METROPOL - Diskothek - Nollendorfplatz 5 - Berlin Schöneberg - Hotline 030 - 25 00 33 60

ZUNGENKUSS- Kneipe - Spandauer Straße 4 - Berlin Mitte - 030 - 24 2 49 16 - Single Party mittwochs und samstags

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