Bemerkenswertes zum Fall Zumwinkel



In der Geschichte von Lukas, dem Lokomotivführer, wird der Scheinriese Herr Tur Tur kleiner, je näher man ihm kommt. Der deutsche Steuerskandal ist ein Scheinzwerg: Er wird größer, je weiter man sich von ihm entfernt. In der Nahsicht ein Fall gemeiner Steuerhinterziehung, wirft er mit zunehmendem Abstand immer mehr Fragen über Wirtschaftskriminalität in der globalisierten Welt auf. Es ist kein Zufall, dass die Vorgänge in der ausländischen Wirtschaftspresse fast noch mehr Aufmerksamkeit erregen als beim deutschen Publikum. Hierzulande war man sich in der moralischen Verurteilung der Stiftungsinhaber in Liechtenstein schnell einig; im Ausland erhoben die Betroffenen massive Vorwürfe über deutsches Großmachtverhalten und Gestapomethoden.

Neue Perspektiven für Bankangestellte

Beispielsweise brachte die britische Financial Times den Steuerskandal in der ersten Woche nach der Hausdurchsuchung bei Klaus Zumwinkel fast täglich auf ihrer Titelseite. Für die internationale Finanzwelt sind die Erschütterungen im Fürstentum Liechtenstein von erheblicher Bedeutung. Denn seriöse Finanzplätze stehen vor einem Dilemma: Einerseits leiden sie selbst an den Lockungen, die Steueroasen für große private Vermögen bieten. Nicht deklarierte Einkommen oder lukrative Anlagemöglichkeiten durch verschachtelte Rechtskonstruktionen rücken sie in die Nähe von halbseidenen Geschäftsmodellen und machen ihnen zugleich Konkurrenz. Der Druck auf die Anbieter legaler Finanzprodukte nimmt zu, ähnliche Renditen zu erwirtschaften, wie sie in Ländern mit geringer Steuerlast erzielt werden. Deshalb erhöht ein größeres Risiko, bei illegalen Finanzkonstruktionen erwischt und bestraft zu werden, den Spielraum und den Gewinn der seriösen Banken.

Andererseits leben Finanzinstitutionen von hohen Anlagevermögen und den Vertrauensbeziehungen, die auf dem Bankgeheimnis beruhen. Zu viel Transparenz ist nicht im Interesse ihrer Kunden. Außerdem sind die Finanzmanager, die selbst über beachtliche Einkommen und Vermögen verfügen, aus persönlichen Motiven an Strategien zur Steueroptimierung interessiert. Solange Steuerhinterziehung in Steueroasen relativ risikolos war, konnten sie damit umgehen.

Mit dem Fahndungserfolg gegen Klaus Zumwinkel hat sich die Situation grundlegend verändert. Früher sicher geglaubte Geheimnisse sind den Strafverfolgern nun bekannt; für Anleger ist das Risiko gestiegen. Durch die öffentliche Bekanntgabe der beträchtlichen Summe, die für die Informationen gezahlt wurde, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich in den übrigen Steueroasen Nachahmer finden. Steuerhinterzieher und bestimmte Banken sind sich ihrer Erpressbarkeit bewusst geworden. Jeder monegassische Bankangestellte kann sich ab sofort überlegen, ob er weiter arbeiten oder einen neuen Lebensabschnitt mit Taschen voller Geld beginnen möchte.

Diese Aufregung war ihr Geld wert

Ebenso wird der monegassische Bankangestellte bei jedem Kundengespräch mit einem ausländischen Investor implizit verdächtigt, Straftaten zu unterstützen. Genau dies war der Zweck der Fernsehkameras bei der Durchsuchung von Zumwinkels Villa in Köln: Auch den mittelbar Beteiligten sollte klar gemacht werden, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist. Die dadurch ausgelöste Aufregung in der internationalen Wirtschaftspresse und Finanzwelt war nicht nur beabsichtigt, sondern wahrscheinlich auch ihr Geld wert.

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