"Danke, dass Sie gewartet haben"

Ein zeitgenössisches Dienstleistungsdrama in unzähligen Akten (gekürzte Fassung). Es spielen mit: König Kunde, zwölf Mitarbeiter einer Telefongesellschaft sowie allerlei digital generierte Computerstimmen

Tag 1
König Kunde begibt sich in ein Telekommunikationsfachgeschäft. Draußen steht in großen Lettern „T-Punkt“. Drinnen stehen viele Kunden und wenige Mitarbeiter. Nach einer ganzen Weile ist König Kunde an der Reihe.
König Kunde: Guten Tag. Ich habe von Ihrem neuen Angebot gelesen: superschnelle Leitung, Internet, Telefon, WLAN, Flatrate.
Mitarbeiterin 1: Ja. Kein Problem. Geht ganz einfach. Wir machen hier den Vertrag, dann kommt jemand zu Ihnen, schließt alles an. Und fertig. Wir schicken Ihnen dann noch ein Paket mit einem Splitter und dem Speedport.
König Kunde: ???
Mitarbeiterin 1: Das brauchen Sie für DSL und WLAN. Ist ganz einfach. Ich erklär Ihnen das. Wird mit Ihrer Telefonbuchse verbunden und Ihrem Computer. Kein Problem. Wir schicken Ihnen das zu, so dass es da ist, wenn unser Monteur bei Ihnen ist. Die Einrichtungsgebühr fällt derzeit übrigens auch weg. Ich brauche dann nur Ihre Daten.
Mitarbeiterin 1 tippt etwas in ihren Computer.
Mitarbeiterin 1: So, fertig. Jetzt machen wir nur noch einen Termin. Und geben Sie mir Ihre Handynummer, falls wir den Termin eventuell leider ändern müssen.

Tag 14
Nachdem kein Paket von der Telekom gekommen ist, geht König Kunde noch einmal zum T-Punkt. In der Hand eine Vertragsbestätigung, im Kopf ein paar Fragen.
König Kunde: Morgen soll ein Monteur von Ihnen zu mir kommen, um den neuen Anschluss zu schalten. Dazu sollte ich ein Paket mit irgendwelchen Geräten bekommen. Die sind aber nicht da.
Mitarbeiterin 2: Oh, das ist aber merkwürdig. Dann gebe ich Ihnen die am besten gleich mit.
König Kunde: Und auf der Vertragsbestätigung steht etwas von einer Einrichtungsgebühr – die sollte doch wegfallen, oder?
Mitarbeiterin 2: Richtig. Sie waren bestimmt bei der jungen blonden Kollegin? (Schüttelt den Kopf)
König Kunde: Ja. Und warum wird die Einrichtungsgebühr sogar gleich zweimal fällig?
Mitarbeiterin 2: Wir bringen das in Ordnung. Die Kollegin wird Sie morgen anrufen.
König Kunde verlässt den T-Punkt. Es bleibt die Frage, warum er die Geräte nicht gleich beim ersten Mal hätte mitnehmen können. Der Anruf der „Kollegin“ wird ihn nie erreichen.

Tag 17
König Kunde hat sich den Vormittag extra frei genommen. Der Monteur soll bis 10 Uhr bei ihm sein. Um halb 11 Uhr ruft König Kunde die Hotline an. Er quält sich mit den Fragen der Computerstimme ab, die ihm irgendwann erklärt, dass gerade kein Mitarbeiter zu sprechen sei und die Verbindung beendet. Beim vierten Mal klappt es dann.
König Kunde: Bis 10 Uhr sollte heute ein Monteur bei mir sein. Jetzt ist es 11 Uhr – und er ist immer noch nicht da.
Mitarbeiter 3: Da kann ich auch nichts machen. Am besten, Sie gehen in den nächsten T-Punkt und klären das.
König Kunde: Gar nichts werde ich tun. Ich möchte, dass Sie klären, was da los ist.
Mitarbeiter 3 legt einfach auf.
Nach drei weiteren Versuchen bei der Hotline gerät König Kunde an einen neuen Mitarbeiter.
Mitarbeiter 4: Moment. Ich rufe den Kollegen mal eben auf dem Handy an. (Pause) OK, ich habe mit ihm gesprochen. Er ist aufgehalten worden und in einer Stunde bei Ihnen.
König Kunde ist nicht zufrieden, aber erleichtert. Die neue Technik wird also heute doch noch bei ihm einziehen. Stunden später klingelt es an der Tür.
Mitarbeiter 5: Ich schließe jetzt Ihren Anschluss an.
König Kunde: Und ich habe hier Splitter und Speedport für Sie.
Mitarbeiter 5: Das brauche ich nicht.
König Kunde: Aber Ihre Kollegen aus dem T-Punkt haben mir versprochen, dass Sie das regeln.
Mitarbeiter 5: Mit denen habe ich nichts zu tun. Dafür bin ich nicht zuständig. Und ehrlich gesagt: Ich kenne mich damit auch gar nicht aus. Also, der Anschluss steht jetzt. Zeigt auf den Speedport. In zwei bis drei Tagen leuchtet hier eine gelbe Lampe. Dann haben Sie DSL.
König Kunde: (in einem Gestrüpp von gelben, weißen und grauen Kabeln) In drei Tagen? Aber es sollte doch heute gleich losgehen.
Mitarbeiter 5: Neinnein. Das dauert ein paar Tage.

Tag 21
Vier Tage später leuchtet keine gelbe Lampe. König Kunde wählt die Nummer der Hotline. Nach mehreren Versuchen und einer Warteschleife gelangt er endlich an einen Mitarbeiter.
König Kunde: Ich soll DSL bekommen – es ist aber noch nicht da.
Mitarbeiter 6: Schauen Sie doch erst mal nach, ob Sie alle Kabel richtig eingesteckt haben.
König Kunde: Habe ich schon. Es muss alles in Ordnung sein.
Mitarbeiter 6: Gut, ich prüfe jetzt mal die Leitung. Moment bitte. (Pause) So, da stimmt was nicht. Wir prüfen das noch mal und melden uns bei Ihnen.

Tag 24
Kein Rückruf. Kein gelbes Leuchten. Kein DSL. Dafür die Hotline.
König Kunde: Ich sollte seit Tagen dieses superschnelle DSL haben. Es ist aber nicht da.
Mitarbeiter 7: Moment, ich prüfe mal die Leitung. (Pause) Also, eigentlich müsste es da sein. Die gelbe Lampe leuchtet nicht? Dann stimmt was nicht.
König Kunde: Sag ich doch. Und das habe ich mehreren Ihrer Kollegen auch schon gesagt.
Mitarbeiter 7: Nun, also, wir prüfen das. Kann sein, dass noch mal jemand bei Ihnen vorbeikommen muss. Wir melden uns bei Ihnen.

Tag 27
Ein ANRUFER auf der Mailbox von König Kunde: Wir haben Ihren Anschluss noch mal überprüft. Er muss spätestens morgen OK sein.

Tag 31
Kein gelbes Lämpchen leuchtet. Dafür wieder mehrere Versuche bei der Hotline.
König Kunde: Mein DSL ist immer noch nicht da.
Mitarbeiterin 8: Moment, ich schau mal nach. (Pause) Also, Sie können es noch gar nicht haben. Hier steht, dass es erst in drei Tagen geschaltet wird.
König Kunde: Nein. Ich soll es bereits seit etwa zwei Wochen haben. Und ich habe mich auch schon ein paar Mal beschwert, weil es nicht da ist.
Mitarbeiterin 8: Das haben Ihnen bestimmt die Mitarbeiter vom Vertrieb gesagt. Die haben keine Ahnung. So schnell geht das nicht. Sie müssen bei der Störung anrufen und nicht beim Vertrieb.
König Kunde: ???
Mitarbeiterin 8: Es wird aber definitiv in drei Tagen geschaltet.

Tag 35
Auch nach weiteren vier Tagen kein DSL. Dafür die Hotline.
König Kunde: Eine Kollegin von Ihnen hat mir versprochen, mein DSL-Anschluss wäre jetzt in Ordnung. Ist er aber nicht.
Mitarbeiter 9: Moment, ich prüfe Ihre Leitung. (Pause) Ja, in der Tat, da stimmt was nicht. Hier im Computer lese ich auch, dass Sie unser Mitarbeiter nicht zu Hause angetroffen hat.
König Kunde: Wie auch? Dazu hätte er vielleicht mal vorher anrufen müssen. Ich sitze doch hier nicht Tag und Nacht, um auf die Telekom zu warten.
Mitarbeiter 9: Ich kann da jetzt aber auch nichts machen.
König Kunde: Ich möchte jetzt mit Ihrem Vorgesetzten sprechen.
Mitarbeiter 9: OK, ich fülle einen Zettel aus, er ruft Sie dann zurück.
König Kunde: Nein, ich möchte mit ihm sprechen. Jetzt. Mich hat noch nie jemand zurückgerufen, wenn es mir angekündigt wurde.
Mitarbeiter 9: Das geht nicht.
König Kunde: Wie, das geht nicht? Sie haben doch ein Telefon, sie werden doch wohl verbinden können. Sie sind doch von der Telekom, oder?
Mitarbeiter 9: Das schon, aber ich kann nicht verbinden.
König Kunde: Dann geben Sie mir die Telefonnummer Ihres Chefs. Ich rufe ihn selbst an.
Mitarbeiter 9: Er hat keine Nummer.
König Kunde: Aber ein Telefon hat er?
Mitarbeiter 9: Ja. Ich sage doch, ich fülle einen Zettel aus, er ruft Sie zurück.
König Kunde: Darf ich Sie was fragen? Sie sind von der Telekom?
Mitarbeiter 9: Ja.
König Kunde: Und Sie haben einen Vorgesetzten?
Mitarbeiter 9: Ja.
König Kunde: Und der hat ein Telefon?
Mitarbeiter 9: Ja.
König Kunde: Und Sie können nicht dorthin verbinden?
Mitarbeiter 9: Ja.
König Kunde: Und dessen Telefon hat auch keine Nummer?
Mitarbeiter 9: Ja.
König Kunde: Was macht der eigentlich mit dem Telefon? Sie sind sicher, dass Sie bei einer Telefongesellschaft arbeiten?
Mitarbeiter 9: ???
König Kunde: Können Sie verstehen, wenn ich den Eindruck habe, das mich jemand verarschen will?
Mitarbeiter 9: Sie brauchen gar nicht zu lachen.
König Kunde: Doch. Ich habe gerade erst in der Zeitung gelesen, dass Ihr oberster Chef rausgeschmissen wird, weil er 1,5 Millionen Kunden verloren hat. Mir wird langsam klar, wie das passieren konnte.
Mitarbeiter 9: Dann gehen Sie doch zu Arcor!

Tag 39
Immer noch kein gelbes Leuchten. Wieder die Hotline.
König Kunde: Ich soll seit längerem DSL haben. Es ist aber nicht da.
Mitarbeiter 10: Moment, ich prüfe Ihre Leitung. (Pause) Mmh, irgendetwas stimmt nicht.
König Kunde: Das versuche ich Ihnen schon seit etwa vier Wochen klar zu machen.
Mitarbeiter 10: Oh. Ich seh’ schon, Sie haben schon öfter angerufen. (Liest leise aus dem Computerprotokoll vor sich hin:) „Kunde ist sehr verärgert.“
König Kunde: Das ist richtig. Und nun?
Mitarbeiter 10: Da muss auf jeden Fall noch mal jemand bei Ihnen vorbeikommen. Ach – und vergessen Sie nicht, sich bei der Rechnungsstelle zu beschweren. Sonst müssen Sie das DSL für die ganze Zeit bezahlen, obwohl Sie es noch gar nicht hatten.

Tag 43
Die gelbe Lampe leuchtet jetzt, DSL funktioniert. Der Mitarbeiter war da, die Rechnung ist es jetzt auch. Über die neue Telefonleitung ruft König Kunde die Hotline an – die Computerstimme weiß irgendwann auch keinen Rat mehr und verbindet zu einem Menschen, der nach gefühlten 30 Minuten Warteschleife ans Telefon geht.
König Kunde: Ich habe von Ihnen eine Rechnung bekommen. Da stimmt was nicht.
Mitarbeiter 11: Da sind Sie hier vollkommen falsch.
König Kunde: Aber die Computerstimme hat mich doch nach „Rechnung“ gefragt – und zu Ihnen verbunden.
Mitarbeiter 11: Nein, da müssen Sie eine andere Nummer wählen. Wenn Sie die wählen, sagen Sie nichts zu der Computerstimme. Dann werden Sie gleich zu einem Kundenberater verbunden.
Neue Nummer, nächster Versuch. Wieder die Computerstimme. Irgendwann die Warteschleife. Irgendwann ein Mensch.
König Kunde: Ich möchte mich über meine Rechnung beschweren. Ich habe erst seit gestern DSL, soll es aber schon seit vier Wochen bezahlen. Ich möchte, dass Sie dass korrigieren.
Mitarbeiterin 12: Einen Moment bitte. (Pause. Die Mitarbeiterin berät sich.) Danke, dass Sie gewartet haben. Also, ich werde das reklamieren.
König Kunde: Dann steht hier was von einer Einrichtungsgebühr. Mir ist aber gesagt worden, die wird nicht fällig.
Mitarbeiterin 12: Das ist richtig.
König Kunde: Die steht auf der Rechnung aber sogar zweimal.
Mitarbeiterin 12: Einen Moment bitte. (Pause. Die Mitarbeiterin berät sich.) Danke, dass Sie gewartet haben. Ich werde das reklamieren und Ihnen gutschreiben.
König Kunde: Und dann wird mir die Benutzung von DSL in Rechnung gestellt. Ich hatte aber doch noch gar keins. Was soll ich da also bezahlen?
Mitarbeiterin 12: Einen Moment bitte. (Pause. Die Mitarbeiterin berät sich.) Danke, dass Sie gewartet haben. Ich werde alles an die Reklamationsstelle weiterleiten. Die bearbeiten dass innerhalb von 60 Tagen.
König Kunde: Mmh. Ich kriege also eine neue Rechnung?
Mitarbeiterin 12: Nein. Eine neue Rechnung kriegen Sie nicht. Sie bezahlen jetzt diese Rechnung. Und wir schreiben Ihnen das dann gut.
König Kunde: Ich soll was? Ich werde doch nicht irgendeine Rechnung bezahlen, die Sie sich ausdenken – in der Hoffnung, dass irgendjemand mir vielleicht irgendwann mal irgendetwas gutschreibt.
Mitarbeiterin 12: Einen Moment bitte. (Pause. Die Mitarbeiterin berät sich.) Danke, dass Sie gewartet haben. Doch, so ist es. Sie kriegen keine neue Rechnung, sondern bezahlen die Ihnen vorliegende.
König Kunde: Den Teufel werde ich tun. Ich will eine neue Rechnung.
Mitarbeiterin 12: Einen Moment bitte. (Pause. Die Mitarbeiterin berät sich.) Danke, dass Sie gewartet haben. Also, dann rechnen Sie doch das aus, was Sie zahlen wollen und überweisen das. Den Rest bearbeitet die Reklamation.
König Kunde hängt ein und gibt auf.

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