Die Junge Freiheit und ihre Gegner

Zwei sehr unterschiedliche Bücher über das rechtskonservative Wochenblatt

AIm Jahr 1986 erscheint – noch als Schülerzeitung – in einer Auflage von 400 Exemplaren die erste Ausgabe des Blattes Junge Freiheit (JF) unter der Chefredaktion des damals knapp 20-jährigen Dieter Stein. Geplant ist zunächst eine zweimonatliche Erscheinungsweise mit acht Seiten je Heft. Schnell mausert sich das Blatt. Im Jahr 1987 wächst der Umfang auf 12 Seiten, ein Jahr später erreicht die Wochenzeitung bereits eine Auflage von 2.000 Stück, im Jahr 1989 sind es 5.000. Die Wende und das erstarkende Nationalgefühl der Deutschen bescheren der JF weitere Höhenflüge: Nach der Umstellung auf den Rollendruck verlassen bereits 1990 regelmäßig 15.000 Zeitungen die Druckhallen. Im Jahr 1991 wird auf monatliche, schon 1994 auf wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt. Heute erreicht die JF bei einer Auflage von angeblich 20.000 Stück rund 13.000 Abonnenten und verkauft 2.800 Zeitungen an Deutschlands Kiosken. Das ehrgeizige Ziel: dem Rheinischen Merkur den Rang abzulaufen und so zweitgrößte deutsche Wochenzeitung zu werden, wie es in Götz Kubitscheks Buch 20 Jahre Junge Freiheit heißt.

Stein ist bis heute der Chef des Blattes und hat die JF zum publizistischen Flaggschiff des deutschen Rechtskonservatismus entwickelt. Gern versteht man sich dort selbst als ein Zeitungsprojekt von unten – jenseits großer Geldgeber, also als eine „rechte taz “ (Götz Kubitschek). Die JF ist politisch nicht unabhängig. Ihr erklärtes Ziel „ist die politische Emanzipation Deutschlands und Europas und die Bewahrung der Identität und der Freiheit der Völker der Welt“ – so das Selbstverständnis auf der eigenen Internetseite. Die CDU erscheint Dieter Stein für dieses Ziel nicht rechts genug. Seit vielen Jahren träumen er und seine Mitstreiter von einer wirkungsvollen politischen Alternative. Dass dies allein noch nicht ausreichen kann, die JF in die rechtsextremistische Ecke zu stellen, sollte klar sein in einer Zeit, in der nicht zuletzt Vertreter von SPD, Grünen und PDS/Linkspartei zumindest in Teilfragen einen mit Familienministerin Ursula von der Leyen verbundenen gesellschaftspolitischen Linksruck der CDU konstatieren. Wenn das alles stimmen soll, muss Stein recht haben: Zwischen CDU und NPD ist mehr Platz als je zuvor.

Unumstritten ist diese Bewertung der JF jedoch keinesfalls. Sowohl Wissenschaftlern als auch einigen Verfassungsschutzämtern gilt und galt die rechtskonservative Wochenzeitung als verdächtig, schien sie dem rechtsextremistischen Spektrum anzugehören oder zumindest eine „Scharnierfunktion“ (Wolfgang Gessenharter) zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus auszufüllen.

Dürfen Verfassungswerte kritisiert werden?

Gegen diesen öffentlich geäußerten Verdacht wehrte sich die JF juristisch – und konnte sich im Jahr 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht tatsächlich durchsetzen. Das höchste Gericht sah die wiederholte Erwähnung der JF in Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen als schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit an, der nicht ausreichend begründet wurde. Insbesondere würden sich bedenkliche Artikel nicht ohne Weiteres der Meinung der Redaktion zuordnen lassen. Auch eine Kritik wesentlicher Pfeiler der Verfassung, darunter die Menschenrechte, sei keinesfalls ausreichend, um hierin eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu entdecken: „Die bloße Kritik an Verfassungswerten und Verfassungsgrundsätzen ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen ... Knüpft die Sanktion an Meinungsäußerungen oder Presseveröffentlichungen an, muss ergänzend berücksichtigt werden, dass die Meinungs- und Pressefreiheit ihrerseits konstituierend für die Demokratie sind, die auch eine kritische Auseinandersetzung mit Verfassungsgrundsätzen und -werten zulässt.“

Jedoch reicht ein Verweis auf eine mögliche Kritik der Menschenrechte oder anderer Verfassungswerte auch in nicht-juristischen Streitigkeiten nicht hin, um den grundgesetzlichen Stab über jemanden zu brechen. In der Tat sind es vor allem rechte Intellektuelle, die die Geltung der Menschenrechte als fundamentale Norm in Zweifel ziehen. Wäre dies allein jedoch schon ein „Verbrechen“, könnte sich kaum eine deutsche Universität der tausenden und abertausenden „Verbrecher“ erwehren, die sie schon heute in ihren Reihen zählt – etwa in rechtswissenschaftlichen und philosophischen Seminaren, in denen Studenten und Dozenten um rationale Begründungen für eine Theorie der Menschenrechte ringen.

Würden in einer freiheitlichen Gesellschaft derart harte Kriterien angelegt, müssten außerdem Autoren wie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer zu den militanten Gegnern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gezählt werden. Oder waren es etwa nicht die Vertreter der Kritischen Theorie, die mit der modernen Welt das Ende der „objektiven Vernunft“ gegeben sahen? War es nicht Horkheimer, der mit dem Verlust dieser objektiven Vernunft auch das Ende einer rationalen Begründung unserer ethischen Fundamente, also auch der Menschenrechte, gekommen sah? „Was sind die Konsequenzen der Formalisierung der Vernunft? Gerechtigkeit, Gleichheit, Glück, Toleranz, alle die Begriffe ... haben ihre geistigen Wurzeln verloren. Sie sind noch Ziele und Zwecke, aber es gibt keine rationale Instanz, die befugt wäre, ihnen einen Wert zuzusprechen und sie mit einer objektiven Realität zusammenzubringen.“

Ohne Argumente kein Humanismus

Vor diesem Hintergrund ist es wenig hilfreich, wenn Wolfgang Gessenharter an seinem Diktum über menschenrechtskritische Ausführungen von Autoren der JF mit der Begründung (!) festhält, dass es einer Begründung der Menschenrechte schlicht nicht bedürfe: „Dass es sich bei dieser Konzeption des Grundgesetzes nicht um eine etwa aus der Wirklichkeit des Menschen logisch oder empirisch abgeleitete Entscheidung handelt, die ‚vernünftigerweise‘ so und nicht anders ausfallen kann, ergibt sich aus dem 2. Absatz des Art. 1 GG, wo das Bekenntnis – und nicht die ‚Erkenntnis‘ – zu ‚unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt‘ gefordert und als im Konsens des Deutschen Volkes stehend konstatiert wird.“

Ein regelmäßiger JF-Autor wie Alain de Benoist wird nun gerade – auch unabhängig von seiner Nationalität – darauf verweisen, an einem solchen „Konsens“ niemals beteiligt worden zu sein und die Ausführungen Gessenharters folglich als Bestätigung seiner These auffassen, die Menschenrechte seien nichts weiter als ein moderner Religionsersatz ohne rationales Fundament. Allerdings setzt ein „Bekenntnis“ nicht zwingend voraus, dass dessen Grundlagen irrational sind. Gerade wenn sich der humanistische Diskurs als überlegen erweisen will, muss er diese Überlegenheit auch argumentativ unter Beweis stellen. Anders lässt sich mit demokratischen Mitteln eine freiheitliche und humanistische Gesellschaft nicht stabilisieren. Für Akteure der politischen Bildung ist das eine Selbstverständlichkeit: Wer Jugendliche für die Demokratie gewinnen will, muss sie überzeugen – nicht überwältigen.

Selbstwidersprüchlich ist das Agieren von Autoren der JF aber gerade vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005. Denn was man für sich selbst erstritten hat, will man für seine Gegner offenbar nicht gelten lassen – ein Umstand, der inzwischen selbst in der Zeitschrift Sezession, also im befreundeten Umfeld der JF, zu süffisanten Bemerkungen führt. Während die Erwähnung der JF in Verfassungsschutzberichten von Dieter Stein offenbar als inhaltlich unbegründet und rechtlich unzulässig angesehen wird, stützen sich seine Autoren munter auf Einschätzungen eben dieser „pervertierte(n) Behörde“ (Götz Kubitschek), wenn es um die Bekämpfung des Gegners geht. Kohärent und glaubwürdig ist ein solches Vorgehen jedenfalls nicht.

Festgefahren in mimetischer Rivalität

Nach der Juso-Bundesvorsitzenden Franziska Drohsel sah sich so gegen Ende des Jahres 2007 ein weiteres hochrangiges SPD-Mitglied dem Vorwurf der Nähe zu Linksextremisten ausgesetzt. Stephan Braun, Landtagsabgeordneter aus Baden-Württemberg, habe Kontakte zum linksextremistischen Spektrum unterhalten, behauptete JF-Autor Felix Krautkrämer in der Studie „Die offene Flanke der SPD“ sowie in der JF selbst. Braun sollten demnach Kontakte ins linksextremistische Spektrum nachgewiesen worden sein. Konkret wurde ihm vorgeworfen, dass mehrere Autoren seines gemeinsam mit der baden-württembergischen SPD-Vorsitzenden Ute Vogt herausgegebenen Buches Die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ für linksextremistische Antifa-Blätter geschrieben hätten.

Doch allzu objektiv wollte die JF offenbar nicht berichten. Dann nämlich hätte sie auch darüber Auskunft geben müssen, dass sich die ursprünglichen Recherchen Krautkrämers als so fehlerhaft erwiesen hatten, dass die JF mehrere Unterlassungserklärungen unterzeichnen musste. Nach entsprechenden Erklärungen des Anwalts der JF und Krautkrämers aus dem Dezember 2007 verpflichten sich Autor und Zeitung, künftig nicht mehr zu behaupten, der Blick nach Rechts-Autor Gernot Modery (alias Anton Maegerle) schreibe für linksextreme Publikationen wie Der Rechte Rand, Konkret sowie für die Zeitungen Jungle World oder Neues Deutschland. Ganz ähnlich erging es laut Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2008 dem Nachrichtenmagazin Focus sowie dessen Chef vom Dienst, Michael Klonovsky, die in einem Artikel Ähnliches behauptet hatten.

Die JF und zumindest manche ihrer Gegner eint das Aufgehen in mimetischer Rivalität. Bei beiden stehen die Urteile über den Anderen nicht selten bereits vor jeder Analyse fest: Die JF wittert bei linken Kritikern meist Lenin, Stalin und die RAF und lässt daher übereifrige und offenbar journalistisch überforderte Jungredakteure auf SPD-Landtagsabgeordnete los; manch ein Gegner der rechtskonservativen Wochenzeitung versucht umgekehrt, hinter einer vermeintlichen „Mimikry“ stets die Fratze Adolf Hitlers freizulegen.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Obskur wird es beispielsweise, wenn die Autorin Regina Wamper in Die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ feststellt, dass die „Fülle antisemitischer Aussagen“ nicht in jedem der Artikel in der JF nachweisbar sei, die für eine solche Analyse in Frage kommen, jedoch ein „Puzzlespiel“ dieser Fragmente die JF als eindeutig antisemitisch verortet erscheinen lasse. Zum Beispiel zitiert sie den JF-Autoren P. Lothar Groppe, der sich in seinem Artikel „Faktenverzerrung willig vollstreckt“ kritisch mit Daniel Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ auseinandersetzt, folgendermaßen: „Es trifft gewiss zu, dass es in der Kirche Jahrhunderte hindurch einen Antijudaismus gegeben hat, der aber mit dem Antisemitismus, wie er heute verstanden wird, absolut nichts zu tun hat. Sicherlich ist er einmal in der Tatsache begründet, dass Juden, keineswegs aber ‚die Juden‘, Christus verworfen haben und von Pilatus seinen Tod forderten.“

Wamper nimmt dieses Zitat zum Anlass, aus Groppe einen Antisemiten zu machen, indem sie es so interpretiert: „Die Juden selbst seien durch die ihnen zugeschriebene Schuld am Tod Christi die Auslöser des Antisemitismus, der als Selbstverteidigung verstanden wird.“

Wer das Zitat Groppes unvoreingenommen liest, kann zu Wampers Schlussfolgerung indes nicht gelangen. Dass es weit vor Hitler theologisch motivierte Konflikte auch zwischen Juden und Christen gegeben hat, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden – ohne dass hier der Ort wäre, darauf in der Sache einzugehen. Groppe differenziert ja gerade expressis verbis zwischen „Juden“ und „die Juden“ und schließt somit eine rassistische Interpretation seiner Äußerung aus. Was Wamper außerdem verschweigt, ist ein zustimmender Verweis Groppes auf Papst Martin V. im selben Artikel: „Bereits Papst Martin V. wies aber 1422 die antijüdische Polemik der christlichen Prediger zurück: ‚Wir wollen, dass jeder Christ die Juden mit menschlicher Milde behandelt und ihnen weder an Leib noch an Gut ein Unrecht zufügt.‘“ Was nicht passt, wird also von Wamper passend gemacht. Mit seriöser Wissenschaft hat dies nichts mehr zu tun.

Rechsextrem nicht, bedenklich durchaus

Nein, die JF ist nicht rechtsextrem. Es hat einen Grund, warum der heutige Spitzenkandidat der niedersächsischen NPD, Andreas Molau, die Redaktion der JF im Jahr 1994 verlassen musste. In dessen Zuständigkeitsbereich fiel seinerzeit ein Beitrag Armin Mohlers, der eine eindeutige Abgrenzung gegenüber revisionistischen Tendenzen der radikaleren Art vermissen ließ. Am 7. Oktober 2007 dokumentierte Dieter Stein in seiner Zeitung außerdem erneut seine Ablehnung eindeutig rechtsextremistischer Parteien wie der NPD, indem er „das Ende einer vertrauensvollen Zusammenarbeit“ mit dem FPÖ-Europaabgeordneten und Chefredakteur des österreichischen Zwillingsblatts Zur Zeit, Andreas Mölzer feststellte. Dieser wollte die NPD auf europäischer Ebene in Vorbereitung der Europawahl 2009 an einem Rechtsbündnis beteiligen: „Dass das Reüssieren der NPD und ihres teils unverhohlen neo-nationalsozialistisch auftretenden Umfeldes ein Fiasko für alle Bemühungen um die Etablierung eines rechtsdemokratischen Parteiprojektes in Deutschland bedeutet, hat die JF wiederholt scharf herausgearbeitet.“

Dies alles kann nicht ignorieren, wer ein objektives Urteil über die JF fällen will. Ignorieren kann man jedoch auch nicht, dass sie teils zweifelhafte Verlage zu ihren Anzeigenkunden zählt, wie Gabriele Nandlinger in dem Band beschreibt; dass sie dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt oder NPD-Bundesvorstandsmitglied Frank Schwerdt in Interviews politische Plattformen bietet; dass ihre Autoren oder ehemaligen Autoren wie Angelika Willig keinerlei Berührungsängste mit der NPD haben und etwa für deren Parteiblatt Deutsche Stimme einschlägige Artikel schreiben; oder dass der ehemalige JF-Redakteur Götz Kubitschek der Deutschen Stimme (wenn auch mit deutlich kritischem Unterton) als Interviewpartner zur Verfügung stand.

Dieter Stein und seine Mitstreiter müssen sich daher nicht wundern, dass das Bundesverfassungsgericht der JF in der Sache keinesfalls einen Unbedenklichkeitsschein ausgestellt hat: „Der Beschränkung der Maßnahme auf das zum Rechtsgüterschutz Erforderliche entspricht es, bei einer Berichterstattung aus Anlass eines Verdachts nicht den Eindruck zu erwecken, es stehe fest, dass die betroffene Gruppierung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt. Daher ist – etwa in den gewählten Überschriften und der Gliederung des Berichts – deutlich zwischen solchen Organisationen zu unterscheiden, für die nur ein Verdacht besteht, und solchen, für die solche Bestrebungen erwiesen sind.“ Ob dies jedoch gegeben sei, überlässt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich den Fachgerichten zur Beurteilung.

Gerade wer die JF als politische Gegnerin betrachtet, ist auf eine umfassende und vor allem korrekte Analyse angewiesen. Das Vermöbeln selbst gebastelter Pappkameraden hingegen hilft am Ende höchstens der JF selbst, weil sie es sich so im Windschatten der Vorurteile ihrer Gegner gemütlich machen kann und im schlimmsten Falle durch das Bundesverfassungsgericht öffentlich „rehabilitiert“ wird. Wer sich daher selbst ein Urteil bilden will, sei sowohl auf das von Stephan Braun und Ute Vogt herausgegebene Buch als auch dessen Widerpart 20 Jahre Junge Freiheit des ehemaligen JF-Redakteurs Götz Kubitschek verwiesen, das einen zwar subjektiven, aber intimen Einblick in das Selbstverständnis der Macher der JF gewährt.

Götz Kubitschek, 20 Jahre Junge Freiheit: Idee und Geschichte einer Zeitung, Schnellroda: Editiona Antaios 2006, 304 Seiten, 29 Euro

Stephan Braun und Ute Vogt (Hrsg.), Die Wochenzeitung "Junge Freiheit": Kritische Analysen zu Prgogrammatik, Inhalten, Autoren und Kunden, Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften 2007, 358 Seiten, 39,90 Euro

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