Wir dürfen nicht in Deckung gehen

Der Mord an Theo van Gogh hat die Niederlande in ihrem innersten Kern erschüttert. Hier analysiert der Vorsitzende der holländischen Sozialdemokraten, wie Parteien der linken Mitte auf das Scheitern des multikulturellen Traums reagieren sollten

Am 2. November 2004 tötete ein muslimischer Extremist den Filmemacher Theo van Gogh. Sowohl Politiker der Rechten wie Politiker der Linken haben diesen Mord mit gescheiterter Integrationspolitik in Zusammenhang gebracht. Auf der Rechten sagen manche, der Mord sei ein Beweis für das Scheitern des Multikulturalismus; die Debatte mit den Muslimen und vor allem mit muslimischen Extremisten müsse nun mit härteren Bandagen geführt werden. Auf der Linken wiederum wird hier und da argumentiert, dass die Art und Weise wie Muslime in der niederländischen Gesellschaft und von den niederländischen Politikern behandelt würden, letztlich solche Reaktionen hervorrufen könnten.

Ich halte beide Deutungen für falsch. Meine These lautet: Die Niederlande haben einen Akt von internationalem Terrorismus erlebt, der durch besondere holländische Umstände nicht zu erklären ist. Das Verhältnis zwischen Terrorismus und Integration ist kompliziert. Es geht hier um unterschiedliche Dinge, die jedoch miteinander zu tun haben. Ich meine, dass falsche oder gescheiterte Integrationspolitik nicht die Ursache für den Mord an Theo van Gogh gewesen ist, dass aber gleichzeitig der Prozess der Integration ethnischer Minderheiten in unsere Gesellschaft beschleunigt und erfolgreicher werden muss.

Einige Fakten vorweg. Theo van Gogh war ein begabter niederländischer Filmemacher und zugleich ein ebenso aktiver wie provokativer Teilnehmer an Debatten über das Wesen des Islam sowie die Vor- und Nachteile des Multikulturalismus. Gemeinsam mit der niederländisch-somalischen Parlamentsabgeordneten Ayaan Hirsi Ali produzierte er den Kurzfilm Unterwerfung – eine scharfe Attacke gegen muslimische Männer, die ihre Frauen und Töchter misshandeln.

Der Mörder von Theo van Gogh ist in den Niederlanden geboren und war nach allen gängigen Kriterien gut integriert. Bis vor zwei, drei Jahren nahm er als „normaler“ Bürger am Leben der holländischen Gesellschaft teil. Manche Umstände seines Lebens sind noch nicht geklärt, aber anscheinend wurde er anfällig für die Ideologie des Islamismus durch das zeitliche Zusammentreffen des Angriffs auf das World Trade Center und des Todes seiner Mutter. Mohamed B., wie er genannt wird, gehörte einem extremistischen Netzwerk an, das offenbar unter dem Einfluss eines reisenden syrischen Korangelehrten stand und für seine vielfältigen internationalen Kontakte bekannt war. Zu diesen Kontakten gehörten auch solche zu jenen Organisationen, die mit den Angriffen gegen New York und Madrid in Verbindung gebracht werden. Der Mord an Theo van Gogh wies alle Anzeichen einer rituellen Tötung auf. Befestigt an van Goghs Körper wurde ein Brief mit Koranpassagen und einer Todesdrohung gegen Ayaan Hirsi Ali gefunden.

Die niederländische Version von Nine-Eleven

Wie gesagt, manche bringen diesen Mord in Zusammenhang mit gescheiterter Integrationspolitik. Ich halte diese Sichtweise für falsch. Diese Art von Terrorismus ist nicht niederländisch, und sie ist auch nicht pro-muslimisch. Sie ist weder eine Folge gescheiterter Integration noch eine Reaktion auf Diskriminierung oder Marginalisierung von Muslimen in der niederländischen Gesellschaft. Wer dies wirklich glaubt, unterschätzt die Gefahr, die von einer international organisierten und finanzierten politischen Bewegung ausgeht. Denn in mancher Hinsicht lässt sich der Mord an Theo van Gogh am besten als die holländische Version von New York oder Madrid begreifen. Selbstverständlich bin ich mir sämtlicher Unterschiede bewusst, aber die Motive des Mörders sowie die Umstände seiner Rekrutierung und Motivation machen „Eleven-Two“ zur niederländischen Variante von „Nine-Eleven“. Nur wenn wir das Ereignis so deuten, können wir die Bedrohung unserer Gesellschaft angemessen begreifen – und mit ihr fertig werden.

Sie hassen unsere Gesellschaft insgesamt

Islamisten ziehen gut integrierte junge Leute ebenso an wie schlecht integrierte. Sie morden in Bali oder Casablanca so bedenkenlos wie in Amsterdam, und sie haben weltweit mehr Muslime umgebracht als Nichtmuslime. Wenn wir den Mord an Theo van Gogh als typisch niederländisches Phänomen interpretieren – als das Resultat fehlgeschlagener Integrationspolitik oder verhärteter Haltungen gegenüber ethnischen Minderheiten –, dann unterschätzen wir die Gefahr. Und dann verhalten wir uns im Übrigen genau so, wie es sich die Terroristen wünschen: Wir werfen sie in einen Topf mit den tatsächlich diskriminierten und marginalisierten muslimischen Jugendlichen in unserer Gesellschaft. In Wahrheit aber hassen die Terroristen diese Gruppen ganz genauso, wie sie jeden hassen, der in unserer freien und modernen Gesellschaft leben will. „Sie hassen unsere Gesellschaft nicht dafür, was sie tut, sondern dafür, was sie ist“, sagt der niederländische Filmemacher Eddy Terstall, der mit Theo van Gogh befreundet war.

Sollte diese Analyse zutreffen, dann muss die erste und wichtigste Antwort auf diese neue Bedrohung der niederländischen Gesellschaft sehr pragmatisch ausfallen: Sie besteht in verstärkten Anstrengungen von Polizei und Geheimdiensten, diese Extremisten zu fassen. Es kommt darauf an, dass kein einziger Bürger der Niederlande, ob Muslim oder Nichtmuslim, Zweifel daran hat, durch die niederländische Regierung vertreten und durch die niederländischen Polizeikräfte und Geheimdienste wirksam geschützt zu werden. Nur dann werden diese Kräfte und Dienste in der Lage sein, effektiv zu arbeiten. Nur dann wird es an Orten fehlen, an denen sich die Terroristen verstecken können. Nur dann wird es den Terroristen schwer fallen, Nachwuchs zu rekrutieren und Gefühle von Enttäuschung und Entfremdung für ihre Zwecke auszuschlachten.

Integration ist also nicht ein Teil des Problems, sehr wohl aber ein Teil der Lösung. Mehr denn je müssen wir unsere Anstrengungen verstärken, ethnische Minderheiten in unsere Gesellschaft zu integrieren und sie zum Bestandteil des „Wir“ zu machen, das vereint ist im Kampf gegen jene „Sie“, die die Grundwerte unserer Gesellschaft bedrohen. Aber Integration ist nicht nur wichtig, damit wir den Kampf gegen den Terrorismus gewinnen können. Natürlich sprechen auch etliche andere Gründe für die Idee einer integrierten Gesellschaft. Wenn es uns nicht gelingt, Verschiedenartigkeit auf vernünftige Weise zu organisieren, wenn es uns nicht gelingt, ethnische Minderheiten in unsere Gesellschaft zu integrieren – dann wird zugleich die Zustimmung zur Idee der Solidarität in unserem modernen Sozialstaat nach und nach erodieren.

Solidarität und Altruismus

Beim Prinzip der Solidarität ging es auch früher nicht nur um Altruismus. Das gilt auch für Solidarität als Grundlage der kollektiven Arrangements unseres modernen Sozialstaates. Der niederländische Soziologe Abram de Swaan meint, dass der Sozialstaat, so wie wir ihn kennen, nicht auf Altruismus gründet, sondern auf aufgeklärtem Eigeninteresse: Weil wir alle denselben Risiken ausgesetzt sind, tun wir gut daran, uns gemeinsam gegen diese Risiken zu versichern. Wir leben nicht gern in Stadtvierteln, in denen wir ständig Bettlern und Obdachlosen begegnen. Wir wollen nicht in Häusern wohnen, in die jederzeit Menschen einzubrechen drohen, die mit ihrem Leben nichts Besseres anzufangen wissen. Also lasst uns allen diesen Menschen Bildung geben, damit auch sie eine wirkliche Chance im Leben haben!

Solidarität in unserer Gesellschaft wird nicht von den Reichen bezahlt, sondern von den Mittelschichten. Von ganz gewöhnlichen Leuten also. Sie sind bereit, Solidarität zu finanzieren, weil sie sich ausrechnen, dass sie selbst irgendwann einmal Hilfe brauchen könnten. Würden sich die Mittelschichten für unverletzlich halten, wäre es unmöglich, Solidarität zu organisieren.

Tragen wir noch alle dieselben Risiken?

Die zunehmende Ausdifferenzierung der Gesellschaft macht es jedoch schwieriger, Unterstützung für diese Art von Solidarität zu finden. Manche sagen, dafür seien vor allem kulturelle Gründe verantwortlich. Solidarität sei in den Gesellschaften der Gegenwart deshalb schwerer zu organisieren, weil es ihnen an einer gemeinsamen Kultur fehle: „Warum soll ich mich für Leute anstrengen, die ich nicht kenne, denen ich nicht vertraue oder die nicht so handeln, wie ich handeln würde?“ Mir ist klar, dass es diese Einstellungen tatsächlich gibt, aber ich glaube, dass dies nur ein Teil des Problems ist – und dass wir uns etwas vormachten, wenn wir das Problem der Solidarität und Diversität auf ein kulturelles reduzieren würden. Ja, wo eine gemeinsame Kultur fehlt, wird es immer schwieriger, Solidarität zu organisieren. Aber dies wird noch schwieriger dort, wo es keine gemeinsamen Interessen gibt.

Zurück zu Abram De Swann. Wenn Solidarität im Sozialstaat auf der Perzeption gemeinsamer Interessen gründet, weil alle Menschen dieselben Risiken tragen, dann ist die Frage berechtigt, ob die Menschen heutzutage ihre Chancen im Leben noch immer auf diese Weise deuten. Tragen wir heute eigentlich noch dieselben Lebensrisiken? Der belgische Soziologe Mark Elchardus verneint das. Er verweist darauf, dass Menschen mit geringer Bildung durchweg ein höheres Risiko tragen, arbeitslos, krank oder auf andere Weise marginalisiert zu werden. Sofern dies stimmt, ist es leicht einzusehen, warum es immer schwerer werden dürfte, die Menschen mit besserer Bildung davon zu überzeugen, für kollektive Arrangements zu bezahlen, die nicht mehr allen gemeinsam zugute kommen, sondern vor allem denjenigen mit geringerer Bildung.

Eines der Hauptprobleme in unserer zunehmend ausdifferenzierten niederländischen Gesellschaft besteht darin, dass ein überdurchschnittlich hoher Anteil unserer Einwanderer einen unterdurchschnittlichen Bildungsstand aufweist. Allzu oft korreliert der Unterschied zwischen hoher und niedriger Bildung mit dem Unterschied zwischen Schwarz und Weiß, westlicher und nichtwestlicher Herkunft. Der vergleichsweise niedrige Bildungsstand unter Einwanderern und Einwandererfamilien ist einer der Gründe für deren höheres Risiko, arbeitslos, krank, kriminell oder auf irgendeine andere Weise marginalisiert zu werden.

Wenn „Wir“ für „Sie“ bezahlen

Wenn aber die Trennlinien zwischen Beschäftigten und Unbeschäftigten, zwischen Gesunden und Kranken, zwischen Menschen mit Eintrag im Strafregister und Menschen ohne Eintrag im Strafregister allzu oft dieselben sind wie die Trennlinien zwischen Weiß und Schwarz, zwischen westlicher und nichtwestlicher Herkunft – dann werden wir erleben, dass die Bessergestellten kollektive Arrangements zunehmend als Systeme wahrnehmen, durch die „Wir“ für „Sie“ bezahlen. Doch Solidarität gründet in hohem Maße (und jedenfalls aus Sicht der Mittelschichten, die in unserer Gesellschaft die Solidarität finanzieren) nicht auf der Idee, dass „Wir“ für „Sie“ zahlen. Vielmehr gründet sie auf der Idee, dass „Wir“ für „uns selbst“ zahlen, weil das, was „Sie“ erleiden, auch „uns“ zustoßen könnte.

Wenn diese Annahme von großen Steuern zahlenden Gruppen in der Gesellschaft nicht mehr als gegeben angenommen wird, und wenn diese deshalb so denken, weil sie sich selbst als die Zahlmeister von Einwandererfamilien betrachten, und wenn sie glauben, was diese Einwandererfamilien erleben, sei etwas, das ihnen selbst nicht zustoßen könne – dann wird es sehr schwierig, Solidarität in einer ausdifferenzierten Gesellschaft zu organisieren.

Mehr Zustimmung zu mehr Repression

Das ist im Übrigen nicht nur für den Sozialstaat ein Problem, sondern auch für den Rechtsstaat. So wurzeln etwa die Gesetze, in denen geregelt wird, wie Verdächtige vor Gericht zu behandeln sind, in der Vorstellung, dass jeder von uns irgendwann einmal im Gerichtssaal landen könnte. Weil wir dann unschuldig sein könnten, halten wir es für sinnvoll, dass die Wahrscheinlichkeit, unschuldig verurteilt zu werden, in diesem Fall so gering wie möglich sein sollte. Wenn jedoch in einer zunehmend ausdifferenzierten Gesellschaft das Risiko, eines Verbrechens verdächtigt zu werden, für die Mitglieder einer Gruppe beträchtlich höher ist als für die Mitglieder einer anderen, nämlich für Bürger nichtwestlicher Herkunft höher als für Bürger westlicher Herkunft, dann werden die Bürger westlicher Herkunft früher oder später mit repressiven Maßnahmen einverstanden sein, weil sie glauben, dass sie selbst ohnehin nicht von solchen Maßnahmen betroffen sein werden.

Exakt dies geschieht derzeit in der niederländischen Politik. Es wird eine Vielzahl von Maßnahmen erörtert, die alle darauf abzielen, die Rechte von Angeklagten vor Gericht einzuschränken. Diskutiert wird, ob anonym gewonnene Geheimdienstinformationen als Beweismittel vor Gericht zugelassen werden sollten; und darüber, Extremisten nicht nur für ihre Taten zu bestrafen, sondern auch für ihre Überzeugungen. Die Zustimmung zu diesen Plänen ist groß, weil die meisten Menschen glauben, nicht sie selbst, sondern „Andere“ würden von ihnen betroffen. Warum ist das so? Studien zeigen, dass die Folgen der Einwanderung in die Niederlande in den vergangenen 40 Jahren per Saldo negativ gewesen sind. Überdurchschnittliche Zahlen von Einwanderern sind arbeitslos oder auf sozialstaatliche Transferleistungen angewiesen. Die Heiratsmigration junger Frauen mit geringer Bildung hat diesen Effekt weiter verstärkt. Und viele Einwanderer der ersten Generation sprechen auch nach Jahrzehnten nicht Niederländisch.

Emanzipation und Entwicklung für alle

Was ist zu tun? Zunächst einmal müssen wir uns den aus dem Fehlen gemeinsamer Grundwerte herrührenden Gefahren annehmen, die die Solidaritätsbereitschaft der Mittelschichten untergraben. Ich glaube, dass diejenigen, die (aus wirtschaftlichen Gründen) mehr Zuwanderung in die Gesellschaften des Westens befürworten oder diese Zuwanderung zumindest für unvermeidlich halten, nur dann glaubwürdig sind, wenn sie auch hinsichtlich der Grundwerte unserer Gesellschaft glaubwürdig sind: Das sind die Bürgerrechte, das ist Gleichberechtigung von Frauen und Männern, von Hetero- und Homosexuellen, das ist die Trennung von Kirche und Staat, das sind die Prinzipien der demokratischen Herrschaft und der Rechtsstaatlichkeit. Diese Grundwerte stehen nicht ein für allemal fest, sondern werden immer Gegenstand dynamischer Interpretation sein. Dennoch können wir nur dann glaubwürdige Verteidiger der Einwanderung sein, wenn wir zugleich glaubwürdige Verteidiger dieser Grundwerte sind.

Die zweite Herausforderung besteht in der Bewältigung der klassischen Aufgabe progressiver Politik, nämlich benachteiligten Menschen Emanzipation und Entwicklung zu ermöglichen. Unser Ziel sollte eine Gesellschaft sein, in der die Lebenschancen der Menschen nicht davon abhängen, ob sie schwarz oder weiß sind, Christen oder Muslime, afrikanischer oder asiatischer Abstammung. Nur dann werden unsere kollektiven Arrangements als Arrangements betrachtet werden, die von uns allen unabhängig von unserer Herkunft bezahlt werden, weil sie uns allen unabhängig von unserer Herkunft zugute kommen. Und nur dann werden auch rechtsstaatliche Arrangements als Vorkehrungen interpretiert, die uns alle unabhängig von unserer Herkunft schützen.

Wir werden uns mehr anstrengen müssen

Und drittens: Wir müssen erst einmal selbst begreifen, dass es sich hier um eine enorme Aufgabe handelt. Diese Aufgabe wird auch nicht dadurch einfacher, dass wir immer wieder erklären, dass Einwanderung unvermeidlich sei und dass unsere Gesellschaft in 10, 20 oder 30 Jahren auf eingewanderte Arbeitskräfte angewiesen sein werde. Diese Aufgabe erfordert eine Anstrengung von uns allen: sowohl von denen, die hier geboren sind wie von denen, die später zu uns stießen. Sie erfordert die Anstrengung von Arbeitgebern und Schulbehörden, Politikern und geistlichen Führern, Journalisten, Bauunternehmen und vielen anderen. Dabei wird eine restriktive Einwanderungspolitik nötig sein, weil unsere Fähigkeit, Emanzipation durchzusetzen, nicht unbegrenzt ist. Und dabei wird auch Härte erforderlich sein, sowohl gegenüber denen, die erst noch an unserer Gesellschaft partizipieren wollen wie gegenüber jenen, die schon lange an ihr teilhaben.

Progressive Parteien und Politiker könnten nun auf den Gedanken kommen, diese Aufgaben auf andere abzuwälzen. Wir könnten all die schwierigen Dilemmata unerörtert und uneingestanden lassen. In den Niederlanden haben wir erlebt, was dann passieren kann: Denken wir an die historische Niederlage der Linken bei der Wahl von 2002. Denken wir an die Art und Weise, wie Politiker der Rechten auf diese Niederlage reagiert haben. Denken wir an die Verhärtung der Debatten über Einwanderer und Einwanderung, die darauf folgte. Und denken wir daran, wie wenig geblieben ist von der Toleranz und Freiheitlichkeit, für die die niederländische Gesellschaft einmal berühmt war.

Allen alles versprechen, das geht nicht mehr

Es wäre zu bequem, diese Debatte anderen zu überlassen. Gewiss, wir bräuchten dann niemanden zu enttäuschen. Wir könnten dann damit fortfahren, allen alles zu versprechen: Solidarität und Vielfalt; Rechtsstaatlichkeit und Multikulturalismus; und offene Grenzen noch dazu. Aber wir sollten uns nichts vormachen. Genau das wird denen nicht helfen, die auf uns zählen. Es wird den Einwanderern in unserer Gesellschaft nicht helfen, denen wir eine Zukunft versprechen würden, für die wir keine Vorkehrungen treffen. Aber es wird den alteingesessenen Bürgern nicht helfen, die sich entweder einreden, Vielfalt verursache überhaupt keine Probleme, oder die unter dem langsamen Zerfall unserer kollektiven Arrangements leiden. Das ist nicht, was ich will. Politiker der linken Mitte dürfen angesichts dieser Debatte nicht in Deckung gehen, denn sie handelt davon, allen Menschen eine faire Chance zu geben, ihr eigenes Leben zu führen. Diese Debatte muss unser Thema sein.

Aus dem Englischen von Tobias Dürr

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