Wie die SPD zur stärksten Kraft wird

Nach der Großen Koalition kommt - die nächste Große Koalition. Aber wenn die SPD ihre gute Regierungspolitik der vergangenen Jahre schlüssig erklärt, kann sie 2017 den Bundeskanzler stellen

Was kommt nach der Großen Koalition? Die Große Koalition natürlich. Wer die Umfragen zugrunde legt, kann zu keinem anderen Ergebnis kommen. Dabei gibt es in Deutschland weitere numerische und politische Mehrheiten – unabhängig davon, dass in einer Demokratie alle demokratischen Parteien miteinander koalieren können müssen.

Rechnerische sind nicht immer die wünschenswerten Mehrheiten, politisch wünschenswerte nicht immer die rechnerisch möglichen Mehrheiten. Allerdings müssen sich die im Bundestag vertretenen Parteien damit anfreunden, dass klassische Modelle nicht mehr unbedingt gefragt sind, schon allein deshalb, weil es in Deutschland neue Parteien gibt.

Man muss also die theoretischen Möglichkeiten einmal durchdeklinieren: Neben der für viele Wählerinnen und Wähler unwiderstehlichen Großen Koalition gibt es aus dem Blickwinkel der SPD noch die sozialliberale Koalition mit der FDP sowie Rot-Grün-Gelb, eine Variante, die früher Ampel-Koalition hieß. Und natürlich die wünschenswerte Variante Rot-Grün.

Eine Koalition mit den Grünen unter Führung der SPD ist rechnerisch gegenwärtig nicht machbar. Ob es nach der Bundestagswahl 2017 klappt, ist ehrlich gesagt ungewiss; dazu müssten die Grünen schon deutlich über 15 Prozent kommen. Zudem changieren die Grünen derzeit zwischen Verbots- und Dogmapartei und haben ihren Markenkern – den Atomausstieg – an Bundeskanzlerin Angela Merkel verloren. Um wieder eine relevante Partei zu werden, müssen sie sich erst einmal neu positionieren.

Eine sozialliberale Regierung mit der FDP ist praktisch ausgeschlossen, weil die Freidemokraten ums Überleben kämpfen. Deshalb wird es auch schwierig mit der Ampel-Konstellation – ganz abgesehen davon, dass die FDP so gut wie kein Profil mehr hat. Jedenfalls erinnern die heutigen Liberalen nicht mehr an die Bürgerrechtspartei von Gerhart Baum oder Burkhard Hirsch.

Das bedeutet: Neben der „GroKo“ sieht es zunächst düster aus. Aber natürlich wäre da noch die Variante Rot-Rot-Grün. Viele in der SPD glauben, nur auf diese Weise werde es gelingen, wieder den Kanzler beziehungsweise die Kanzlerin zu stellen.

Und es stimmt ja: Wo immer die Linkspartei an der Macht ist, macht sie fast alles mit – Sparbeschlüsse, Reformen, innenpolitische Maßnahmen. Das gilt zumindest für die Ebenen der Länder und Kommunen. Denn im Grunde ist die Linke eine strukturkonservative Kaderpartei. Aber vor allem im Westen ist sie durchzogen von sektiererischen Spinnern mit grotesken Ansichten. So pragmatisch die Linkspartei im Osten auch auftritt, im Westen spaltet sie. Wohin die Reise mit dieser zerstrittenen Partei geht, ist ungewiss. Auch im Bundestag sitzen einige irrationale Abgeordnete der Linkspartei und wie mit diesen Kolleginnen und Kollegen stabile und verlässliche Außenpolitik betrieben werden soll, weiß der Himmel. In einem immer enger zusammenwachsenden Europa, das mit den Unsicherheiten durch Russland, den IS-Terror und die Finanzkrise fertig werden muss, ist eine verbindliche Außenpolitik für Deutschland aber die Conditio sine qua non. Linke Unruhestifter als Steigbügelhalter für einen sozialdemokratischen Bundeskanzler wären unberechenbar.

Bleibt also die Große Koalition. Sowohl in der aktuellen wie auch in der vorherigen Großen Koalition haben die Sozialdemokraten die Themen gesetzt. Das gilt für die Rentenpolitik ebenso wie für Arbeitsmarktreformen, für den Bildungsbereich wie für die Sozialpolitik. Der CDU-Wirtschaftsrat wirft Kanzlerin Angela Merkel ja immer wieder vor, sozialdemokratische Politik zu machen. Merkel wiederum orientiert sich stark an Umfragen – was belegt, dass den Menschen die sozialdemokratischen Themen wichtig sind. Allein im Jahr 2014 hat die Regierungspartei SPD mehr auf den Weg gebracht, als die Vorgängerregierung in vier Jahren. Gewaltige Sozialreformen wie die Rente mit 63, den Mindestlohn, aber auch die Frauenquote, den Doppelpass und die Mietpreisbremse.

Die SPD hat den Anspruch und das oberste Ziel, stärkste Kraft zu werden. Wichtig dafür ist geeignetes Personal – in den Ländern, aber etwa auch in der Bundestagsfraktion. Hier haben die Sozialdemokraten einen gewaltigen Vorteil gegenüber der ausgebluteten Union. Wichtig sind aber auch die oben genannten Themen, von denen die Menschen im Land fordern, dass sie angegangen werden. Die Reformen müssen eben wirken, und ob sie dies tun, zeigt sich erst in ein bis zwei Jahren. Diesen langen Atem braucht die SPD.

Außerdem muss sich die SPD dem gegenwärtigen Zeitgeist widmen. Dieser ist geprägt von Angst: die Angst der Mittelschicht vor Absturz, Angst vor Jobverlust, Krieg, der Finanzkrise, der Globalisierung, Angst vor zu hohen Stromkosten, vor Geldnot im Alter, Angst vor Einbrechern, vor Überfremdung. Deshalb muss sich gerade die SPD als älteste Volkspartei in der Pflicht sehen, den Menschen ihre Ängste zu nehmen, mit ihnen zu sprechen, ihnen zuzuhören. Und: erklären, erklären, erklären!

Ein Thema, mit dem die SPD die Menschen überzeugen und gewinnen kann, könnte deshalb zum Beispiel die Datensicherheit sein – die Bürgerrechte in Zeiten der Infiltration durch ausländische Geheimdienste und gierige Großkonzerne. Apropos Großkonzerne: Hier sollten die Sozialdemokraten deutlich machen, dass wir ein Europa der Menschen, der Individuen wollen, keines der Konzerne. Wenn wir stärker betonen, dass Europa für uns da ist, dass die EU-Kommission kein Feind ist, sondern Einigkeit herstellen will, wenn wir klarmachen, dass durch ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten unsere sozialen Sicherheiten nicht durchlöchert werden und Deutschland auch nicht islamisiert wird, dann haben wir gute Chancen, 2017 wieder stärkste Kraft zu werden und das Land zukunftsfester und zugleich moderner zu machen, ohne Menschen zurückzulassen.

Die SPD hat die Themen und das Personal, das sowohl im Bund als auch in den Ländern bereits in Regierungsverantwortung ist. Die nächste „GroKo“ kann also kommen – wenn der Wähler es will.

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