Wider den ideenlosen Pragmatismus



An der Berliner Republik liegt’s nicht: Nach neun Jahren Angela Merkel und einem Jahr Große Koalition hat Deutschland verlernt, kontrovers über die Zukunft des Landes zu diskutieren. Wie wollen wir in den nächsten Jahrzehnten leben, arbeiten und wirtschaften? Wie kann Deutschland seinen Wohlstand halten, gerechter verteilen und im Einklang mit der Natur erwirtschaften?

Die Große Koalition entzieht sich jeder Debatte darüber. Zu den großen Fragen unserer Gesellschaft bietet sie nur den kleinen Geist von Quötchen, Reförmchen und Trostpflästerchen. Während der Gestaltungsanspruch an die Politik erlahmt und der demokratischen Kultur durch 80 Prozent Merkel der Sauerstoff entzogen wird, werden die Probleme drängender: Europa steht unter dem wachsenden Druck eines destruktiven neuen Nationalismus.

Trotz Klimakrise sind wir als einstige Vorreiter nur noch Mittelmaß im Klimaschutz. Wir verschenken Wachstum, weil sich die Kluft zwischen Armen und Reichen immer weiter öffnet. Der digitalen Revolution steht Alexander Dobrindt im Weg, hier wachsen statt guter Ideen vor allem Datenschnüffelei und die Lücken im Breitbandausbau. Trotz dieser Zukunftsfragen wirkt die Große Koalition träge und leidenschaftslos.

Die Große Koalition fährt selbst da auf Sicht, wo der Horizont weit ist. Kein Wunder, dass viele Menschen trotz unserer wirtschaftlich komfortablen Situation nach Alternativen suchen. Leider auch bei denen, die „Alternative“ im Namen tragen, aber nur Reaktionäres und Angst vor der Zukunft im Angebot haben.

Wir müssen wieder anfangen, über unser Land, inmitten von Europa, nachzudenken und für Visionen zu kämpfen. Denn heute werden wir regiert vom falschen Pragmatismus angeblicher Alternativlosigkeit. Niemand steht dafür mehr als Angela Merkel: Für sie ergibt sich Zukunft im Abarbeiten von Einzelproblemen. Ohne eine Idee, wie wir leben wollen, fehlt jeder Einzelentscheidung Seele und Sinn. Für eine solche gesellschaftliche Debatte braucht es Orte – einer davon ist die Berliner Republik. Wir wünschen ihr alles Gute und viele Debatten, die Zukunft stiften.

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