Wer versteht schon die Beschlüsse von Nizza?

Auch die Demokratie braucht politische Führung. In der deutschen Außenpolitik ist davon derzeit nicht viel zu spüren. Doch wenn die politische Klasse die fälligen Zukunftsfragen nicht öffentlich debattiert, beschädigt sie ihre eigene Legitimität

Vierundzwanzig Jahre nach der Gründung des deutschen Kaiserreiches und der Proklamation von Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles geht ein junger Professor in seiner Antrittsvorlesung mit der politischen Klasse in Deutschland hart ins Gericht: "Nachdem die Einheit der Nation errungen war", erklärt er, "und ihre politische ‚Sättigung‘ feststand, kam über das aufwachsende erfolgstrunkene und friedensdurstige Geschlecht des deutschen Bürgertums ein eigenartig ‚unhistorischer‘ und unpolitischer Geist. Die deutsche Geschichte schien zu Ende. Die Gegenwart war die volle Erfüllung der vergangenen Jahrtausende."


Das harsche Urteil stammt von Max Weber, vorgetragen hat er es 1895 in seiner Freiburger Antrittsvorlesung. Für Weber stand fest, dass die erste Einigung Deutschlands - "ein Jugendstreich, den die Nation auf ihre alten Tage beging" - Ausgangspunkt einer deutschen Weltmachtpolitik sein müsse. Für das entscheidende Problem dabei hielt er, dass Deutschland keine politische Klasse besitze, die politische Führung übernehmen könne. Sein Urteil über die politische Klasse war deshalb vernichtend: Ein Teil des Großbürgertums sehnt sich nach "dem Erscheinen eines neuen Cäsar", der andere Teil ist versunken in die "politische Spießbürgerei". Die Vertreter der Arbeiterklasse wiederum hielt Weber für "kümmerliche politische Kleinmeister", denen der Machtinstinkt fehle.


Die Verhältnisse mehr als einhundert Jahre später, ein gutes Jahrzehnt nach der zweiten Vereinigung Deutschlands, sind gewiss andere, doch der Vorwurf der mangelnden politischen Führung trifft auch heute zu. Auch in der Demokratie ist politische Führung eine Notwendigkeit, allerdings muss sie in einen breiten öffentlichen Diskurs eingebettet sein. Wie sollte denn die außenpolitische Zukunft Deutschlands - seine Rolle in Europa und der Welt - gestaltet werden, wenn die politische Führung keine Perspektiven aufzeigt? Die Gestaltung der außenpolitischen Zukunft Deutschlands darf nicht der Bürokratie überlassen werden, und sie darf auch nicht bloß Ergebnis von Sachzwängen sein. Die Konsequenzen für die Legitimität und Krisentauglichkeit der Außenpolitik wären verheerend.

Von Kontinuität kann keine Rede sein

Mehr als zehn Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes fehlen die Perspektiven für eine deutsche Außenpolitik. Die schon zur Standardformulierung geronnene Formel von der "Kontinuität", mit der sie zu betreiben sei, zeigt, wie wenig die politische Klasse in Deutschland auf die neue Rolle ihres Landes in der Weltpolitik vorbereitet ist. Es gibt gute politische Gründe für die Kontinuitätsthese, inhaltlich aber ist sie nicht tragfähig. Die Sicht der Vergangenheit und die Sicht der zukünftigen Gestaltungsaufgaben für die deutsche Außenpolitik stehen in einem merkwürdigen Missverhältnis. Die großen Leistungen der Ver-gangenheit werden gefeiert - die gewaltigen Herausforderungen der Gegenwart ignoriert.


Zu Recht werden die Leistungen der deutschen Außenpolitik der Nachkriegszeit hervorgehoben: die erfolgreiche und dauerhafte Einbindung in die Gemeinschaft der westlichen Demokratien, die Mitwirkung am Projekt der europäischen Integration und die Entspannungspolitik, die einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenbruch der kommunistischen Regime und zur Überwindung der Teilung Deutschlands geleistet hat. Aber aus diesen Erfolgen lässt sich nicht einfach die Notwendigkeit der Kontinuität deutscher Außenpolitik ableiten.
Mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Herrschaftsimperiums haben sich die Rahmenbedingungen grundsätzlich verändert und damit auch die Herausforderungen für die deutsche Außenpolitik. Letztlich dient der Hinweis auf die Notwendigkeit außenpolitischer Kontinuität zur Beruhigung der Nachbarn: Deutschland wird keine Großmachtrolle übernehmen. "Kluge Selbstbeschränkung und multilaterale Ausrichtung" (Joschka Fischer) sind in der Tat sinnvolle Prinzipien der deutschen Außenpolitik - über deren Ziele ist damit aber noch nichts gesagt.


Eben hier liegt der Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft der deutschen Außenpolitik, der häufig in falschem Lichte gesehen wird. Die Ziele der Außenpolitik der alten Bundesrepublik - militärische Sicherheit im Bündnis und Dialogbereitschaft mit dem Osten - waren klar umrissen und beruhten nach der Debatte über die Ostpolitik in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sogar auf einem überparteilichen Konsens. Auch die Krise um den Nato-Doppelbeschluss konnte diesen Konsens letztlich nicht gefährden. Gestaltungsspielraum für die deutsche Außenpolitik gab es unter den Bedingungen des Ost-West-Konfliktes wenig. Immer wieder hatte man sich der Übereinstimmung mit dem wichtigsten Bündnispartner, den Vereinigten Staaten versichern und gleichzeitig den Konsens mit den europäischen Partnern herstellen. Zuweilen musste man auch zwischen den USA und den europäischen Partnern vermitteln. Insgesamt war die deutsche Außenpolitik durch die Statik des Ost-West-Konfliktes und das hohe Maß der Abhängigkeit von den Bündnispartnern bestimmt.

Jetzt zählen Entwürfe, nicht Überzeugungen

Große außenpolitische Debatten, die auf einen Entscheidungsspielraum hindeuten, hat es in der alten Bundesrepublik nur wenige gegeben: Die Wiederbewaffnungsdebatte in den fünfziger Jahren, die Debatte über die Ostpolitik zu Beginn der siebziger Jahre und schließlich die "Nachrüstungsdebatte" Ende der siebziger Jahre. Diese Debatten zeichneten sich stets dadurch aus, dass sie auf moralischem Terrain, im Schatten der deutschen Geschichte, ausgetragen wurden. In den achtziger Jahren hieß es: "Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen". Eine Selbstverständlichkeit, die aber in der Debatte zum moralischen Appell stilisiert wurde. Diese Form der moralischen außenpolitischen Debatten konnte sich die alte Bundesrepublik deshalb leisten, weil sie in feste Strukturen der Allianzbeziehungen eingebunden war und weil letztlich auch über die Ziele Einigkeit bestand.


Das hat sich mit dem Ende des Ost-West-Konflikts grundlegend geändert. Die Strukturen sind nicht mehr vorgegeben, sondern müssen im Rahmen einer neuen europäischen Sicherheitsordnung überhaupt erst gestaltet werden. Damit geht es um konkrete Entwürfe und nicht um moralische Überzeugungen. Aufgrund seiner Größe, seines wirtschaftlichen Potentials und seiner geografischen Lage ist Deutschland strukturabhängig. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wirkt seine Außenpolitik aber auch strukturbildend (Werner Link). Bei der Entwicklung einer neuen europäischen Sicherheitsordnung kommt ihr darum eine Schlüsselrolle zu. Die deutsche Außenpolitik ist besonders gefordert, Ordnungsentwürfe für Europa vorzulegen.


Das vereinigte Deutschland steht vor ungleich größeren außenpolitischen Herausforderungen als die alte Bundesrepublik. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Gestaltungsnotwendigkeiten enorm sind. Für die Weiterentwicklung der Europäischen Union, die Osterweiterung von EU und Nato, die Konfliktherde im ehemaligen Jugoslawien und für die Beziehungen zu Russland müssen neue Ordnungsentwürfe entwickelt werden, die miteinander kompatibel sind, also ineinandergreifen. Das ist ein gewaltige Aufgabe. Andere Herausforderungen, die im Zuge des Prozesses der Globalisierung an Brisanz gewinnen - etwa globale Umweltprobleme, internationale Kriminalität, das wachsende Entwicklungs- und Wohlfahrtsgefälle, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen - kommen hinzu. Keine dieser Herausforderungen und Ordnungsanstrengungen kann Deutschland allein bewältigen. Der Multilateralismus bleibt darum notwendigerweise eine Handlungsmaxime der deutschen Außenpolitik. Die deutsche Politik ist in hohem Maße auf Kooperation in multilateralen Organisationen angelegt. Die Prozesse der Globalisierung führen dazu, dass die Abhängigkeiten weiter zunehmen. Das bedeutet aber, dass die daraus entstehenden Probleme in verstärktem Maße institutionellkooperativ bearbeitet werden müssen.

Der nationale Machtsstaat hat ausgedient

Das hohe Maß an Interdependenz relativiert auch den Machtzuwachs Deutschlands nach der Vereinigung. Deutschland kann die Rolle einer "Zentralmacht in Europa" (Hans-Peter Schwarz) nicht ausfüllen. Diese Vorstellung gehört dem Europa einer vergangenen Welt an. Max Webers Plädoyer für den nationalen Machtstaat bietet uns Heutigen keine Perspektive mehr. Als Bürger eines europäischen Nationalstaates kann für uns der letzte Wertmaßstab nicht mehr die "Staatsraison" sein, wie dies Max Weber in seiner Antrittsvorlesung auch für die volkswirtschaftliche Betrachtung fordert. Die Idee des nationalen Machtstaates ist durch die grausame Geschichte Europas im 20. Jahrhundert nachdrücklich diskreditiert. Die Staatsraison lässt sich mit dem demokratischen Verfassungsstaat nicht vereinbaren.


Das heißt aber auch, dass die Grundlagen der Außenpolitik einer breiten öffentlichen Diskussion bedürfen. Die Regierenden sind verpflichtet, den Bürgern die Ziele und möglichen Konsequenzen der Außenpolitik zu erklären und diese nicht in abstrakten Formeln verschwinden zu lassen. Gleichzeitig sind die Regierenden aufgefordert, Perspektiven für die Außenpolitik aufzuzeigen - das ist hier mit politischer Führung gemeint -, um damit eine öffentliche Diskussion überhaupt erst zu ermöglichen. Dies sollte im übrigen auch im Eigeninteresse geschehen. In Krisensituationen wird nur diejenige Außenpolitik Bestand und Erfolg haben, die breiten gesellschaftlichen Rückhalt besitzt.

Die EU ist nicht das Projekt ihrer Bürger

Deutsche Außenpolitik vollzieht sich in erster Linie im europäischen Rahmen. Die Existenzbedingungen des Machtstaates sind durch Interdependenz und Integration in Europa hinfällig geworden. Zwar wurde noch keine alternative Form der politischen Organisation als Ersatz für den Nationalstaat gefunden. In Europa jedoch hat sich die traditionelle Form des Nationalstaates am meisten verändert. Im Rahmen der europäischen Integration haben wir erstmals in der Geschichte die freiwillige Aufgabe von Souveränitätsrechten zugunsten einer supranationalen Einheit und eine enorme Verflechtung in allen Politikbereichen erlebt - zunächst in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, dann in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und seit 1993 in der EU. Es hat sich kein europäischer Staat, aber doch ein "kollektives politisches System" (William Wallace) entwickelt. Die Vorstellung vom souveränen Nationalstaat im klassischen Sinne hat sich in Europa erledigt.


Gleichwohl ist Europa noch lange kein Projekt der Bürger, sondern lässt sich mit Ralf Dahrendorf eher als ein "Kartell der Eliten" beschreiben. Die EU hat mittlerweile so viele Regelungskompetenzen erworben, dass das Demokratiedefizit nicht weiter hinnehmbar ist. Die Gefahr eines europäischen bürokratischen Regimes ohne demokratische Verantwortlichkeit und Legitimität ist real. Darum benötigen wir eine breite Debatte über die Verfassung der Europäischen Union. Nur eine solche große Debatte kann der EU Legitimität verleihen, sonst bleibt sie ein kaltes Projekt der Bürokratie. Der Integrationsprozess hat eine Dichte erreicht, die nicht mehr rein funktionalistisch, gleichsam hinter dem Rücken der Entscheidungträger, voranschreitet. Spätestens seit der Gründung der Europäischen Union ist der Punkt überschritten, an dem politische Entscheidungen über die zukünftige politische Ordnung Europas notwendig werden. Wir laufen Gefahr, dass die positive Idee Europas als Friedens- und Rechtsgemeinschaft in Anbetracht der wachsenden Bürokratie und dem Schacher um Agrarmarkt und Strukturfonds in Vergessenheit gerät.

Ohne Ziele verkommt die Idee von Europa

Das europäische Integrationsprojekt lässt sich ohne die konkrete Perspektive für eine Verfassung Europas nicht länger weitertreiben. Es war bereits verantwortlungslos, das Erweiterungsprojekt zu betreiben, ohne die notwendigen institutionellen Reformen zu beschließen. Eine Europäische Union, deren Struktur von der unberechenbaren Dynamik von Regierungskonferenzen bestimmt wird, deren Agenda "Left-overs" und "Post-XY-Prozesse" bestimmen, muss den Bürgern fremd werden. Wer versteht denn schon die Beschlüsse der Regierungskonferenz in Nizza? Außerhalb von Universitätsseminaren wird die Beschlussfindung mit der "dreifachen Mehrheit" wohl kaum diskutiert werden. Um die Idee von Europa nicht verkommen zu lassen, benötigen wir eine Vision vom Ziel der europäischen Integration. Der Hinweis auf die Zwänge von Kompromisslösungen hilft nicht weiter.


Eng verbunden mit dem Prozess der Integration ist die Aufgabe der Neugestaltung der europäische Sicherheitsarchitektur. Auch hier ist eine breite öffentliche Diskussion nötig. Denn das Verhältnis der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) zu den militärischen Strukturen der Nordatlantischen Allianz wirft schwierige Fragen auf. Die militärische Sicherheit Europas ist noch immer in hohem Maße von der Allianz und besonders der amerikanischen Führungsmacht abhängig. Im Kosovo-Krieg ist den Europäern schmerzlich vorgeführt worden, wie groß ihre militärische Abhängigkeit von den Amerikanern ist. Unter dem Eindruck dieser Erfahrung hat der Europäische Rat von Köln im Juni 1999 beschlossen, eine "autonome Handlungsfähigkeit" zu schaffen. Hier werden in naher Zukunft weitreichende Entscheidungen für die Zukunft Europas gestellt, über die in der Öffentlichkeit kaum diskutiert wird. Dabei geht es im Kern um die Identität Europas. Wird Europa eine Zivilmacht bleiben? Oder wird es eine Weltmacht, ausgestattet mit den entsprechenden militärischen Machtpotentialen?

Was will die EU eigentlich mit ihrem Militär?

Der Erfolg der Europäischen Union liegt in ihrem Charakter als "Zivilmacht". Sie wirkt nach innen und außen integrierend und damit auch im Zuge der großzügigen Erweiterung stabilisierend in Osteuropa. Die militärischen Kapazitäten der EU sind zwar ausschließlich für den Einsatz im Rahmen der Petersberger Aufgaben vorgesehen, also für friedenserhaltende und friedensschaffende Operationen, aber dies ändert nichts daran, dass innerhalb der EU erstmals militärische Strukturen entstehen. Einerseits also schreitet der Aufbau einer militärischen Struktur und Planung in der EU schnell voran, andererseits herrscht über deren politische Vorausset-zungen weiter Unklarheit. Wofür braucht die EU militärische Instrumente? Welche sicherheitspolitische Rolle will die EU spielen? Auf welche Konfliktlagen muss sie sich vorbereiten? In welchen Regionen wird Europa aktiv werden? Welche Auswirkungen wird das auf die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und Russland haben? Die Beziehungen zu Russland sind von überragender Bedeutung, denn hier liegt der Schlüssel für die weitere Entwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur.

Die großen Fragen gehören ins Parlament

Eigentlich ist sinnvolle militärische Planung erst möglich nachdem Antworten auf diese Fragen gefunden sind. Der übliche Hinweis auf die "Petersberger Aufgaben" ist unpräzise, weil der geographische Geltungsbereich der ESVP nicht definiert und das obere Ende dieser Aufgaben unbestimmt ist. Bedarf es nicht erst einer intensiven Diskussion über Europas Rolle in der Welt, bevor man die Instrumente der Sicherheitspolitik entwickelt? Der Einsatz von Streitkräften ist immer auch eine Entscheidung über Leben und Tod. Doch eine europäische Strategie mit klaren Kriterien für den Einsatz von Streitkräften gibt es nicht. Das ist ein Zustand, der für demokratische Gemeinwesen nicht akzeptabel sein kann.


Das alles sind zentrale Fragen für die Zukunft Europas und den Weltfrieden. Sie dürfen nicht ohne die Einbeziehung der Bürger beantwortet werden. Politische Führung in der Außenpolitik heißt auch politische Bildung. Das Parlament wäre der richtige Ort für die großen außenpolitischen Debatten über die Zukunft Europas, die zugleich Debatten über die Zukunft Deutschlands wären. Wenn der Eindruck nicht täuscht, sind freilich gerade die jüngeren Parlamentarier - im Unterschied zur ersten Generation von Abgeordneten der alten Bundesrepublik - nicht sonderlich an außenpolitischen Fragen interessiert.


Wiegt sich womöglich, wie zu Max Webers Zeiten, die politische Klasse - und natürlich erst recht die politische Öffentlichkeit - in der seichten Gewissheit, mit dem Ziel der Wiedervereinigung sei zugleich das Ziel der Geschichte erreicht? Das wäre eine gewaltige Täuschung. Denn das Ende des Ost-West-Konfliktes und die wieder erlangte deutsche Einheit haben die dringenden Fragen nach der Gestaltung der europäischen politischen Union und der Gestaltung der europäischen Sicherheit überhaupt erst wieder aufgeworfen.


Bis 1989 waren die Handlungsspielräume klein. Heute muss Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen Partnern eine europäische Demokratie gestalten und in Europa ein neues Sicherheitssystem errichten. Dafür gibt es so gut wie kein Bewusstsein - und noch viel weniger Antworten. Es ist bezeichnend, dass der deutsche Außenminister in einer wichtigen Rede zur Zukunft Europas glaubt, als Privatmann sprechen zu sollen und nicht als Inhaber des zuständigen Ressorts. Auch über die Frage nach der politischen Gestaltung Europas - für unsere Zukunft fundamental - gibt es kaum eine öffentliche Diskussion.


Herrscht in Deutschland heute vielleicht wieder jener, bereits von Max Weber angeprangerte "unhistorische" und "unpolitische" Geist, der selbstgenügsam die Gegenwart feiert und die gewaltigen politischen Herausforderungen der Zukunft nicht wahrnimmt, geschweige denn anpackt? Wäre es so - wir könnten noch einmal teuer dafür zu bezahlen haben.

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