Was derzeit in der Energiewirtschaft subventioniert wird

zum Schwerpunktheft "Energie für unsere Zeit", Berliner Republik 2/2012

Die gegenwärtigen Energiepreise spiegeln bei weitem nicht die vollständigen Kosten der Bereitstellung von fossiler oder nuklearer Energie wider. Die deutschen Energieverbraucher geben derzeit jährlich rund 200 Milliarden Euro für Strom, Brenn- und Kraftstoffe aus – Mehrwertsteuer nicht mitgerechnet. Im Jahr 2005 waren es noch 160 Milliarden Euro. Von den 200 Milliarden Euro erhalten allein die Energieexporteure rund 80 Milliarden Euro, was 3,5 Prozent des BIP entspricht. Müssten wir die Klimaschäden, die wir mit unserem Energieverbrauch anrichten, gleich mitbezahlen, wären derzeit weitere 50 Milliarden Euro jährlich aufzubringen (wenn man als Maßstab 75 Euro je Tonne Kohlendioxid zugrunde legt, ein Mittelwert aus einer Reihe entsprechender Untersuchungen). Umweltschäden, die etwa durch die Verunreinigungen von Böden und Gewässern bei der Öl- oder Gasförderung oder durch Luftschadstoffe entstehen können, sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Hingegen belaufen sich die Zusatzkosten, die den Verbrauchern für die Einführung erneuerbarer Energien und mehr Energieeffizienz abverlangt werden, großzügig gerechnet auf nur rund 20 Milliarden Euro im Jahr. Dazu zählen etwa die EEG-Umlage, die Kosten für Marktanreizprogramme im Wärmesektor, Kraftstoffquoten oder die Stromsteuer. Dieser Betrag liegt also deutlich unter den – derzeit von uns nicht zu zahlenden – Kosten durch Klimaschäden. Anders ausgedrückt: Wir subventionieren die konventionelle Energieversorgung Deutschlands mit mindestens 30 Milliarden Euro jährlich! Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Internationale Energieagentur in einer Analyse der globalen Subventionsstrukturen fossiler und nuklearer Energien. Sie beziffert die Subventionen für das Jahr 2010 global auf rund 400 Milliarden Dollar. Diese Subventionen haben in der Vergangenheit zu nicht-optimalen und ineffektiven Strukturen geführt. Es handelt sich um ein eindeutiges „Marktversagen“, das zu falschen Entscheidungen der Energieakteure führt. Die Folge: Die Potenziale zur Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung werden nicht hinreichend ausgenutzt. Und erneuerbare Energien benötigen für ihre Markteinführung zusätzliche Unterstützung, damit sie gegen die ökologisch unzulänglichen Preissignale des gegenwärtigen Energiemarktes ankommen können.

Zwar ist der markwirtschaftliche Anpassungsprozess in Form einer Einbindung dieser „externen“ Kosten in die Energiepreise bereits angelaufen, zum Beispiel über die Ökosteuer oder den Handel mit Kohlendioxid-Zertifikaten. Noch aber sind deutliche Effizienzsteigerungen, der weitere Ausbau erneuerbarer Energien und der notwendige Umbau der passenden Energieinfrastruktur keine Selbstläufer. Daher ist die Klage einiger Akteure rückwärtsgewandt, die Kosten der „Energiewende“ stoße die deutsche Volkswirtschaft an ihre Belastungsgrenze.

Kein Wunder, dass bei vielen Bürgern die Skepsis gegenüber einem umfassenden Umbau der Energieversorgung wächst. Dabei sind kluge und ausreichende Investitionen in innovative Technologien zur effizienteren Nutzung von Energie und zum Einsatz erneuerbarer Energien dringend notwendig. Nur so können wir von dem unheilvollen Kurs abkommen, der zu unumkehrbarem Klimawandel und weiterer Ausbeutung fossiler Energieressourcen führt – mit allen damit verbundenen ökologischen und politischen Gefahren.

Die aktuellen Kosten des Umbaus der Energieversorgung sind Investitionen in die Zukunft. Sie dienen der Vermeidung absehbarer Gefahren für Wirtschaft und Gesellschaft durch die Folgen des Klimawandels, nukleare Risiken sowie durch steigende Preise und wachsende Importabhängigkeit im Bereich fossiler Energien. In der „Leitstudie 2011“ für das Umweltministerium konnten wir zeigen, dass die Verlagerung von Energieausgaben vom konsumtiven in den investiven Bereich bereits kurzfristig für beträchtliche Investitionen und entsprechende Arbeitsplätze sorgt. Zudem wird so die Weiterentwicklung innovativer Technologien mit großem Wachstumspotenzial gesichert.

Mittelfristig gewährleistet die konsequente Weiterführung dieser Strategie ein stabiles, technologisch abgesichertes Kostenniveau für Energie. Blieben wir dagegen bei der bisherigen, fossil geprägten Energieversorgung, würden die Preise stetig steigen. Bereits mittelfristig – zwischen 2025 und 2030 – würden sie über dem Niveau einer durch Effizienz und erneuerbare Energien geprägten Energieversorgung liegen – ohne dass die oben genannten Gefahren beseitigt wären. Langfristig kann das Kostenniveau dieser technologiebasierten, nachhaltigen Energieversorgung sogar wieder sinken, wenn technologische Potenziale weiter ausgeschöpft werden und große Marktvolumina zu weiteren Lerneffekten führen.

Deshalb besteht bei der Energiewende kein Anlass zu Pessimismus. Stattdessen sollten wir froh sein, dass Deutschland (noch) zu den Vorreitern einer alternativen Energieversorgung gehört, ohne die industrielle Volkswirtschaften keine auskömmliche Zukunft haben werden. Allerdings ist zu ihrer erfolgreichen Verwirklichung eine mutige und aufgeklärte Energiepolitik erforderlich.

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