Von Anfang an gesunde Kinder

Finnische Verhältnisse in der Niederlausitz, "Kids in the Clubs" in Reinbek bei Hamburg, "Active Kids" in Treptow-Köpenick: Einige Beispiele herausragender Förderung und Beratung von Eltern und ihrem Nachwuchs in Deutschland

Wunsch und Auftrag, ihren Sprösslingen einen gesunden Start ins Leben zu geben, sind allen Eltern gemeinsam. Wer aber einen Blick in die Statistiken über Bewegungsmangel und Erkrankungen von übergewichtigen oder schlecht ernährten Grundschülern wirft, gewinnt den Eindruck, dass viele Eltern mit dieser Aufgabe nicht mehr alleine zurechtkommen. Eine wachsende Anzahl Erziehungsberechtigter benötigt in unterschiedlichen Phasen der Entwicklung ihrer Kinder selbst Unterstützung.

Zwei Phasen in der Entwicklung des Nachwuchses sind dabei besonders heikel: Ganz am Anfang, wenn Regeluntersuchungen und Maßnahmen der Frühförderung echte gesundheitliche Probleme der Kleinkinder identifizieren und beheben helfen können; und in der Kindergarten- und Schulphase, wenn zwischen Fastfood und Fernseher schon Sechsjährige Gefahr laufen, zu pummeligen Sofahockern zu werden.

Staatliche oder ehrenamtliche Angebote an Eltern, sie bei der gesunden Entwicklung ihrer Kinder zu unterstützen, gab es schon immer. In Berlin verteilt der „Arbeitskreis Neue Erziehung“ seit den sechziger Jahren seine „Elternbriefe“, die auch im Rest der Republik über viele Jugendämter kostenlos bezogen werden können: kurze, übersichtliche Handreichungen mit Tipps für jedes Lebensalter – von einem Monat bis in die Pubertät.

Viel näher heran an die Zielgruppe aber kommt zum Beispiel das „Niederlausitzer Netzwerk Gesunde Kinder“, das im brandenburgischen Lauchhammer die Eltern von Kleinkindern umfassend unterstützt. Nach dem Vorbild der finnischen „Neuvola“-Mutter-Kind-Zentren wird im Oberspreewald ein bundesweit einmaliges Projekt durchgeführt, bei dem erfahrene Mütter und Väter als ehrenamtliche Familienpaten für umfassende Begleitung in den ersten drei Lebensjahren sorgen. Das reicht von Geschenken – Erstausstattungen mit Wickeldecken, Gutscheine fürs Babyschwimmen und Beauty-Sets für die junge Mutter – bis zur Unterstützung bei der Einhaltung von Terminen für Vorsorgeuntersuchungen.

Die Akzeptanzquote ist sehr hoch: Zwischen 60 und 80 Prozent aller Gebärenden im Landkreis Niederlausitz nehmen den kostenlosen Service in Anspruch, auch weil die Paten der Familie als Ratgeber in Alltagsdingen dienen und bei Behörden oder für professionelle Hilfsangebote Türöffner sein können.

Wenn sich nur das Fernsehbild bewegt

Hat das Kind die ersten drei Lebensjahre gesund und munter hinter sich gebracht, gilt es in der nächsten Phase, einem verbreiteten Entwicklungsrisiko aus dem Weg zu gehen: kindlicher Trägheit, die durch zu viel Medienkonsum, falsche Ernährung und mangelnden Antrieb der Eltern verstärkt wird. Damit im Kinderzimmer das Fernsehbild nicht das Einzige ist, was sich bewegt, sind heute größere Anstrengungen nötig.

Schulen und Kindergärten helfen kaum dabei, weil dort der Anteil körperlicher Ertüchtigung ohnehin nur wenige Stunden pro Woche ausmacht. Sportvereine könnten Angebote machen, bei denen Kinder ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben, aber so weit kommt es in vielen Fällen gar nicht. Denn trotz der bescheidenen Mitgliedsbeiträge, die von den meisten Sportvereinen verlangt werden, überwinden immer mehr Eltern nicht einmal diese niedrige finanzielle Hürde. Politiker und Funktionäre der Sportverbände müssen seit Jahren schon schockiert zur Kenntnis nehmen, dass Kinder von Geringverdienern und Empfängern von Arbeitslosengeld II die acht oder zwölf Euro im Monat für die Vereinsmitgliedschaft nicht aufbringen können, geschweige denn das Geld für Fußballschuhe oder sonstige Ausrüstung, die dann womöglich für die darauf folgende Saison auch noch erneuert werden müsste.

Hier setzen mehrere Initiativen an; die meisten von ihnen sind regionale Projekte, die häufig in Zusammenarbeit mit den Sportvereinen selbst ins Leben gerufen worden sind. In Reinbek bei Hamburg gibt es seit dem Jahr 2005 den „Kids in die Clubs e.V.“, der beim örtlichen Gewerbeverein und betuchten Bürgern der Stadt Mittel einsammelt, mit denen Kindern, deren Eltern es sich sonst nicht leisten könnten, diskret und anonym die Mitgliedschaft im Sportverein ermöglicht wird. Nur der Trainer weiß von der geförderten Mitgliedschaft des Kindes. So kann besser auf die Bedürfnisse sozial schwacher Familien eingegangen werden, und unter den Gleichaltrigen entgehen die Kinder jeder Gefahr einer sozialen Stigmatisierung.

Kick-off mit Paul Breitner

Der Landessportbund Schleswig-Holstein hat die Reinbeker Initiative und weitere Modellprojekte zum Anlass genommen, den Sportvereinen im Land ab dem Jahr 2008 mit Arbeitsmaterialien und Beratung dabei zu helfen, eigene Angebote für Kinder und Jugendliche aus finanziell schwächeren Verhältnissen einzurichten – nicht zuletzt in der Hoffnung, damit die großen Nachwuchsprobleme vieler Sparten zu beheben.

Die langfristige Bindung von Kindern an die Sportvereine ist Aufgabe auch der „Active Kids“ im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, die seit Anfang 2008 Schnupperangebote in Vereinen des Bezirks vermitteln, zu entsprechend günstigen Konditionen. Für eine langfristige finanzielle Unterstützung bedürftiger Kinder durch Sponsoren wirbt überregional die „Kindersportstiftung“ des Itzehoer Bundestagsabgeordneten Jörn Thießen. Kick-off für diese Initiative war im Jahr 2007 ein Jugendtraining mit Weltmeister Paul Breitner und den Nachwuchsprofis Änis Ben-Hatira und Zafer Yelen, denen ihr mediengerechter Dienst an der guten Sache sichtlich Vergnügen bereitete.

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