Umwelt an die Börse

Puts and Calls, Optionen, Zertifikate: Warum deutsche Klimapolitik schon bald mit den Mitteln des Wertpapierhandels funktionieren könnte. Plädoyer für den Klimaschutz durch Zertifikathandel

Dieser Beitrag ist ein Plädoyer für die zügige Einführung eines zertifikatbasierten Handels von Emissionsrechten. Die Möglichkeit, den Klimaschutz durch marktwirtschaftliche Instrumente voranzutreiben, soll deutschlandweit modellhaft erprobt werden. Dieser Vorschlag hat gute Gründe: Mit dem Klimaprotokoll hat sich die Staatengemeinschaft auf einen international verbindlichen Rahmen, konkrete Handlungsziele und Instrumente für die Begrenzung von Treibhausgasemissionen verständigt. In Kioto verpflichteten sich die Industriestaaten, ihre Treibhausgasemissionen im Zeitraum von 2008 bis 2012 um 5,2 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Die Europäsche Union ist eine Reduktionsverpflichtung von 8 Prozent eingegangen. Im Rahmen des so genannten "Burden-Sharing"-Abkommens wurde außerdem eine EU-interne Lastenteilung vereinbart. Deutschland hat dabei ein 21-prozentiges Minderungsziel für die erste Verpflichtungsperiode akzeptiert.

Nach den gegenwärtigen Prognosen und ohne Änderung der derzeitigen Politikstrategien würden wir jedoch europaweit die Zielsetzung einer Reduktion des CO2 Ausstoßes um 8 Prozent deutlich verfehlen. Wahrscheinlich ist sogar eine Zunahme der Emissionen um 1 Prozent. Das aber würde den Klimawandel verschärfen und hohe, bisher kaum abschätzbare volkswirtschaftliche Kosten verursachen.

Umso dringender stellt sich die Frage nach geeigneten Instrumenten, um Treibhausgase zu reduzieren. Erste Schritte sind unternommen. Ein Mix aus Steuern, Ordnungsrecht und direkter finanzieller Förderung umweltfreundlicher Technologien soll für mehr Energieeffizienz sorgen und damit klimaschädliche Gase vermindern.

Das Recht auf Luftverschmutzung kaufen?

Konzeptionell elegant, anderen umweltpolitischen Instrumenten überlegen und von erheblichem Potential, in der Praxis jedoch noch nicht umfassend erprobt ist der Handel mit so genannten Emissionszertifikaten. Dahinter steht die Idee, die Nutzung von Umweltressourcen - in diesem Fall Luft - an den Besitz von verbrieften Rechten auf Umweltnutzung beziehungsweise an Emissionsrechte zu knüpfen. Eine saubere Umwelt ist ein öffentliches Gut, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann, an dem aber auch keine unmittelbaren Eigentumsrechte bestehen. Das macht die Einbeziehung von Umweltinteressen in die unmittelbare Unternehmensentscheidung schwierig. Die Idee des Emissionshandels setzt an dieser Stelle an. Die Schaffung von handelbaren Eigentumsrechten geschieht hier über Emissionszertifikate. Sie berechtigen ihren Inhaber dazu, in einem festgelegten Zeitraum eine vorher genau bestimmte Menge eines (Schad-) Stoffes an die Umwelt abzugeben.

Die Festlegung der Anzahl der Zertifikate und der zulässigen Gesamtemissionsmenge ist Sache des Staates oder einer Staatengemeinschaft. Diese Gesamtmenge wird dann an die in einem Gebiet ansässigen Emittenten vergeben. Dies kann je nach Vergabeverfahren durch eine kostenlose proportionale Zuteilung, durch Auktionsverfahren oder Mischformen beider Ansätze geschehen. Jedes Unternehmen kann seine zulässigen Emissionsrechte selbst nutzen oder - wenn es mehr Zertifikate besitzt als benötigt - an andere Unternehmen veräußern. Die vergebenen Emissionsrechte unterliegen dabei staatlicher Kontrolle um sicher zu stellen, dass niemand mehr emittiert, als er an Rechten dazu besitzt.

Was Zertifikate attraktiv macht

Zertifikate sind ökologisch treffsicher: Zertifikate werden nur im Umfang der erlaubten Gesamtbelastung ausgegeben. Eine hinreichende Kontrolle und Messung vorausgesetzt, ist damit das umweltpolitische Ziel mit Sicherheit erreichbar. Der Handel mit solchen Zertifikaten weist besonders dann Vorteile gegenüber anderen umweltpolitischen Instrumenten auf, wenn eine aktive Reduzierung der existierenden Umweltbelastung erzielt werden soll. Dafür werden die ausgegebenen Zertifikate einer zeit- und mengenmäßig klar definierten Entwertung unterzogen. Die Emittenten werden damit gezwungen, der Größenordnung der stattgefundenen Abwertung entsprechend, Zertifikate nachzukaufen oder Emissionen zu vermeiden. Werden die Abwertungsschritte mit dem nötigen zeitlichen Vorlauf und auf lange Frist festgelegt, können die betroffenen Unternehmen ihre Anpassungsstrategie langfristig planen.

Zertifikate sind ökonomisch effizient: Durch die Vorgabe der Menge der zulässigen Emissionen werden Verschmutzungsrechte zu einem knappen Produktionsfaktor - wie Arbeit oder Kapital. Folglich werden sie in die Kostenstruktur des Unternehmens einbezogen. Um die damit entstehenden Kosten so gering wie möglich zu halten, werden die Emittenten bestrebt sein, den Schadstoffausstoß ihres Unternehmens zu reduzieren. Ein Anreiz dazu besteht, so lange die Kosten der Schadstoffvermeidung oder -reduzierung den am Markt entstandenen Zertifikatpreis nicht übersteigen. Dabei werden Emissionen von denjenigen vermieden, denen es am leichtesten fällt.

Unternehmen die aufgrund ihrer Produktionsstruktur kein oder nur ein geringes Reduktionspotential besitzen, werden - anders als im Fall von Emissionsgrenzwerten - nicht zur Schadstoffreduzierung gezwungen. Sie haben ferner die Möglichkeit, über die Anfangsausstattung hinaus benötigte Zertifikate am Markt zu erwerben. Durch den Kauf an anderer Stelle eingesparter Zertifikate tragen also auch sie zur Erreichung des gesellschaftlich gewollten Emissionsniveaus bei. Die Begrenzung oder Verringerung von Schadstoffemissionen kann auf dem Weg des Emissionshandels folglich auch mit den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten erfolgen.

Zertifikate setzen Innovationsanreize: Ein Anreiz zur technischen Weiterentwicklung von Produktionsanlagen ergibt sich aus der Tatsache, dass beim Zertifikathandel die restliche Verschmutzung mit Kosten belastet wird. Für den verbleibenden Schadstoffausstoß müssen Zertifikate erworben werden. Es liegt also im eigenen Interesse der Emittenten durch Investitionen in neue Technologien ihre Emissionen und damit ihren Zertifikatsbedarf zu reduzieren.
Auf bundesdeutscher Ebene hat bereits eine Arbeitsgemeinschaft aus Vertretern der Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Nichtsstaatlichen Organisationen im Auftrag der Bundesregierung begonnen, die konzeptionelle Ausgestaltung eines Emissionshandels zwischen Unternehmen umfassend zu diskutieren. Ziel dieser Diskussion ist es, den Emissionshandel für die Erreichung des deutschen Klimaschutzzieles nutzbar zu machen.

Auch auf internationaler Ebene setzt man auf die Effizienz des Emissionshandels. So sieht das Kioto-Protokoll verschiedene flexible Mechanismen vor, unter anderem den internationalen zwischenstaatlichen Emissionshandel. Dieser erlaubt den Industrieländern, vom Kioto-Protokoll zugestandene aber nicht selbst ausgenutzte Emissionsrechte an andere Industrieländer zu verkaufen. Der Emissionshandel hat auch hier das Ziel, die Emissionsreduktionen dort vorzunehmen, wo sie mit den geringsten Kosten erreicht werden können. Auf diese Weise kann das gesetzte ökologische Ziel ökonomisch effizient erreicht werden. Im Rahmen des Kioto-Protokolls soll der internationale Handel mit Emissionen im Jahr 2008 verbindlich starten. Es obliegt den einzelnen Staaten, ob und in welchem Maße sie die flexiblen Instrumente des Protokolls selbst anwenden. In Europa wurden bereits erste Schritte in Richtung Emissionshandel unternommen: Ein Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission sieht die Einführung eines verbindlichen EU-weiten Zertifikathandels zum Jahr 2005 vor. Der Entwurf der EU-Kommission gibt dabei einen ersten Rahmen vor. Wesentliche Fragen der Ausgestaltung des Systems sind jedoch noch offen. Sie müssen jetzt weiter diskutiert und entschieden werden.

Wir schlagen daher vor, im Rahmen eines nationalen Modellprojektes den Handel mit Umweltzertifikaten zu erproben. Der Zertifikathandel sollte sich auf die im Klimaprotokoll genannten klimaschädlichen Gase erstrecken. Mit dem Pilotprojekt beabsichtigen wir, die offenen Fragen einer praktischen Ausgestaltung des Handelssystems zu klären. Die Ergebnisse müssen dann in die Konkretisierung des Emissionshandels auf europäischer und internationaler Ebene einfließen. Auf diese Art und Weise können wir nicht nur die zukünftig gültigen Regeln besser beeinflussen, wir sammeln auch frühzeitig Know-how und sichern damit unsere Wettbewerbsfähigkeit.

In der Pilotphase sollte die Teilnahme freiwillig sein. Innovatives Verhalten soll sich dabei lohnen. Denkbar wäre, die Teilnehmer am Zertifikathandel für die Dauer des Modellversuches von der Zahlung der Ökosteuer freizustellen. Über solche finanziellen Anreize für das unternehmerische Engagement kann es gelingen, eine ausreichende Teilnehmerzahl und damit einen funktionsfähigen Markt sicherzustellen. Eine erste Überprüfung hat ergeben, dass diese Freistellung vor dem Hintergrund der Beihilferegelung der Europäischen Union rechtlich möglich erscheint. Steigt ein Unternehmen aus, ist die Ökosteuer rückwirkend zu erbringen. Über einen Verrechungsmodus, der eine Überführung der in der Pilotphase erworbenen Zertifikate in ein verbindliches nachfolgendes Handelssystem ermöglicht, sollten wir weitere Vorteile für innovative Unternehmen gewährleisten.

Es gibt kaum einen Zweifel: der Emissionshandel kommt. Jetzt müssen wir die Chance nutzen, ihn mit zu gestalten

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