So tief stürzt die SPD nicht

In Heft 4/2003 der Berliner Republik beschrieben Frans Becker und René Cuperus, warum die Krise der niederländischen PvdA bald schon zur Krise der SPD werden könnte. Doch diese Analogie übersieht wichtige Unterschiede, meinen MARC DRÖGEMÖLLER UND RIES ROOWAAN

Die niederländische Sozialdemokratie hat eine große Vergangenheit hinter sich. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) und nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Nachfolgeorganisation Partei von der Arbeit (PvdA) haben wesentlich zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft beigetragen, die sich stark von den sozialen Zuständen des 19. Jahrhunderts unterscheidet. Aus den ehemals Besitzlosen in den Städten, den Tagelöhnern in der Landwirtschaft und dem industriellen Proletariat sind "kleine Bürger" geworden.

Nach einer längeren Periode des Ausbaus der Sozialleistungen und der gesellschaftlichen Nivellierung, deren Höhepunkt in den siebziger Jahren lag, scheint sich die Entwicklung jedoch in die entgegengesetzte Richtung gekehrt zu haben. Statt einer Ausdehnung oder zumindest einer Beibehaltung der sozialen Standards wurden zahlreiche Maßnahmen eingeschränkt und teilweise abgebrochen - und dies durch Regierungen, an denen auch die Sozialdemokraten beteiligt waren. Gleichzeitig nehmen die Einkommensunterschiede seit einigen Jahren wieder zu. Parallel zu dieser Entwicklung schrumpfte die Wählerschaft der PvdA.


In der Ausgabe 4/2003 der Berliner Republik setzten sich Frans Becker und René Cuperus in ihrer Analyse mit dem Dahinschmelzen weiter Teile der sozialdemokratischen Wählerschaft auseinander, dessen Ursache sie mit den neoliberalen Eingriffen jener Regierungen begründeten, denen zwischen 1989 und 2002 auch die PvdA durchgehend angehörte. Beide argumentierten, die SPD könne nach den notwendigen Sozialreformen in der Bundesrepublik ein ähnliches Schicksal erleiden und eine größere Zahl ihrer Anhänger verlieren. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass der von der PvdA in dieser Form unterstützte Umbau des niederländischen Sozialstaats nur das Symptom einer viel tieferen Veränderung der Partei ist. Denn die nach 1990 vorgenommenen Einschnitte wurden erst durch eine schon Jahre zuvor einsetzende Entfremdung von der ursprünglichen Anhängerschaft möglich.


Die sozialpolitischen Veränderungen sind also viel weniger Ursache als Merkmal der neuen Distanz zwischen der Partei und ihren traditionellen Wählern. Es ist daher - auch wenn Becker und Cuperus völlig zu Recht Parallelen zwischen beiden Parteien angedeutet haben - nicht sehr wahrscheinlich, dass die SPD überhaupt in eine ähnliche Lage kommen wird. Die Rahmenbedingungen sind in Deutschland derart anders, dass niederländische Erfahrungen nicht unbedingt auch eine Lektion für die SPD bedeuten müssen.

Ein Charismatiker in der Not

Vor anderthalb Jahren stand die PvdA vor der Frage, ob der Anfang ihres Endes gekommen sei. Die dramatischen Verluste bei den Parlamentswahlen im Mai 2002 deuteten darauf hin. Zu bestätigen schien sich jetzt die in den neunziger Jahren häufig vorgebrachte These, die Sozialdemokratie sei im Herbst ihres langen Lebens angelangt und stünde nun vor dem langsamen Abgleiten in die völlige Bedeutungslosigkeit. Längst verblasst waren die Erinnerungen an das Goldene Zeitalter der siebziger Jahre und die mit ihnen verbundenen sozialdemokratischen Vorstellungen von der regulierenden Kraft des Staates.


Zweifellos hat die Sozialdemokratie einen großen Teil ihrer politischen Ziele erreicht. Nach der Phase als klassischer Massenemanzipationspartei, die die PvdA bis weit über den Zweiten Weltkrieg hinaus gewesen ist, hatte sie jedoch große Mühe, eine neue Identität zu finden, die auch mit den Bedürfnissen der angestammten Basis in Einklang zu bringen war. Stattdessen weisen heute alle Anzeichen darauf hin, dass die PvdA eine Mittelstandspartei geworden ist, die die Interessen ihres ursprünglichen Wahlvolkes nur noch in geringem Maße vertritt.

Die Gründe wurzeln in gleicher Weise in den mit "Achtundsechzig" verbundenen Entwicklungen wie auch in jahrhundertealten niederländischen Eigenarten. Beide Faktoren bedrohen die PvdA auch gegenwärtig - selbst nach den im Januar 2003 erfolgreich verlaufenen Parlamentswahlen. Diese "Wiederauferstehung" nach der schweren Niederlage im Vorjahr ging vor allem auf das Konto eines für niederländische Verhältnisse sehr charismatischen Politikers: Wouter Bos. Programmatisch zeichnen sich dagegen kaum große Veränderungen ab, die angekündigte Grundsatzdebatte scheint nur sehr schleppend in Gang zu kommen. Das Dilemma speist sich - wie Becker und Cuperus völlig zu Recht bemerkt haben - aus der tiefen Kluft zwischen der Partei und ihren (traditionellen) Sympathisanten.

Mittelschichten, Arbeiter, Einwanderer

Die Partei besitzt inzwischen einen sehr heterogenen Anhängerkreis aus mindestens drei deutlich von einander zu unterscheidenden Gruppen mit vollkommen verschiedenen Interessenlagen: die linken Mittelschichten mit elitärem Charakter, die Arbeiterklasse und schließlich die Bürger ausländischer Herkunft (die ehemaligen Gastarbeiter und ihr Nachwuchs).

Diese Zusammensetzung kann erhebliche Spannungen mit sich bringen. In den sozial schwächeren Schichten verlaufen tiefe kulturelle und religiöse Trennlinien zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Niederländern ausländischer Herkunft, während die oberen Mittelschichten mit sozialdemokratischem Hintergrund - Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, der Medien- und Dienstleistungsbranche - in der Regel weit mehr verdienen als der "kleine Mann". Diese Ungleichheit lässt aufhorchen, da sich die Sozialdemokratie in ihrer Geschichte stets für eine gerechte Einkommensverteilung eingesetzt hat. Dies war der Kernpunkt für die Befreiung der Arbeiter und die Emanzipation der Unterdrückten: Geld macht sicher nicht immer glücklich, es macht aber unabhängig.

Entwicklungshilfe statt bezahlbare Wohnungen

Besonders die Stammwähler der PvdA aus den unteren Schichten - der Löwenanteil sozialdemokratischer Anhängerschaft - haben ihrer Partei in brüsker Weise den Rücken gekehrt. Entweder entschieden sie sich für andere Parteien oder gingen überhaupt nicht mehr zur Wahl. Eine große Anzahl der Wähler, die ihre Stimme im Mai 2002 der Partei des Populisten Pim Fortuyn gaben, entstammte den Arbeitervierteln der Großstädte und war seit Jahren der Wahlurne fern geblieben. Diese andauernde und nur im vergangenen Jahr kurz unterbrochene Wahlenthaltung einer größeren Bevölkerungsgruppe war weniger eine Kurzsichtigkeit, sondern das Resultat blanker Ernüchterung über die neuen programmatischen Leitlinien der Sozialdemokratie. Zu lange hatte die PvdA mit Unterstützung ihrer großen Wählergemeinde auf ein als progressiv verpacktes Mittelstandsprogramm gesetzt, in dem Entwicklungshilfe, Emanzipation der Frauen und Asylpolitik wichtiger erschienen als die Bedürfnisse der traditionellen Anhänger nach bezahlbaren Wohnungen und einer soliden Krankenversicherung.

Eine der wesentlichsten Folgen dieses sozialdemokratischen Politikwandels ist daher die Entfremdung der politischen Funktionsträger und Volksvertreter von ihrer früheren Parteibasis, ohne deren Unterstützung die Partei auf Dauer erhebliche Probleme bekommen könnte. Dies wiegt um so schwerer, da die PvdA mit der konservativ-liberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) auf der rechten Seite und dem teilweise konservativen, teilweise von sozialen Grundsätzen geprägten Christdemokratischen Appell (CDA) in der Mitte gleich zwei ähnlich starke politische Gegner besitzt. Die Sozialdemokratie könnte im Machtgefüge des niederländischen Parteiensystems an Boden verlieren, zumal im linken Spektrum mit der Sozialistische Partei (SP) ein weiterer Konkurrent herangewachsen ist, der bei den jüngsten Wahlen zulegen konnte.

Die Alltagssorgen der Menschen

Zu oft wurde die eigentlich simple Tatsache übersehen, dass das Einkommen ein sehr wichtiges, wenn nicht das wichtigste Kriterium bei der Wahlentscheidung ist. Die handfesten Interessen der Stammwähler gerieten aber nicht selten ins Hintertreffen gegenüber den Wünschen der gut situierten PvdA-Wähler. Ein aussagekräftiges Beispiel ist die Entwicklungshilfe, die seit ungefähr vier Jahrzehnten über einen sehr großzügigen Etat verfügt (im Augenblick über mehr als ein Prozent des niederländischen Bruttosozialprodukts) und sogar die neoliberale Wende in den achtziger Jahren überlebte.

Als die PvdA 1989 an die Macht zurückkehrte, machte auch sie sich die neoliberale Politik zu Eigen. Große Unternehmen und Besserverdienende blieben von Steuererhöhungen weitestgehend verschont, während im Laufe der Jahre stattdessen vor allem kleinere Einkommen unter Belastungen zu leiden hatten. Für die Entwicklungshilfepolitik galten die Sparmaßnahmen nicht. Somit waren es indirekt vor allem die Kleinverdiener, die sich an der Finanzierung der Hilfe für die ärmeren Länder in der Dritten Welt beteiligen mussten. Dies ist kein Plädoyer gegen die Entwicklungshilfe, sondern ein Beispiel für die zwei Erlebniswelten innerhalb der Partei: Obwohl die Bedürfnisse der herkömmlichen Stammwählerschaft bekannt waren, wurden sie offensichtlich nicht gegen andere, für die Mittelschichten wichtige Anliegen abgewogen. Ohne Zweifel war der niederländischen Sozialdemokratie das Gespür für die tatsächlichen Alltagssorgen der Menschen abhanden gekommen.


Auch die Sozialdemokraten selbst haben dies bemerkt. Immer öfter hört man daher den Aufruf, die PvdA-Funktionäre müssten sich wieder in den ehemaligen sozialdemokratischen Hochburgen blicken lassen. Wouter Bos ging voran, als er sich nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit dem CDA im April diesen Jahres den Fragen der Rotterdamer Bürger bei ihrem wochenendlichen Einkauf stellte. Nun ist die Kontaktsuche mit den potentiellen Wählern eine Sache, die Rekrutierung neuer Mitglieder für eine schrumpfende Partei eine andere. Ein wichtiges Indiz für die Entfremdung zwischen der PvdA und ihren früheren Anhängern ist neben der Verwirrung um die politischen Inhalte die Tatsache, dass die alte Klientel auch personell kaum mehr in der Partei vertreten ist.


Stattdessen herrschen schon lange Menschen und Ideen vor, die mit "Achtundsechzig" verbunden sind. Man spricht hinsichtlich dieser Gruppe auch von den baby boomers, den zwischen 1940 und 1955 Geborenen. Ihr Lebensweg verlief fast parallel zum niederländischen Wirtschaftswunder. Die neue Wohlfahrtsgesellschaft ermöglichte im Gegensatz zu früheren Zeiten einer viel größeren Anzahl junger Menschen das Universitätsstudium.

Zugleich war diese Bildungsexpansion notwendig geworden, da der wachsende Versorgungsstaat und die zunehmenden Aufgaben der Regierung ein neues akademisches Personal erforderten. Anders als in Deutschland blieb "1968" nur sehr kurz eine Protestbewegung; bereits in der ersten Hälfte der siebziger Jahre wurde die "neue Linke" in politische Parteien und verwandte Organisationen integriert, in denen sie sich an die Verwirklichung ihres postmaterialistischen Programms machte.

Technokraten unter sich

Mittlerweile übersteigen die Gehälter in diesen teilweise neu geschaffenen Bereichen - bei Wohnungsbaugesellschaften, an Universitäten, bei Stiftungen et cetera - nicht selten sogar den Verdienst eines Ministers. Während vor einigen Jahrzehnten die engagierten Sozialdemokraten aus den Mittelschichten noch viel weniger verdienten und sehr hohe Saläre ausschließlich der Wirtschaft vorbehalten waren, scheint heute auch ein Gros der linksliberalen Elite daran teilzuhaben, sei es durch die Karriere im non-profit sector oder durch Mitgliedschaften in Aufsichtsräten und Vorstandsetagen. Die fast logische Folge ist ein Bindungsverlust zur Lebenswelt der sozialdemokratischen Anhängerschaft. Wenn der Riss zwischen Ideologie und Einkommen und damit der Abstand zur gängigen Lebensweise zu groß wird, kann der sozialdemokratische Politiker leicht unglaubwürdig werden, was sich kaum mit Verwaltungs- oder Managementkompetenzen kompensieren lässt.


Die Parteibindung vieler, nicht nur zur Sozialdemokratie gehörender niederländischer Politiker ist nach außen größtenteils unsichtbar geworden. Sie haben sich zu Technokraten und Managern entwickelt, an deren Auftreten schon lange nicht mehr abzulesen ist, aus welcher Partei sie stammen. Aber ganz besonders an den Sozialdemokraten kann dieser Wandel nicht spurlos vorüber gehen, weil gerade sie eine spezielle Klientel vertreten. Sie müssen wenigstens partiell fremde Gesichter in der Runde des Establishments bleiben und sind zu einem Spagat zwischen ihrer Anhängerschaft und der Macht verpflichtet. Handeln sie anders, ist der endgültige Kontaktverlust mit den alten Stammwählern nicht mehr aufzuhalten.

Schröder hingegen riecht sozialdemokratisch

In ihrem Essay schreiben Becker und Cuperus, dass der SPD ein ähnliches Schicksal wie ihrer Schwesterpartei in den Niederlanden widerfahren könne: Massenhafte Stimmenverluste im Lager der Stammwählerschaft und eine definitive Marginalisierung als permanente Drohkulisse. Beide haben Recht, wenn sie auf die Notwendigkeit der Reformen hinweisen, die der deutschen Sozialdemokratie zugleich viele Stimmen kosten können. Dennoch ist ein solches Szenario eher unwahrscheinlich.

Die grundsätzliche Verschiedenheit der politischen Kulturen der beiden Länder wird die SPD aller Voraussicht nach vor einem ähnlichen Leidensweg bewahren. Während sich nämlich in den Niederlanden der Gegensatz verstärkt zwischen der Parteiführung und ihrer Anhängerschaft heraus kristallisiert hat, besteht er in der Bundesrepublik zwischen den beiden großen Parteien weiterhin. Gerhard Schröder ist Sozialdemokrat, und niemand wird sich bei dieser politischen Kategorisierung je gravierend irren, was in den Niederlanden mit Blick auf die eigenen Politiker durchaus passieren kann.


Das politische System in den Niederlanden fußt auf jahrhundertealten Traditionsbeständen, die sich bis in die Gegenwart hinein erhalten haben. Das kleinbürgerliche Land war seit der frühen Neuzeit eine Region, in der viele unterschiedliche Minderheiten nebeneinander lebten, die das Land zusammen verwalteten. Während in anderen Ländern absolutistische Herrschaftsformen dominierten, wurde Amsterdam im 17. Jahrhundert von der städtischen Elite - den "Regenten" - geführt. Diese Elite verstand ihr Wirken als Dienst zum Wohle der Stadt, mit der sie in ihren Eigeninteressen selbst eng verbunden war.

Unten die Säulen, oben wird verhandelt

Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zu Zeiten von Modernisierung und Industrialisierung, bestimmte das Prinzip der aufgeklärten elitären Führung den sich herausbildenden Charakter der Versäulung: eine Gesellschaftsstruktur von drei etwa gleich großen religiös und ideologisch voneinander getrennten Bevölkerungsgruppen (Protestanten, Katholiken und Sozialisten, während die Liberalen den Anspruch darauf erhoben, die gesamte Gesellschaft zu vertreten) bildete sich heraus. Von der Wiege bis zur Bahre war ein jeder Niederländer in seiner Säule organisiert - von Schulen über Tageszeitungen und Rundfunksender bis hin zu Sportvereinen war das gesellschaftliche Leben entsprechend der eigenen Weltanschauung eingerichtet. Diese soziale Segmentierung spiegelte sich selbstverständlich auch in den Parteien wider, die jeweils eine Säule politisch repräsentierten. Die Parteieliten hielten das niederländische Gemeinwesen zusammen. Denn während die Angehörigen der einzelnen Säulen nur in ihrem eigenen Kreis in Kontakt traten, befanden sich ihre Eliten in einem ständigem gegenseitigen Austausch. In den Niederlanden wird dies als overlegdemocratie, Verhandlungsdemokratie, bezeichnet.


Auch wenn die Gesellschaft seit den sechziger Jahren entsäult ist, bleiben die enge Zusammenarbeit der großen Parteien und ihre ausgeprägte Kompromissfähigkeit wichtige Merkmale niederländischer Politik. Wechselseitige Koalitionen - in den letzten 15 Jahren bildete jede Partei mit jeder anderen ein gemeinsames Regierungsbündnis - und ein ausgeprägter Einigungswille sind daher die Regel (in der Bundesrepublik wird dagegen die große Koalition nur in Ausnahmesituationen befürwortet). Die Bevölkerung hat regelmäßig den Eindruck, dass die getroffenen Entscheidungen zwar von allgemeinem Interesse sind, fühlt sich aber zumeist überhaupt nicht beteiligt. Daher wird - wie bei den Wahlen 2002 - der politischen Elite manchmal eine "Regentenmentalität" unterstellt.

Erst die Partei und dann die Elite

Ganz aus der Luft gegriffen ist die Verdrossenheit über das politische Establishment nicht, wenn man bedenkt, dass die Umgangsformen in den Niederlanden ausgesprochen egalitäre Züge haben, die Führungspersonen sich selbst aber als äußerst elitär verstehen. Die Solidarität der Eliten untereinander - unabhängig von der Frage, wessen Vertreter man ist - geht sehr weit. Nach ihrem eigenen Selbstverständnis dienen die politischen Führungsspitzen in erster Linie den Interessen ihres Landes und erst danach denen ihrer Partei und ihrer Anhänger. Schröder - und mit ihm die Führung der SPD - ist dagegen zunächst vor allem ein Vertreter einer bestimmten Partei und erst in zweiter Instanz Angehöriger der politischen Elite.


Aus diesen Gründen wird es der SPD letztlich leichter fallen, den Sozialstaat glaubwürdig zu reformieren. Solange die Maßnahmen der Partei vor allem den wirklich Bedürftigen zugute kommen und die SPD ihrer historisch-politischen Aufgabe gerecht bleibt, wird sie auch in Zukunft als sozialdemokratische Kraft erkennbar sein. Die niederländischen Erfahrungen geben der SPD sicherlich Denkanstöße, aber es ist unwahrscheinlich, dass der Reformprozess die deutsche Sozialdemokratie in eine Krise niederländischen Ausmaßes stürzen wird.

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