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Fast vierzig Jahre war es den Spaniern verboten, den Namen des Partido Socialista Obrero Español, abgekürzt PSOE, auch nur zu erwähnen. Doch kaum war die vier Jahrzehnte andauernde Diktatur des Generals Franco zu Ende, wurde diese „Spanische Sozialistische Arbeiterpartei“ wieder zu einer der beiden großen Volksparteien. Knapp sieben Jahre nach dem Tod des Diktators konnte sie, gestützt auf eine absolute Mehrheit im Parlament, die Regierung des Landes übernehmen.

Inzwischen ist die sozialistische Partei Spaniens zur erfolgreichsten sozialdemokratischen Partei in Europa geworden. Nach den Erfahrungen des Bürgerkriegs (1936 bis 1939) und des Exils hat sie sich der Entwicklung in der Welt und besonders in den demokratischen Ländern Europas angepasst. In Ideologie und politischer Praxis hat sie auf marxistischen Dogmatismus und zuvor schon auf den historischen Materialismus verzichtet. Die Führung der PSOE hat die Entwicklung der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg sehr genau studiert.

Auf eines ihrer Grundprinzipien hat sie hingegen nicht verzichtet: die Verringerung der großen sozialen Unterschiede in der Bevölkerung Spaniens. In ihrer ersten Amtsperiode zwischen 2004 und 2008 hat die Regierung Zapatero zahlreiche Sozialreformen gesetzlich verankert, darunter die vom Staat bezahlte Pflege abhängiger Menschen. Die manuell arbeitenden Personen sind auch in Spanien weniger geworden, und die Arbeiter machen längst nicht mehr die Mehrheit der Mitglieder und Wähler der PSOE aus. Den sozial schwächeren Schichten gilt aber immer noch die Hauptsorge der Partei. Die Gewerkschaft Allgemeine Arbeiterunion (UGT), die während der zweiten Republik von 1931 bis 1936 nach dem spanischen anarchistischen Arbeiterbund (CNT) die zweitgrößte Gewerkschaft der Welt war, ist der sozialistischen Partei weiterhin eng verbunden. Doch leiden auch die spanischen Gewerkschaften an einem starken Mitgliederschwund.

Im Exil und im Untergrund hatten die spanischen Sozialisten im Kampf gegen das Franco-Regime eng mit den regionalistischen Parteien zusammengearbeitet. Die sozialistische Partei zeigt daher seit Beginn der Demokratie Verständnis für die föderalistischen Tendenzen in einigen spanischen Regionen. Auf der anderen Seite gilt sie unter den politischen Gruppen als der wichtigste Garant der Einheit Spaniens. Als einzige spanische Partei stellt sie im Kongress Abgeordnete aus jeder einzelnen der fünfzig Provinzen.

Nach den ersten demokratischen Wahlen seit dem Bürgerkrieg haben in Spanien nacheinander drei demokratische Parteien das Land regiert: 21 der insgesamt 33 Jahre der neuen Demokratie regierte die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei, nach der SPD die zweitälteste sozialdemokratische Partei Europas. Von 1977 bis 1982 stellte die inzwischen schon verschwundene Demokratische Zentrumsunion (UCD) die Regierung, eine Formation der rechten Mitte. Und während zweier Legislaturperioden, von 1996 bis 2004, war die konservative Volkspartei (PP) an der Macht. Mit dem überwältigenden Wahlsieg des PSOE im Oktober 1982 war die spanische Transition, die Übergangsphase von der Diktatur zur Demokratie, definitiv beendet, denn der PSOE war die größte Partei der zweiten spanischen Republik (1931-1939) gewesen und als solche nach dem verlorenen Bürgerkrieg von den Siegern um General Franco besonders grausam verfolgt worden.

Die seit 1974 von Felipe González, einem jungen Arbeiteranwalt aus Sevilla, geführte Partei, gewann mit über 200 von 350 Sitzen eine klare, absolute Mehrheit im Abgeordnetenkongress, und auch die damals noch zahlreichen Anhänger der rechtsextremen früheren Diktatur unter den Militärs und in der Zivilbevölkerung sahen ein, das ihre Umsturzpläne gegen eine deutliche Volksmehrheit kaum Erfolg haben könnten. Noch zweimal – 1986 und 1989 – gewannen die Sozialisten mit einer ausreichenden absoluten Mehrheit und konnten sich nach der 1993 mit relativer Mehrheit gewonnen Wahl im Parlament von den katalanischen Regionalisten, in Spanien Nationalisten genannt, unterstützen lassen. Felipe González hat später mehrmals gesagt, kein Ministerpräsident sollte länger als zehn Jahre regieren. Er blieb dreizehneinhalb Jahre an der Macht, bevor er 1996 die Wahlen knapp gegen die Konservativen von José María Aznar verlor.

Gegen Ende des letzten Mandates von Felipe González gerieten die spanischen Sozialisten in eine Krise, welche die Partei Glaubwürdigkeit kostete. Der Chef der militarisierten Polizeieinheit Guardia Civil, Luis Roldán, der als Unabhängiger über einen Stadtratssitz in die Partei gekommen war, steckte beträchtliche Mengen Staatsgeld in die eigene Tasche und flüchtete aus dem Land. Schließlich wurde er von spanischen Polizisten in Bangkok festgenommen und zu einer langen Gefängnisstrafe in Spanien verurteilt. Der Präsident der spanischen Notenbank, den González von einer Vorgängerregierung übernommen hatte und der nicht Parteimitglied war, legte über einen Freund Geld an der spanischen Börse an. Und ein schon in den letzten Jahren der Diktatur gegründeter Geheimbund von Polizisten organisierte mit Hilfe von Söldnern aus französischen Verbrecherbanden terroristische Anschläge gegen Mitglieder der terroristischen baskischen Separatistenorganisation ETA.

Die führenden Polizeiterroristen, ehemalige Mitglieder der politischen Polizei Francos, wurden noch während der Regierungszeit von González festgenommen. In Teilen der spanischen Presse begann eine Kampagne, auch gestützt auf erfundene Korruptionsfälle. Der einflussreiche konservative Journalist Luis Maria Anson sagte später, eine Gruppe aus Politikern der Opposition und ihr verbundenen Journalisten hätten sich zusammengetan – wohl wissend, dass man die Regierung González nicht über Wahlen stürzen könne. Deshalb hätten sie nach anderen Mitteln gesucht, um die Regierung zum Aufgeben zu zwingen.

Zapateros ansteckender Optimismus

Diese außerpolitischen Aktionen fasste der damalige Oppositionsführer Aznar in seinem ständig wiederholten Satz „Verschwinden Sie, Herr González“ zusammen. González verabschiedete sich als Regierungschef, nachdem seine Partei bei den Wahlen im Jahr 1996 um einen Prozentpunkt hinter der konservativen Volkspartei (PP) zurückgeblieben war. Das Angebot regionalistischer Parteien, mit ihrer Unterstützung weiter zu regieren, lehnte er ab. González glaubte, dass die Partei ihre Krise mit einer neuen Führung überwinden müsse. Auf dem Parteitag im Juli 1997 verzichtete er auf eine erneute Kandidatur für das Amt des Generalsekretärs, das er als unumstrittener Führer seiner Partei mehr als zwei Jahrzehnte lang innegehabt hatte. Zu seinem Nachfolger wählten die Delegierten den ehemaligen Minister Joaquín Almunia, einen Vertrauten von González. Der von González lange Zeit als Nachfolger vorgesehen Javier Solana stand nicht mehr zur Verfügung, da er inzwischen zum Generalsekretär der Nato ernannt worden war.

Im April 1998 befragten die spanischen Sozialisten dann zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Mitglieder über den geeigneten Spitzenkandidaten für die im Jahr 2000 vorgesehenen Wahlen. Überraschend unterlag Parteichef Almunia gegen José Borrell, ebenfalls ein früherer Minister in der Regierung González. Im Mai 1999 verzichtete Borrell auf seine Kandidatur, weil er sich vom Parteiapparat nicht genug unterstützt fühlte. Erneut musste Almunia als Spitzenkandidat antreten. Bei den Wahlen am 12. März 2000 erreichte die Konservative Volkspartei mit Aznar an der Spitze eine absolute Mehrheit im Parlament.

Nach dieser klaren Wahlniederlage trat Almunia, der heute EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung ist, vom Amt des Parteichefs zurück. Daraufhin wurde der 25. Parteitag zu einem demokratischen Parteikongress, wie es ihn in anderen spanischen Parteien und im PSOE lange nicht mehr gegeben hatte. Es bewarben sich vier Kandidaten für das Amt des Parteiführers. Entgegen den Vorhersagen und Erwartungen des amtierenden Parteivorstands wurde zum neuen Generalsekretär der 39 Jahre alte Abgeordnete José Luis Rodríguez Zapatero gewählt – mit klarem Vorsprung vor José Bono, dem langjährigen Ministerpräsidenten der Region Kastilien La Mancha und heutigen Parlamentspräsidenten.

Der bis dahin in der Bevölkerung kaum bekannte Abgeordnete Zapatero berief vorwiegend junge Politiker in die Exekutive der Partei. Zapatero hatte eine eher oberflächliche, doch optimistische und in die Zukunft gerichtete Kandidatenrede gehalten; José Bueno hingegen eine angesichts der jüngsten Vergangenheit der Partei recht schonungslose Ansprache. Rodríguez Zapatero gab den Parteitagsdelegierten mit seinem Optimismus und den Vorschlägen für Reformgesetze neue Hoffnung. Er verstand es, die nach den schweren Wahlverlusten niedergeschlagenen Mitglieder und Anhänger der Sozialistischen Partei aufzumuntern.

Überdies erwies sich Zapatero als sehr guter Debattenredner. Im Parlament antwortete er Aznar, der in seiner zweiten Legislaturperiode immer weiter nach rechts rückte, mit einer in der Sache harten, aber in korrekter und höflicher Form vorgetragenen Oppositionspolitik. Er stellte sich klar gegen die von Aznar beschlossene Beteiligung Spaniens am Irak-Krieg und forderte, die Außenpolitik mehr auf die traditionellen Freunde Spaniens in Europa wie Deutschland und Frankreich auszurichten – während Aznar sich immer mehr zu einem folgsamen und kritiklosen Befehlsempfänger des amerikanischen Präsidenten Bush entwickelte.

Soziale Politik und liberale Reformen

Im Wahlkampf Anfang 2004 galt die Volkspartei (PP) mit ihrem neuen Spitzenkandidaten Mariano Rajoy als klarer Favorit. Doch Zapatero behielt seinen ansteckenden Optimismus bei und holte in den Umfragen ständig auf. Drei Tage vor dem Wahltermin wurden bei islamistischen Anschlägen auf Madrider Bahnhöfe und Züge 191 Menschen getötet. Die amtierende Regierung Aznar machte – wider besseres Wissen – die baskische Separatistenorganisation ETA für die Massaker verantwortlich. An dieser Version hielt er auch noch fest, als die Polizei schon Islamisten unter Tatverdacht festgenommen hatte. Offensichtlich wollte Aznar die Vermutung unterdrücken, die Attentäter hätten etwas mit der Beteiligung Spaniens am Irak-Krieg zu tun.

Dabei hatten die Urheber eines früheren Attentats auf ein spanisches Restaurant in Casablanca in einem Bekennerschreiben schon gedroht, Spanien wegen des Irak-Krieges in Zukunft weiterhin zu bestrafen. In den Tagen vor der Wahl glaubte daher ein beachtlicher Teil der Bevölkerung, von der eigenen Regierung belogen zu werden. Der Schrecken über das größte terroristische Attentat in Europa führte auch zu einer hohen Wahlbeteiligung: Die jugendliche, städtische Bevölkerung, die gewöhnlich nicht zu den Urnen geht, hielt es einige Tage nach den vielen Terrormorden für ihre Pflicht, wählen zu gehen. Und wenn diese Gruppe ihre Stimmen abgibt, dann gewöhnlich für linke Parteien. Bei hoher Wahlbeteiligung gewann in Spaniens neuer Demokratie bisher immer die Linke. Nur bei auffallend geringer Beteiligung hatte die Rechte Gewinnchancen. Die konservative Volkspartei PP und ihre journalistischen Helfer in Spanien (wie auch im Ausland) versuchten über Jahre, die Legitimität der Wahl anzuzweifeln, die nur drei Tage nach dem Attentat stattfand. Sie sprachen sogar von „Terrorwahlen“. Doch die Sozialisten hätten wahrscheinlich auch bei geringer Wahlbeteiligung gewonnen.

Die Regierung Zapatero nutzte die schnell wachsende spanische Wirtschaft und die Überschüsse in der Staatskasse für sozialpolitische Maßnahmen wie Rentenerhöhungen oder die erwähnte kostenlose Pflegeversicherung. Zugleich vergaß die sozialistische Regierung nicht, dass auch ein großer Teil des liberalen, wohlhabenden Bürgertums für sie gestimmt hatte. Schon die Regierungen von Felipe González hatten viele liberale Reformen durchgesetzt, besonders in der Gesellschaftspolitik. Und das zu einer Zeit, als die damalige spanische Rechte noch an den antiliberalen Gesetzen der Franco-Diktatur festhalten wollte.

Gegen den heftigen Widerspruch der katholischen Kirche erlaubte Zapateros Regierung die Homosexuellen-Ehe und legalisierte mit Hilfe der Arbeitgeber viele illegal in Spanien arbeitende Einwanderer. Spanien war in der ersten Legislaturperiode Zapatero das europäische Land mit dem höchsten Zustrom von Arbeitskräften aus dem Ausland, vor allem aufgrund des kräftigen Wirtschaftswachstums. Viele Einwanderer kommen aus Lateinamerika nach Spanien, konnten also dank der gleichen Muttersprache schnell einen Arbeitsplatz finden.

Die Einwanderer aus den 19 spanischsprachigen Ländern des amerikanischen Kontinentes können verhältnismäßig schnell die spanische Nationalität erhalten. Sie wählen in ihrer Mehrheit sozialistisch, zumal die konkurrierende Volkspartei gegen Ende des Wahlkampfs 2008 einige fremdenfeindliche Töne anklingen ließ und an die Ausländer oft strengere Forderungen zur Eingliederung stellte. Mit diesem leicht xenophoben Wahlkampf gewann die Volkspartei Stimmen in einigen Arbeitervorstädten wie dem Süden von Madrid. In diesen ehemaligen Hochburgen der Sozialisten ist der ausländische Bevölkerungsanteil sehr hoch. Besonders bei den Angestellten im Dienstleistungssektor und im Baugewerbe, den beiden Pfeilern des spanischen Wirtschaftswachstums, nahm die Angst um den Arbeitsplatz zu – vor allem, als Anfang 2008 die Arbeitslosenzahlen wieder anstiegen und Anzeichen einer kommenden Wirtschaftskrise erkennbar wurden. Ein neuer Arbeitsminister in der Regierung Zapatero erschwerte daraufhin im Einklang mit den strengeren Aufnahmebedingungen der übrigen Staaten in der Europäischen Union die Legalisierung ausländischer Zuwanderer.

Die Verdienste von einst zählen nicht mehr viel

Bereits im Laufe der achtziger Jahre hatte in Spanien unter sozialistischen Regierungen ein starker sozialer Wandel eingesetzt. Die Hälfte der bis dahin nach internationalen Kriterien als arm geltenden Bevölkerung stieg in den Mittelstand auf. Mit dem sozialen Aufstieg aber war manchmal auch eine Änderung des Wahlverhaltens verbunden. Gerade in Regionen wie Madrid und Valencia, deren Bevölkerung am meisten von der wirtschaftlichen Verbesserung und der sozialistischen Regierung profitierte, verlor die PSOE auffallend an Stimmen. Zahlreiche Wähler meinten offenbar, nach ihrem sozialen Aufstieg brauchten sie keine Partei mehr zu wählen, die das Wort „Arbeiter“ im Namen führe – und gaben ihre Stimmen dann den Konservativen. Allerdings wählte die Mehrheit der Arbeiter und Angestellten in Andalusien, aber auch in Katalonien und dem Baskenland bei den vergangenen Wahlen auch weiterhin PSOE – also dort, wo PSOE als eine ausgesprochen fortschrittliche Partei gilt und wo der überkommene spanische Nationalismus der Volkspartei noch an die offizielle Rhetorik der Franco-Zeit erinnert.

Die PSOE hingegen kann mit ideologischen wie sozialen Argumenten auf ihre Abwehrhaltung gegenüber der Franco-Diktatur verweisen. Ihre Distanz zur rechten Diktatur ergänzte sie durch entschlossenes Eintreten für Demokratie und Rechtsstaat. Nach dem Putschversuch im Februar 1981, der eine Rückkehr zur Franco-Diktatur beabsichtigte, gewann PSOE klar die nächsten Regionalwahlen und mit großer Mehrheit die gesamtspanischen Parlamentswahlen ein Jahr später. Allerdings ist die Zahl der Spanier, die sich noch bewusst an die vor über 30 Jahren zu Ende gegangene Diktatur erinnern, geringer geworden. Für die Sozialisten und andere Gruppen der Linken reicht es schon längst nicht mehr aus, auf ihre Verdienste im Kampf gegen die Diktatur zu verweisen. Die meisten Wähler haben inzwischen andere Sorgen.

Die Spanier konsumieren gern und viel, sparen hingegen wenig. Der Preisanstieg der vergangenen Monate wird, obwohl der wichtigste Grund dafür die internationalen Erdölpreise sind, gern der Regierung angelastet. Deshalb macht die Opposition jetzt die Wirtschaftskrise zum Hauptargument ihrer Kritik an der Regierung Zapatero. Das in vier Jahren des Wirtschaftsaufschwungs gewachsene Vertrauen in den Wirtschafts- und Finanzminister Pedro Solbes war neben der Sozialpolitik zweifellos ausschlaggebend für den Wahlsieg Zapateros. Die neue Regierung Zapatero, in der Solbes verantwortlich für die Wirtschaftspolitik bleibt, muss sich bemühen, die von den Konservativen gern aufgestellte These zu widerlegen, mit einer rechten Regierung funktioniere die Wirtschaft besser. Die Banken und viele große Unternehmen haben durchaus Vertrauen in die Wirtschaftspolitik der großen Partei, der spanischen Linken, und zwar dank ihrer Erfahrungen mit moderner sozialdemokratischer Politik während den von Felipe González geführten Regierungen und der ersten Legislaturperiode Zapateros. Felipe González hatte der Partei eine Art Godesberger Programm gegeben und das Wort marxistisch aus den Statuten der Partei streichen lassen.

Die meisten Spanier sind Anhänger einer schnellen Einheit Europas. Bei einem so europäisch gesonnenen Volk müsste die Regierung – und da vor allem der Ministerpräsident – mehr Aktivität in der Europapolitik zeigen. Man hatte von Zapatero nach den Wahlen 2004 erwartet, Spanien werde mit Deutschland und Frankreich jetzt wieder ein Ländertrio bilden, das wie zu Zeiten von Felipe González, Francois Mitterand und Helmut Kohl die Einheit voranzutreiben in der Lage sei. Doch von Zapatero kamen bisher kaum europapolitische Initiativen. Der Ministerpräsident beschäftigt sich vorwiegend mit der Innen- und Regionalpolitik sowie mit der Suche nach einem Gewaltverzicht der baskischen Terroristen.

Heimat des progressiven Spanien

Die Spanier definieren sich in ihrer Mehrheit gewöhnlich als politisch in der linken Mitte stehend. Nur eine Minderheit bekennt sich offen zur Rechten. Zwar ist, wie die Wahlergebnisse zeigen, die „verschämte“ Rechte im Land größer. Dennoch sind die Voraussetzungen für eine moderne, gesellschaftspolitisch liberale und in sozialen Fragen ausgesprochen sozialdemokratische Republik gut. In ihrer ersten Legislaturperiode hat die Regierung Zapatero viel getan, um die sozialen Unterschiede zu verkleinern. Diese Unterschiede in Besitz und Einkommen sind allerdings – als Erbschaft der langen Diktatur – immer noch größer als in manchen anderen europäischen Ländern, wenn auch längst nicht mehr so groß wie vor 40 Jahren.

In einem Land, in dem die wichtigsten politischen Abkommen bei bis in die Morgenfrühe andauernden Abendessen in Tavernen beschlossen werden, wundert es nicht, dass die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei in einer Taberna gegründet wurde. Im Jahr 1979, vier Jahre nach Ende der Diktatur, konnte an der Taverne Casa Labra ein Schild mit folgender Aufschrift angebracht werden: „Am 2. Mai 1879, als die Arbeiter keine Freiheit hatten, sich zu versammeln, wurde in einem Hinterzimmer dieses Hauses die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei als eine Vereinigung im Untergrund gegründet.“

In den mehr als 100 Jahren hat diese von dem Drucker Pablo Iglesias gegründete Partei Spanien häufig regiert: sowohl in der zweiten spanischen Republik als auch in der neuen spanischen Demokratie. Sie weiß längst, dass sie Spanien als reine Klassenpartei nicht regieren kann und hat die wichtigsten liberalen Reformen durchgesetzt. So wurde sie zur politischen Heimat des progressiven Spanien – von den sozialistischen Arbeitern bis zum liberalen Teil der bürgerlichen Schichten.

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