Keine Zeit für die Suche nach Schnittmengen



Zunächst will ich hier auf das heutige Datum hinweisen. Diese Zeilen schreibe ich am 5. März 2008. Nicht, dass ich hoffen könnte, morgen schon sei die so genannte Große Koalition tatsächlich Geschichte. Aber weiß man heute, wo die SPD steht, wenn dieser Artikel erscheint? Oder wer dann bei ihr das Sagen hat? Hat es bis dahin eine neue Richtungsentscheidung bei einem Abendessen mit Journalisten gegeben? Gilt gerade, was soeben beschlossen oder wovon sich eilig distanziert oder was „fair bewertet“ worden ist – oder nicht? Wenn man die Hälfte der Großen Koalition nur nach aktueller Nachrichtenlage bewerten kann und nicht nach einer verlässlichen Grundkonstante, dann mag der Oppositionelle in mir jubilieren – der Staatsbürger kann es nicht. Am Montag hat die SPD ihr Schicksal in die Hände Frau Ypsilantis gelegt. Am Dienstag hat sie ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Und heute, am Mittwoch, weiß keiner, ob sie nicht den Weg der Heide Simonis geht. Wer der SPD Schlechtes wünscht, der wünscht Kurt Beck jetzt Durchhaltevermögen. Ich bin nicht dabei.

Oder soll man es Selbstmord nennen?

Was sich heute unzweifelhaft erkennen lässt: Diese Koalition Merkel (CDU)/Wer-auch-immer (SPD) ist tot. Im Duell erschossen. Zwischen Wiesbaden und Hamburg. Oder soll man es Selbstmord nennen? Es ging ihr schon lange nicht gut. Seit ihrer Gesundheitsreform war sie matt. Dann hat sie auch nie die richtige Medizin gefunden. Was von Schröder noch übrig war, hat sie mit der linken Hand absichtlich verschüttet. Vor wirksamen Reformen hat sie sich zu Tode geekelt, bei den Steuern, beim Arbeitsmarkt. Der Beisetzungstermin ist amtlich, aber auf zu spät festgelegt worden – so ist sie nun lange aufgebahrt, und es riecht nicht gut im Lande.

Etwas Besseres als den Tod finden wir überall

Anfang des Jahres trieb mich noch die Sorge um – und ich habe es laut beklagt –, Union und SPD hätten es sich im warmen Nest der Großen Koalition auf Dauer gemütlich gemacht. Scheinbar war es aber gerade die penetrante Sozialdemokratisierung der Union, die die Original-SPD zur Nestflucht veranlasst hat. Frei nach dem Motto der Bremer Stadtmusikanten: „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.“

An meinem damaligen Befund, an der Auflistung der Krankheitssymptome der Großen Koalition hat sich nichts geändert: Der große Startvorteil dieser Regierung – Aufschwung der Weltkonjunktur, Agenda-Erbe – wurde verfrühstückt, statt auf dieser Basis das schröpfende Steuersystem und den überregulierten Arbeitsmarkt einer Strukturreform zu unterziehen. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde dem Steuerzahler so tief und so verlogen in die Tasche gegriffen. Man denke nur an den Wahlkampf der SPD gegen die „Merkel-Steuer“ und die folgende Einigung mit der Union auf sogar drei Prozent mehr Mehrwertsteuer. Im Gesundheitswesen und bei der Lohnfindung wurden planwirtschaftliche Elemente eingeführt, die den Wettbewerb außer Kraft setzen. „Mehr Freiheit wagen“, so hieß es zu Beginn – im Regierungsalltag aber gilt das Motto „Mehr Misstrauen üben“.

Nie zuvor war der Staat neugieriger und allwissender: Vorratsdatenspeicherung bedeutet Generalverdacht, ebenso der Fingerabdruck im Pass. Immer weniger gelingt die Balance von Bürger- und Freiheitsrechten. Ein „unsichtbares Überwachungsnetz“ moniert der Bundesdatenschutzbeauftragte. Nach dem Lauschangriff will das BKA auch den Spähangriff. Autokennzeichen werden schon automatisch mit Fahndungslisten verglichen. Online-Durchsuchungen nähmen überdimensionale Gestalt an, hätte das Bundesverfassungsgericht nicht einen Riegel vorgeschoben. Ohne diese Instanz gäbe es wohl kein Halten mehr, seit Otto Schily und Wolfgang Schäuble ihre Rechtsstaats-Maßstäbe diktieren. Die Oppositionsrechte im Parlament sind derart gering ausgestattet, dass sich großkoalitionäre Allmachtsphantasien entwickeln können.

Summa summarum: Diese Bilanz von Schwarz-Rot hat das Klima im Land verdorben, mehr als alle Klimaschutz- und anderen Erfolge auf der großen Merkelschen Weltbühne aufwiegen können. Und wenn die Bundeskanzlerin jetzt auf ihrer vermeintlichen Habenseite anführt, dass die Rente mit 67 so nur mit der SPD machbar war, dann spricht genau das nicht für, sondern gegen die Große Koalition. Wir sagen: Schluss damit!

Nach der Wahl tun, was man vorher verspricht

Jetzt ist alles andere als die Zeit der gemeinsamen Schnittmengensuche – die FDP ist ein harter politischer Gegner dieser Regierung. Die FDP strebt einen konsequenten Politikwechsel an, der mehr Freiheit und Wohlstand für alle ermöglicht. Das ist das Kontrastprogramm zur sozialdemokratisierten Politik der Union und zum sozialdemokratischen Liebäugeln mit Rot-Rot. Doch klar ist: Allein werden wir diesen Politikwechsel nicht schaffen. Heute weiß niemand, wie sich unter dem Eindruck von schwarz-grünen und rot-roten Anbahnungen die Parteienlandschaft vor der Bundestagswahl abzeichnen wird. Sicher ist: Die FDP wird von ihrem Kurs der Verlässlichkeit nicht ablassen. Wir bauen darauf, dass es honoriert wird, wenn man nach der Wahl macht, was man zuvor verspricht. Eben deshalb werden wir sehr genau bedenken, was wir vor der Wahl sagen – und was wir danach damit anfangen können.

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