Göttlicher Ausblick 2017

Über reformatorische Freiheit im Lutherjahr

Thea: Frau Vizekanzlerin, das Reformationsjahr 2017 neigt sich seinem Ende zu: Wir haben über Luther reflektiert, vom Glauben gesungen, zu Gott gebetet und sind Frau Käßmann wieder los. Wie geht es Ihnen damit?

Vize: Wir haben Oktober und unsere Markenbotschafterin Käßmann hat noch drei Monate – die wollen wir nutzen.

Thea: Wozu?

Vize: Um über Luther zu reflektieren, vom Glauben zu singen und zu Gott zu beten.

Thea: Haben wir das nicht schon genug getan?

Vize: „Liebe, Schuldigkeit und Pflicht“ – so lautet die Überschrift des Koalitionsvertrages. Wir handeln aus Berufung – das haben Sie hoffentlich verstanden.

Thea: Gibt es schon weitere Schwerpunkte, die ihnen wichtig sind?

Vize: Das Reformationsjubiläum und ein Stück weit seine Folgen. Kirche hat hier große Chancen und unser Land auch. Luther hat gedichtet und gesungen, gebetet und disputiert, gern gegessen und getrunken, ist weit gereist und hat Menschen aller Art nachgespürt. Das ist mir ein rechtes Vorbild eines guten Christen und Politikers. Nach dem Regierungswechsel ist der Glaube ins Hohe Haus zurückgekehrt und ich spüre bereits, dass manch böser Ton der Politik sich auf dem Rückzug befindet.

Thea: Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Vize: Die Bundestagspräsidentin nennt uns nun Schwestern und Brüder. Das klingt holzperliger. Mir gefällt das sehr.

Thea: Sie kommen aus einem Bundesland, in dem es nur noch wenige Christen gibt, wie sind sie davon geprägt worden?

Vize: Ich will Ihnen die Gelegenheit geben, über Ihre verletzende Frage noch einmal nachzudenken. Das Kirchentagsreferat des Kanzleramtes wird Sie zu einer Fortbildung einladen.

Thea: Ex oriente lux.

Vize: Ich erkenne Ihre Lernfähigkeit an und will zunächst Nachsicht üben. Grün-Schwarz hat den Ballast der falschen Auseinandersetzungen abgeworfen. Bisherige Regierungen haben unser hiesiges Dasein nur unterschiedlich interpretiert, die Kanzlerin und ich wollen es wahrlich verändern. Von List bis Garmisch sagen sich bereits nach wenigen Monaten unseres Schaffens Löwe und Schaf gute Nacht. Wie Sie wissen, bin ich immer und mit sicherer Hand auf der richtigen Seite. Mein USP (unique selling point, Anm. von Thea) steht seit 40 Jahren. Die Vielfalt meiner Versöhnungsthemen ist bekannt, meine Stimme ertönt dort, wo Unrecht droht und Unfriede dräut.

Thea: Das verstehe ich nicht.

Vize: Das Protestantenreferat wird Sie gern zu einer Fortbildung einladen. Doch so viel sei jetzt schon gesagt: Nudging ist das Motto unserer Zeit. Die Regierung weiß, was gut für alle ist und stubst die Menschen in diese Richtung. Wer das als „Gängelei der Rehaugen“ verunglimpft, hat nichts verstanden und muss die Konsequenzen tragen.

Thea: www.kirchentag.de schreibt über Sie: „Inhaltliche Schwerpunkte der konservativen Politikerin sind soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.“ Wie habe ich das zu verstehen?

Vize: Ich erkläre Ihnen das gern genauer: Meine Schwerpunkte sind soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.

Thea: Und das „konservativ“?

Vize: Die wollten erst „grün“ schreiben, aber nicht mit mir. So weit geht die reformatorische Freiheit dann doch wieder nicht.

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