Gerechtigkeit durch Deregulierung

Hinter dem Umbau des Wohlfahrtsstaates in Dänemark steht ein sozialdemokratisches Konzept. Unsere nördlichen Nachbarn machen vor, wie wirtschaftliche Effizienz, soziale Sicherheit und klug deregulierte Arbeitsmärkte zusammenpassen

Die meisten Deutschen kennen die nordischen Länder kaum näher, vielleicht aus Erzählungen. Das gesellschaftliche System ist in Maßen geläufig, Gleichberechtigung und liberales Verhalten sind die Grundsätze - soviel ist bekannt. Naturverbunden und überwiegend hübsch anzuschauen sind die Menschen im Norden, auch das weiß man noch. Und vielleicht, dass Willy Brandt schon früh von der Schönheit Skandinaviens ergriffen war.

Auf den politischen Menschen in Deutschland hingegen übt der Norden in Zeiten der allgemeinen Überprüfung sämtlicher staatlicher Leistungen eine neuartige Anziehungkraft aus. Hier fällt speziell Dänemark immer öfter als Modell in den Blick, dabei besonders der Arbeitsmarkt und die Alterssicherung. Und womöglich war es 1998 mehr als nur die geografische Nähe zu Kopenhagen, die Gerhard Schröder nach seinem Amtsantritt zuallererst mit dem damaligen sozialdemokratischen Premierminister Dänemarks Poul Nyrup Rasmussen zusammentreffen ließ.

Die besondere Faszination, die Dänemarks Sozialsystem vielleicht auch damals schon auf den Kanzler ausgeübt haben mag, ist die funktionelle Verknüpfung von hoher Effizienz und hoher sozialer Sicherung - zwei Elemente, die in der sozialdemokratischen Kontroverse des Reformjahres 2003 einfach nicht unter einen Hut zu gehören schienen. Soll die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden, so meint man hierzulande immer noch, müsse zunächst ein Stück Soziales aus der Marktwirtschaft gestrichen werden. Doch zeigt Dänemark, dass dieser Widerspruch so eben keineswegs bestehen muss.

Die Rahmenbedingungen der sozialen Sicherungssysteme - das zumindest weiß mittlerweile zum Glück fast jeder - verändern sich unaufhaltsam. Der demografische Wandel ist endlich ins Bewusstsein gerückt. Er wird - das lässt sich ohne jede Übertreibung sagen - die meisten westlichen Staaten in diesem Jahrhundert in gleichem Maße prägen, wie dies die Industrialisierung im 19. Jahrhundert und der Sozialstaatsaufbau im 20. Jahrhundert taten. Der Wohlfahrtsstaat hat, frei nach Meadows, seine "Grenzen des Wachstums" erreicht.

Die klassischen Sozialstaaten und ihre politischen Lobbyisten auf der Linken stehen dabei scheinbar unausweichlich vor dem Offenbarungseid. Tatsächlich ist man sich selbst in weiten Teilen jener politischen Linken der Alternativlosigkeit einschneidender Kürzungen bewusst, schreckt freilich davor zurück, sich dem moralischen Totschlagargument des Neoliberalismus aussetzen zu wollen. Viel Platz für echte sozialdemokratische Politik, so mag es mancher Volksvertreter in diesen Zeiten empfinden, bleibt da nicht mehr.

Solidarität und Effizienz im Zusammenspiel

Allem demografischen Wandel zum Trotz macht uns Dänemark seit Jahren vor, was es heißt, die Schwächsten in der Gesellschaft zu schützen und gleichzeitig die Wirtschaft prosperieren zu lassen. Wer das Modell Dänemark betrachtet, wird nicht zum Schluss kommen, dass hier eine Volkswirtschaft nur durch bloße Kürzungen wieder in Schwung gekommen ist. Vielmehr ist es den Dänen gelungen, in den sozialstaatlichen Kernelementen Arbeitsmarkt und Rente nachhaltige, effiziente und vor allem auch soziale Instrumente zu etablieren. Dabei liegt der Schlüssel des Erfolges nicht bei einzelnen Maßnahmen, sondern auf dem einen wie dem anderen Gebiet im Zusammenspiel solidarischer und effizienter Aspekte.

Zunächst allerdings war die Situation, in der die neue sozialdemokratische Regierung Nyrup Rasmussen 1993 die Amtsgeschäfte übernahm, wirtschaftspolitisch noch verfahrener als die gegenwärtige Lage in Deutschland. Die Arbeitslosigkeit verharrte bei über 12 Prozent, die Verschuldung bei über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Besonders in den ländlichen Regionen Nordjütlands hatte man sich an die Tristesse gewöhnt. Die Wirtschaft wuchs nicht, Fluktuation bei den Arbeitslosen fand kaum noch statt. Ökonomen wunderten sich nur wenig über die volkswirtschaftlichen Daten, die aus Dänemark gemeldet wurden. Schließlich lagen die Ersatzzahlungen im Falle der Arbeitslosigkeit traditionell hoch - und in ganz Europa konkurrenzlos - bei bis zu 90 Prozent des letzten Gehaltes. Und mit fünf Jahren erreichte auch die Bezugsdauer unvergleichliches Spitzenniveau.

Bezugsdauer und Höhe der Arbeitslosenunterstützung, das lehrt die Wirtschaftstheorie, sind entscheidende Argumente für Arbeitslose, ein neues Jobangebot anzunehmen - oder eben nicht. Ausgestattet mit der Perspektive, über Jahre hinweg eine Entschädigung von 90 Prozent des letzten Lohnes zu erhalten, ist keinem Homo Oeconomicus eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Jobangeboten zu verdenken.

Die Offerte muss da schon besonders verlockend ausfallen, soll sie auf ernsthaftes Interesse stoßen. Logische Folgen sind die Verlängerung der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit und die Erhöhung des Anteils dauerhaft Arbeitsloser. Unausweichlich wird damit, dass sich die Wiedereingliederung der Betroffenen in den Arbeitsmarkt immer schwieriger gestaltet. Das schafft Desillusionierung: Wer steht schon gern in einer Schlange, die sich gar nicht bewegt?

Überschüsse pflastern den dänischen Weg

Also hatten sie Recht, die Ökonomen. Hohe soziale Sicherung verträgt sich nicht mit Effizienz und Wachstum. Doch so einfach ist es nicht. Heute, zehn Jahre nach dem beschriebenen Szenario, hat sich die Lage in Dänemark drastisch gewandelt: Die Arbeitslosigkeit liegt, je nach statistischer Betrachtungsweise, zwischen vier und fünf Prozent, die Langzeitarbeitslosigkeit gar ist mit 1,1 Prozent der Erwerbsfähigen in ihrer Bedeutung marginalisiert. Die Wirtschaft wächst trotz ihrer Abhängigkeit vom lahmenden Motor Deutschland, die Inflationsraten sind niedrig. Dänemark hat seinen Schuldenanteil am Sozialprodukt mittlerweile auf nur noch 40 Prozent halbiert, satte Haushaltsüberschüsse auch in Zeiten schwächelnder Weltwirtschaft machen es möglich.

Durch den Schuldenabbau hat man sich sogar eine beachtliche Resistenz gegenüber externen Schocks erarbeitet. John Maynard Keynes würde jauchzen vor Glück, sähe er, wie erfolgreich sein deficit spending im kühlen Norden angewendet wurde.

Das eigentlich erstaunliche an diesem universellen Aufschwung ist jedoch, dass Höhe und Bezugsdauer der Arbeitslosenunterstützung bei alledem überhaupt nicht in Frage gestellt wurden. Weiterhin genießt das gesellschaftliche Ziel der Armutsvermeidung die oberste Priorität. Schließlich bleibt der Verlust der Erwerbsarbeit immer noch ein Schicksal, das jeden plötzlich und unerwartet treffen kann.

Trotz der scheinbaren Überlistung der klassischen Ökonomie ist der Erfolg des dänischen Arbeitsmarktes aber nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis zielsicher gesetzter Anreize: Die Regierung Nyrup Rasmussen steuerte um - von einer auf passive Maßnahmen ausgerichteten Arbeitsmarktpolitik hin zu einer aktivierenden Strategie des "Förderns und Forderns". Arbeitslosenunterstützung als direkte Transferleistung rückte in den Hintergrund. Stattdessen bekämpfte man nunmehr durch gezielte Fortbildungsprogramme verstärkt die strukturelle Arbeitslosigkeit. Das ging einher mit neuen Anforderungen an die Arbeitslosen. Der in Not geratene wird maximal unterstützt, zugleich jedoch wird ihm ein genauso hoher Einsatz bei der Arbeitsplatzsuche abverlangt. Dass für Leistungen, die von der Allgemeinheit erbracht wurden, auch eine Gegenleistung zu erwarten sei, wurde zum sozialdemokratischen Motto. Nur so, das begriff man in Dänemark, konnte man den Bedürftigen die hohen Ersatzzahlungen bewahren. Der Workfare-Staat war geboren.

Kein Stein blieb auf dem anderen

Und tatsächlich blieb in der Arbeitsmarktpolitik scheinbar kein Stein auf dem anderen: Die Zumutbarkeitsregelungen etwa wurden verschärft. Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit muss ein Däne nun auch Jobangebote akzeptieren, die nicht seinem ursprünglich erlernten Job entsprechen. Eine Gegenleistung haben Arbeitslose zudem zu erbringen, sobald die "Aktivierungsphase" eintritt: Innerhalb eines Jahres, bei unter 25-Jährigen bereits innerhalb von sechs Monaten wird für jeden Arbeitslosen ein individueller Aktionsplan erarbeitet.

Möglichkeiten zu Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen setzen ein, an denen aber wiederum verpflichtend teilgenommen werden muss. Dies senkt zum einen die Grenze, an der ein Arbeitsloser bereit ist, einen Job anzunehmen, zum anderen steigert die Fortbildung seinen Marktwert. Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage kommen sich seitdem entgegen, Jobs werden wieder besetzt.

Die Nachfrage nach Arbeit wurde durch weitere Maßnahmen stimuliert: Mit Job-Rotation eröffnete sich Arbeitskräften die Möglichkeit zur staatlich unterstützten Weiterbildung. Während dieser Zeit übernimmt ein entsprechend "aktivierter" Arbeitsloser den Arbeitsplatz zu vollem Lohn. Hiermit wird zugleich die Qualifikation der Arbeitskräfte und der Arbeitslosen erhöht. Speziell die zeitweilige Reintegration der Arbeitslosen in Beschäftigungsverhältnisse ist eine effektive Maßnahme zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit.

Eines der wichtigsten Puzzleteile im Modell des dänischen Arbeitsmarktes ist der im internationalen Vergleich sehr gering ausgebaute Kündigungsschutz. Er ermöglicht es Unternehmen, in Aufschwungphasen ohne Risiko Arbeitskräfte einzustellen - und sie bei Bedarf auch wieder zu entlassen. Akzeptabel wird dies angesichts der hohen Zahlungen im Fall von Arbeitslosigkeit. Zusammengenommen balancieren sich beide Maßnahmen zu einer sozial fürsorglichen und wirtschaftlich effizienten Lösung aus.

Dem Risikozuwachs für den Arbeitnehmer durch den geringen Kündigungsschutz steht das hohe Arbeitslosengeld gegenüber - ein Nullsummenspiel. Die eigentlichen Gewinner dieser Maßnahmen jedoch sind die wirklich Schwachen der Gesellschaft: die Erwerbslosen, deren Chancen auf Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt in erheblicher Weise gesteigert werden.

Starke Gewerkschaften als Reformmotor

Maßgeblichen Anteil am dänischen Aufschwung hatten die Gewerkschaften, die sich den notwendigen Veränderungen nicht verschlossen. Dabei erscheinen niedriger Kündigungsschutz, Zumutbarkeitsregelungen und Aktivierungsmaßnahmen nur begrenzt gewerkschaftskompatibel. Dass die Gewerkschaften die Reformen dennoch mit trugen, ist auf ihre breitere gesellschaftliche Verantwortung zurückzuführen.

Die Arbeitslosenkassen, über die sich Erwerbstätige gegen Arbeitslosigkeit versichern, stehen in engem Verbund mit den Arbeitnehmerorganisationen. So sind diese etwa direkt in die Verwaltung der Fonds involviert, aus denen die Aufwendungen für Arbeitslose gezahlt werden. Auch die Gewerkschaftspolitik wird somit von umfassend verstandener gesellschaftlicher Verantwortung geprägt. Dies kommt in Dänemark übrigens nicht nur den Arbeitslosen zugute, sondern auch den Gewerkschaften selbst. Das gesellschaftliche Ansehen in den skandinavischen Ländern ist bei weitem höher als in Deutschland, ihre Mitgliederzahlen steigen. Und das, obwohl der Organisationsgrad im Norden schon traditionell hoch ist: In Dänemark sind nahezu 90 Prozent der Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert.

Doch neben dem so erfolgreichen Arbeitsmarkt lockt ein weiteres Feld dänischer Sozialpolitik zu näherer Inspektion. Auch in der Rentenpolitik steht Dänemark so gut da wie kaum ein anderes Land. Dem Prinzip universeller sozialer Sicherung in Verbindung mit wirtschaftlicher Effizienz folgt auch die Alterssicherung. Basis des dänischen Systems ist die Volksrente, die steuerfinanziert jedem Bürger des Landes im Alter zusteht. Die Volksrente erfüllt dabei den Zweck der umfassenden Armutssicherung und differenziert nicht nach dem zuvor im Leben Geleisteten. So wie Armut als übergreifendes Phänomen gesellschaftlich auftreten kann, wird auch die Volksrente universell ausbezahlt.

Gerüstet für den demografischen Wandel

Auch hier setzt Dänemark diverse ökonomische Hebel in Bewegung, um bei dieser leistungsunabhängig gezahlten Pension der Gefahr des Trittbrettfahrerverhaltens zu begegnen. So wird der zweite, stetig zunehmende Teil dänischer Alterssicherung kapitalgedeckt finanziert. Diese Art der Zusatzvorsorge gibt es bereits seit Anfang der sechziger Jahre, und sie wird sukzessive um weitere, teils freiwillige und teils verpflichtende Elemente ergänzt.

Damit ist Dänemark bereits heute für die Zeiten der größten demografischen Veränderung in einigen Jahrzehnten gerüstet, da der umlagefinanzierte Anteil an der Alterssicherung sinkt. Wie auch immer sich Kapitalrenditen entwickeln, sie werden es gemäß ökonomischen Gesetzen langfristig stets günstiger tun als vergleichbare Umlagerenditen.

Aus welcher Perspektive man die dänische Alterssicherung auch beleuchtet, sie scheint aufgrund der Kombination aus steuerfinanzierter Grundsicherung und kapitalgedeckter Lebensstandardfinanzierung fehlerfrei zu funktionieren. Dabei erweist sich in Zeiten des demografischen Wandels besonders die Ausgestaltung als erwerbsunabhängiges System als vorteilhaft. Durch die Aufbringung über öffentliche Mittel wird die steigende Anzahl der Rentner anders als in Deutschland nicht über die Erwerbsarbeit finanziert. Infolgedessen verteuert sich Arbeit - das vielleicht kostbarste Gut globalisierter Volkswirtschaften - nicht proportional zum demografischen Wandel.

In Dänemark beteiligt sich zudem mit der steuerfinanzierten Grundrente jeder gemäß seiner Kaufkraft an der Finanzierung der Pensionen. Damit relativiert sich die Auswirkung der alternden Gesellschaft auf die Finanzierung der Alterssicherung. Und die wachsende Anzahl der Rentner beteiligt sich über Steuern in entsprechend starker Weise am eigenen Unterhalt.

Im Gegenzug erhält jeder die Volksrente. Die Folge ist in Dänemark eine verschwindend geringe Altersarmut. Nur etwa 9.000 Rentner, also ganze 0,1 Prozent aller Berechtigten, müssen mit Mitteln unterhalb der Armutsgrenze auskommen. Dagegen kann in Deutschland bereits die bei den nicht abgesicherten Selbstständigen auftretende Altersarmut zunehmend zu einer bedenklichen Größe werden. Heute wird geschätzt, dass 15 Prozent der Selbstständigenhaushalte über keinerlei Alterssicherung verfügen. Die Künstlersozialversicherung, eine speziell für jene Gruppe der Selbständigen eingeführte Altersvorsorge, erreicht in den Auszahlungen nicht einmal durchschnittlich das Existenzminimum. Frauen sind dabei noch schlechter versorgt als Männer.

Wieso vorsorgen? Ich bin rentenversichert!

Die dänische Volksrente wurde stets als Grundsicherung begriffen, was die frühzeitige Etablierung kapitalgedeckter Zusatzinstrumente erst möglich machte. Im Vergleich krankt genau hieran heute das deutsche Rentensystem. Über Jahre hinweg wurde kolportiert, die Altersversorgung der Gesetzlichen Rentenversicherung sei "sicher". Selbst die neuerdings gebotene Option zur Vorsorge mittels der Riester-Rente mag deshalb vielen als überraschend gelten: Warum denn zusätzlich vorsorgen, wenn man doch seit Jahrzehnten gegen das Risiko Alter versichert ist?

Im demografischen Wandel scheint sich der Eigentumsanspruch zu rächen, den die Zahlung von Sozialbeiträgen mit sich bringt: Der geleistete Beitrag möge sich für den Versicherten im Alter in eine adäquate Rente ummünzen. Doch es ist schwer vorstellbar, wie immer kleinere Erwerbsgenerationen die stetig anwachsenden Rentnergenerationen zufriedenstellend versorgen sollen. Das System verliert mit der Akzeptanz an Stabilität - und mit der Stabilität an Akzeptanz.

Die staatliche dänische Rente hingegen hatte nie den Anspruch einer äquivalenten Verteilung der Mittel. So begnügt sich die Volksrente damit, bewusst umzuverteilen und - nicht mehr und nicht weniger - konsequent Armut zu vermeiden. Die Dänen akzeptieren es, weil sie kein Anspruchsdenken auf diese Rente entwickelt haben. Einen Eigentumsanspruch wie im deutschen System gab es nie, weshalb er sich auch in kritischen Situationen wie der aktuellen und zukünftigen auch nicht in mangelnde Akzeptanz umkehren kann.

So ist der Schlüssel zu erfolgreicher dänischer Sozialpolitik zu einem guten Teil die gesellschaftliche Bereitschaft, selbstverantwortlich für sich zu sorgen. Dies wurde von der Regierung Nyrup Rasmussen forciert - und ermöglicht Dänemark heute den höchsten Grad sozialer Sicherung in ganz Europa. Auch die Verteilung von Sozialleistungen sollte den Gesetzen der Effizienz und vor allem denen der veritablen Bedürftigkeit folgen. Ist es in Zeiten leerer Staatskassen nicht das sozialdemokratischste aller Anliegen, die begrenzten finanziellen Mittel jenen zukommen zu lassen, die es am nötigsten haben?

Die große Chance der SPD

Die Niederlagen, welche die Sozialdemokraten in Dänemark und anderen nordischen Ländern trotz dieser teilweise beeindruckend erfolgreichen Politik erleiden mussten, sollten ihre mitteleuropäischen Pendants nicht abschrecken. Den Wohlfahrtsstaat universeller und großzügiger Sicherung stellt im Norden innerhalb des politischen Spektrums keine Partei in Frage. Poul Nyrup Rasmussen verlor 2001 die Wahlen, weil die Wähler sicher waren, dass ihre Gesellschaft auch ohne sozialdemokratische Regierung fürsorglich und homogen bleiben werde.

Hier liegt die große Chance der SPD in Deutschland. Wie erfolgreich sozial ausgleichende Politik funktionieren kann, wurde in unserem nördlichen Nachbarland vorgemacht. Aber anders als in Dänemark wäre in Deutschland von solcher Politik sicher niemand gelangweilt.

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