Freibier für Mutti!



Die Plätzchen duften, die Kinder sind glücklich, die Küche ist verwüstet. Jede Mutter weiß, dass die Weihnachtsbäckerei harte Arbeit ist. Spritzgebäck, Heidesand und Kokosmakronen sind nämlich nicht umsonst zu haben, sondern teuer erkauft – mit Nerven, Arbeit und viel Zeit. „Quality Time“ nennt man das in meiner derzeitigen Wahlheimat London.

Dass Kindererziehung Schwerstarbeit ist, die nicht adäquat vergütet wird, wissen alle Eltern. Nicht von ungefähr drücken sich viele Männer davor. Frauen hingegen haben von der Geburt an ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Kinder von anderen erziehen lassen. Das Idealbild der meisten Familien ist es, dass die Mütter die Kinder bis zum Kindergartenalter selbst betreuen und dann Teilzeit in ihren Beruf zurückkehren: In Deutschland werden 85 Prozent aller Kinder unter drei Jahren zuhause betreut, anschließend gehen fast 90 Prozent in den Kindergarten. Sollte der Staat diesen Müttern nicht einen minimalen finanziellen Ausgleich für ihre harte Arbeit zahlen?

Höhere Bildung, weniger Chancen

Natürlich nicht. Denn gerade Familien aus der Unterschicht, deren Kinder am meisten von außerhäuslicher Betreuung profitieren, würden das von Schwarz-Gelb geplante Betreuungsgeld in Anspruch nehmen. Wir wissen, dass Arbeiterkinder eine fast fünfmal höhere Chance haben, das Gymnasium zu besuchen, wenn sie vor ihrer Einschulung einen Kindergarten besucht haben. Umgekehrt haben sie ohne Kindergartenbesuch ein viermal größeres Risiko, auf der Hauptschule zu landen. Auch bei Kindern von Einwanderern zeigt der Kindergartenbesuch positive Effekte.
Langfristig wichtiger sind jedoch die negativen Auswirkungen der „Herdprämie“ auf die familiäre Arbeitsteilung in der Mitte der Gesellschaft. Junge Frauen haben mittlerweile ein höheres Bildungsniveau als junge Männer. Jedes Jahr als Hausfrau vermindert ihre Aufstiegschancen und damit ihr Verdienstpotenzial. Einen ähnlich dämpfenden, wenn auch geringeren Effekt auf die Gehaltsentwicklung hat die Teilzeitarbeit. Eine Frau, die für drei Jahre aussetzt und dann Teilzeit in den Beruf zurückkehrt, hat ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten fast irreversibel beeinträchtigt. Seit Jahren stagniert das Arbeitsvolumen von Frauen bei gleichzeitig steigender Frauenerwerbsquote. Das bedeutet: Mehr Frauen arbeiten immer weniger Stunden. Zudem nimmt das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen weiter zu.

Die Absurdität der „Wahlfreiheit“

Volkswirtschaftlich gehen die Kosten dafür, dass gut ausgebildete Frauen ihre Zeit mit Hausarbeit und Kinderbetreuung verbringen, in die Milliarden. Bedenkt man außerdem die besseren schulischen Leistungen von Kindern in außerhäuslicher Betreuung, dann erscheint die „Wahlfreiheit“ zwischen häuslicher und außerhäuslicher Betreuung ökonomisch ähnlich absurd, wie es eine „Wahlfreiheit“ zwischen Freibier und kostenpflichtigen Entziehungskuren für Alkoholiker wäre. Aber sowohl Freibier als auch das Betreuungsgeld kommen in der Bevölkerung gut an. Die „Herdprämie“ suggeriert, dass das alte Modell der Alleinverdiener-Ehe noch intakt ist, Kinder bei ihren Müttern am besten aufgehoben sind und Frauen sich am besten nur am Rande eines wettbewerbsorientierten Arbeitsmarktes bewegen sollten.

In meinem privaten Umfeld gibt es eine Reihe von Müttern, die Gefahr laufen würden, dem süßen Gift zu erliegen. Unzufrieden mit den bestehenden Betreuungsmöglichkeiten und mit kräftiger Unterstützung ihrer Männer werden sie dem ersten Jahr der Elternzeit noch ein weiteres hinzufügen. Ich kann sie verstehen. Ich liebe die Weihnachtsbäckerei und ärgere mich oft genug über meine Chefs. Ich kann ihnen ein gutes Rezept für ein Lebkuchenhaus geben. Damit ist man Tage beschäftigt.

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