Eisbein mit Oskar

In Zeiten der Großen Koalition hat die parlamentarische Opposition an Gewicht verloren, obwohl mit der PDS/Linkspartei sogar eine weitere Kraft hinzugekommen ist. Wo treffen sich die Mitglieder der kleinsten Oppositionspartei? Was bewegt sie beim abendlichen Bier? Ein Ausflug zu den gastronomischen Treffpunkten der PDS/Linkspartei soll uns einen Einblick in ihr Denken vermitteln

Wir beginnen im Cinque in der Reinhardtstraße. Hier sind Axel Troost, Werner Dreibus und Hüseyin Aydin Stammkunden. Die drei Abgeordneten der PDS/Linkspartei, die sich in der Nachbarschaft ein Apartment teilen, schätzen an dem italienischen Restaurant die angenehme Atmosphäre und die freundliche Bedienung. Allerdings, so Kellner Afrim, sind die Linkspartei-Abgeordneten nicht die einzigen Gäste aus dem Politikbetrieb. Stolz erzählt er, dass Helmut Kohl und Angela Merkel schon öfters da waren. Auch Guido Westerwelle, Wolfgang Gerhard und die Mitarbeiter der nahen FDP-Parteizentrale seien gern gesehene Gäste.

Wer Hunger hat, kommt im Cinque voll auf seine Kosten. Die Portionen sind groß, Qualität und Preise für die Gegend in Ordnung. Allerdings: Eine Hochburg der Linken ist das Lokal nicht. Weiter geht es deshalb zum Brechtkeller in der Chausseestrasse, wo es angeblich die älteren Herrschaften der Linksfraktion hinzieht. Der etwas mürrische Kellner bestätigt, dass unter den Gästen auch viele Politiker seien. Über seine Kundschaft reden möchte er aber nicht.

Fleischlaberln zu unsozialistischen Preisen

„Erst kommt das Fressen, dann die Moral“, heißt es in Berthold Brechts Dreigroschenoper. Ersteres kann man hervorragend in dem mit Brecht-Devotionalien dekorierten Lokal. Gerichte wie Fleischlaberln, Backhend’l oder Topfenpalatschinken erinnern an Helene Weigel, Brechts in Wien geborene Frau. Die Preise lassen auf den ersten Blick zwar ein wenig den sozialistischen Anstand vermissen, entschädigt wird man aber durch ordentliche Portionen.

„Auf Toilette müssen se schließlich ooch“

Erneuter Ortswechsel: Zur Letzten Instanz, Klosterviertel, die wohl älteste Kneipe Berlins. Rechtsanwalt und Rinderzüchter Gregor Gysi kam früher gerne nach Verhandlungen im nahe gelegenen Amtsgericht hierher. Oberkellner Lutz Frietsche sagt, Gysi habe sogar seine Hochzeit hier gefeiert. Heute komme er nur noch sporadisch, was Frietsche auf Gysis Gesundheitszustand zurückführt. Das letzte Mal sei er dafür mit Oskar Lafontaine da gewesen. Es gab Eisbein und Berliner Pils. Das Prominenten-Stelldichein – neben den Linksfraktionschefs waren auch Gerhard Schröder und Jacques Chirac schon zusammen hier – nimmt der sympathische Oberkellner gelassen: „Auf Toilette müssen se schließlich ooch.“ Tags darauf schreiben wir Gregor Gysi eine E-Mail und fragen ihn nach der Letzten Instanz. Er antwortet prompt: An der Kneipe schätzt er, „dass die Küche dort immer sehr berlinerisch und gut gewesen ist“. Auch die Bedienung sei berlinerisch, was er jedoch nicht weiter kommentieren wolle.

Wir kommen mit Michael und Siemen ins Gespräch. Beide sind WASG-Mitglieder, Siemen sogar geschäftsführendes Mitglied des Landesvorstandes. Sie lehnen eine komplette Verschmelzung ihrer Partei mit der PDS ab, da diese die neoliberale Sparpolitik des Berliner Senats mittrage. Auf Bundesebene stehen die netten Oldies einer Kooperation mit der PDS aufgeschlossener gegenüber, kritisieren allerdings das autoritäre Gebaren der Vordermänner. Dass es die Linkspartei schwer haben wird, sich gegen die Übermacht der Großen Koalition zu behaupten, glaubt Siemen nicht: „Wir werden den neoliberalen Kurs der Regierung anprangern. Wenn es uns gelingt, die Straße zu mobilisieren, bleibt die Opposition nicht stumpf, sondern wird die Regierung unter Druck setzen.“ Beide können sich vorstellen, nach der nächsten Bundestagswahl mit der SPD zu koalieren. „Eine linke Mehrheit ist aber nur möglich, wenn die SPD ihrem neoliberalen Kurs abschwört“, schiebt Michael vorsorglich hinterher.

Inge ist echt sauer auf’s System

Wir trennen uns von Michael und Siemen und finden uns wenig später am Tresen des Torpedokäfers am Prenzlauer Berg wieder. Bevölkert wird die schlicht gehaltene, aber durchaus gemütliche Kneipe von Autonomen und linken Intellektuellen; die ehemalige PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt schaut auch manchmal vorbei. Auf die Frage, welche Strategie denn die Opposition gegenüber der Großen Koalition einschlagen sollte, äußert sich ein Mann namens Inge vernichtend über die im Bundestag vertretenen Parteien: „Alle korrupt!“ Die Leute hätten einfach keine Kohle, „und weil es ihnen Scheiße geht, wird es noch mal so richtig druckvoll kommen“. Allerdings werde die Regierung vorher einen Krieg anfangen, um vom sozialen Elend abzulenken. Inge ist echt sauer. Sauer auf den Staat, sauer auf das System. Etwas differenzierter äußert sich sein Tresennachbar. Er erzählt von den sozialistischen Werten, die sich die Gäste des Torpedokäfers zu bewahren suchten. Eine Antwort, welche Strategie die Opposition verfolgen sollte, hat er aber auch nicht parat.

Lichtenberg. Eine Hochburg der PDS. Im Hinterzimmer des Gasthauses Parkblick wird Darts gespielt. Am Tresen stehen zwei Wimpel, die bei Bedarf hervorgeholt werden können. Einer vom „Skatclub Postmeile“, der andere vom FC Union-Fanclub „Red Scorpions“. Etwas versteckter, Richtung Küche, hängt ein Wandkalender mit Aktfotos. Der halbe Liter Bier kostet 2,10 Euro, zu essen gibt es Bulette mit Kartoffelsalat. Es herrscht hier eine familiäre Atmosphäre.

„Det öffentliche Jeld is halt knapp“

Gerd ist 68 Jahre alt. In der DDR war er Werbeökonom, danach arbeitslos. Gerd wählt immer PDS, nur 1990 nicht, „dit hab ick einfach verschlafen“. Auf unsere Frage nach einer Erfolg versprechenden Oppositionsstrategie erklärt er uns, dass Gysi und Lafontaine nichts erreichen könnten: „So isset halt, det kapitalistische System.“ Obendrein sei „Lafontaine auch schon vom Kapital verhätschelt“. Gerd hat konkrete Vorstellungen, was geändert werden müsse. Beispiel ABM-Stellen: „Die kannste allesamt abschaffen und den jesamten uffjeblasenen Verwaltungsapparat gleich mit. Dafür lieba Vier-Euro-Jobs, damit die Leute wat Sinnvollet tun.“ Nachdenklich setzt er hinzu: „Det öffentliche Jeld is halt knapp, so is det im Kapitalismus. Irjendwie kommste da schnell uff die Positionen der andren Partejen.“

CINQUE – Italienisches Restaurant – Reinhardtstraße 27D
BRECHTKELLER – Restaurant im Brecht-Haus – Chausseestraße 125
ZUR LETZTEN INSTANZ – Altberliner Kneipe und Restaurant – Waisenstraße 14-16
TORPEDOKÄFER – Kneipe – Dunckerstraße 69
GASTHAUS PARKBLICK – Kneipe – Parkaue 32-34

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