Ein neues Medium politischer Kommunikation?

Internet, Internet, Internet

Es war einer der Abende, an die man sich am nächsten Tag nicht mehr so recht erinnern kann. Ich diskutierte mit Bekannten in einer dieser trendigen Berliner Bars bei reichlich guten Cocktails über den Modernisierungskurs der SPD seit dem Regierungswechsel 1998, mein Diplomarbeitsthema. Irgendwie muss das Gespräch einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, denn ich erhielt an einem der folgenden Tage einen überraschenden Anruf. "Willst du nicht online-guide für das Portal Sozialdemokratie bei meome, einem jungen Internet-Unternehmen in der Silicon Street, der Internetmeile Deutschlands, werden?" Was für eine Frage, na klar, wollte ich!

Nun bin ich drin und suche im world wide web nach den besten homepages zum Thema Sozialdemokratie. Die links stelle ich dann bei meome auf meine Internetseite. So finden Internet-Besucher nur die wirklich nützlichen und qualitativ hochwertigen Informationen. Ich erspare ihnen die Suche auf unendlichen Datenautobahnen, denn bereits jetzt existieren über eine Milliarde Webseiten. Des weiteren schreibe ich Artikel zu aktuellen Themen, veröffentliche Interviews mit SPD-Bundestagsabgeordneten und organisiere chats. Daneben kann man mir auch eine Frage zur Sozialdemokratie stellen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine eigene Netz-Community zu bilden.

In Deutschland nutzen laut Spiegel-Online 8,4 Millionen Menschen das Internet. Im Vergleich zu den USA oder Finnland, das sogar schon einen Internet-Minister hat, ist das sicherlich eine geringe Zahl. Aber es werden immer mehr. 17.000 user kommen täglich weltweit hinzu.

Das Internet bringt völlig neuartige Kommunikations- und Informationsbedürfnisse hervor. Auch die deutsche Politik reagiert nun endlich auf die Entwicklung. Ein zwingender und notwendiger Schritt, denn die Bürger handeln zunehmend globaler. Information und Kommunikation kennt heute längst keine Grenzen mehr. Durch Globalisierung und rasant wachsende Vernetzung müssen politische Institutionen stärker und mit neuen Mitteln um den Bürger werben. So hörte ich im Willy-Brandt-Haus gespannt den Ausführungen des Generalsekretärs Franz Müntefering über die Zukunft der digitalen Partei zu. Parteien werden bald in und mit dem Internet ihre Mitglieder verwalten, Spenden einnehmen und neue Beteiligungsformen etablieren, sagt Müntefering. Da drängt sich die Frage auf, ob das Internet überhaupt als politisches Kommunikationsmedium dienen kann. Können beispielsweise Parteien die Potenziale des Netzes für sich nutzbar machen? Ich meine ja. Meine Tätigkeit als online-guide beweist mir täglich, dass es im "globalen Dorf" mehr politisch interessierte Menschen gibt, als von den Medien suggeriert wird. Viele user verwenden das Netz als gezielte Informations- und Wissensquelle und stellen Fachfragen. Diese Beteiligung in der "elektronischen Demokratie" bringt somit erhebliche Chancen für die Politik: Das Internet ist für politische Prozesse nutzbar, gestaltet Entscheidungsprozesse transparenter und ermöglicht es, die 1997 von Peter Glotz konstatierte "Kommunikationsverweigerung" politischer Parteien zu beenden.

Das Internet verspricht neue Formen politischer Kommunikation. Kürzlich lobte beispielsweise Königin Elizabeth II. die Vorzüge des Netzes, denn die Webseite des Königshauses www.royal.gov.uk gehört heute zu den beliebtesten Internetadressen in Großbritannien. So kann das Internet als Sprachrohr neben Medien wie Zeitungen und Fernsehen dienen.

Menschen, die über politische Partizipationsmöglichkeiten frustriert sind, eröffnet das Internet völlig neue Perspektiven. Als user sind sie nicht mehr nur passive Empfänger von Informationen, sondern haben einen direkten Draht zu ihren Volksvertretern: Die meisten Bundestagsabgeordneten informieren bereits auf ihren homepages über sich und ihre Arbeit. Per e-mail treten Bürgerinnen und Bürger mit Abgeordneten in Kontakt und erhöhen damit gegenseitige Bindungen. Politiker bekommen mit dem Internet und der elektronischen Post einen schnelleren Rücklauf auf vollzogene und geplante politische Entscheidungen und werden mit Stimmungen und Meinungen innerhalb der Bevölkerung konfrontiert.

Zudem sind im Internet wichtige Informationen direkter zugänglich. Dokumente und Quellen wie Koalitionsvereinbarungen, Parteiprogramme, Regierungserklärungen etc. lassen sich per Mausklick schnell herunterladen. Aber nicht nur auf Bundesebene, auch im Landes- und Kommunalbereich könnten neue Zeiten anbrechen. Es gibt zwar bereits den "denkenden" Kühlschrank, der mein Speiseangebot kontrolliert und je nach Bedarf per Internet Lebensmittel bestellt und liefert, aber den Antrag auf Führerschein, Lohnsteuerkarte oder Parkplakette via Internet gibt′s noch nicht. Das aber könnte Gänge auf Ämter ersparen, Bürokratie abbauen und das Image von der miefigen deutschen Verwaltung verbessern.


Alles in allem eröffnet das Internet politischen Institutionen neue Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit. Parteien nutzen bereits das Netz für Wahlkämpfe und Kampagnen. In den USA wirbt Al Gore, der demokratische Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im November 2000, mit einer hochwertigen Webseite für seine Politik. Bereits 1996 spielte das Internet bei den amerikanischen Wahlen eine nicht unwesentliche Rolle. Parteien erhalten die Gelegenheit, eigene Mitglieder, die aufgrund veränderter Lebensgewohnheiten und Arbeitszeiten nicht mehr die Zeit haben, sich an Sitzungen zu beteiligen sowie Nichtmitglieder über politische Inhalte und Ziele zu informieren. Damit können Parteien auch mehr jüngere Wähler erreichen. Des weiteren stärkt das Internet die Zivilgesellschaft. Kleine Organisationen, Verbände und Parteien erhalten die Möglichkeit zur politischen Präsentation und Netzwerkbildung.

Das Internet könnte Demokratieprozesse stärken, die Öffentlichkeit sensibilisieren und Diktaturen abbauen. Das Länderbeispiel China verdeutlicht, welche Chancen die Vernetzung bietet: Dissidenten und Oppositionsbewegungen publizieren im Internet fernab jeglicher Zensur ihre Gedanken und erläutern ihre politische Situation. Die erschreckende Zunahme der Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts im Internet zeigt aber auch, welche Gefahren im Netz lauern. Hier ist mehr Kontrolle gefragt.

Politische Kommunikation im Internet stellt eine neue Form der Beteiligung dar. Noch sind nicht alle Voraussetzungen erfüllt. Dazu zählt der Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zu neuen Technologien. Aus diesem Grund sind niedrige Pauschalpreise für den Internetzugang notwendig. Schon in frühen Jahren müssen Kinder mit neuen Medien vertraut gemacht werden. Nur diejenigen, die über ein solides Grundwissen und einen vertrauten Umgang mit den neuen Technologien verfügen, werden im globalen Wissenswettlauf überleben. Politik und Wirtschaft sind deshalb aufgerufen, gemeinsam die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit unsere Gesellschaft nicht in user und looser gespalten wird.

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