Die Sprache der Demokratie

Warum Freiheit und Frieden davon abhängen, wie über die Demokratie gesprochen wird - und weshalb jeder Einzelne dafür Verantwortung trägt

Demokratie ist ohne Sprache nicht vorstellbar, so viel ist sicher. Aber nicht jede Binse ist eine Weisheit, daher soll gleich klargestellt werden: Es führt zu nichts, Demokratie einfach mit der Existenz eines sprachlichen Diskurses über Politik gleichzusetzen. Über Sprache im weiten Sinne, als Kommunikation zwischen Menschen, funktioniert auch jede andere politische Herrschaftsform. Das Sprechen unter Menschen kann alles vermitteln – Befehl, Drohung und Gehorsam so gut wie freie Diskussion, Kritik und Beteiligung. Sprache ist in ihrer gesellschaftlichen Funktion zunächst nur Bedeutungsträger für alles, was Politik und politisch sein kann. Allerdings wird die Sprache als „Dialekt der Politik“ jeweils spezifisch sein für die Gesellschaftsordnungen und politischen Systeme, in denen sie Herrschaftsverhältnisse kennzeichnet, stabilisiert oder verändert.

Gibt es demnach eine „Sprache der Demokratie“, eine, die notwendig und förderlich ist für demokratische Verhältnisse? Und dementsprechend eine andere, die demokratiewidrig ist und sie beschädigt? Schon auf den ersten Blick spricht viel dafür. Das berühmt-berüchtigte Wörterbuch des Unmenschen führt Begriffe und Redeweisen auf, die sich in der deutschen Geschichte als charakteristisch für – zum mindesten – undemokratische Verhältnisse erwiesen haben. Aber lassen sich auch Elemente der öffentlichen Sprache als förderlich oder schädlich identifizieren, die eine solche Wirkung historisch noch nicht bewiesen haben?

»Alles nur gerede, die sollen endlich handeln!«

Dafür ist es zuerst notwendig zu verstehen, dass und wie das öffentliche Sprechen auf die Bedingungen demokratischer Zustände einwirkt. Mit diesem Verständnis steht es nämlich nicht zum Besten, gerade in Deutschland. In unserem allgemeinen Reden über Politik ist eine mal unbewusst vorausgesetzte, mal absichtsvoll eingesetzte Spaltung zwischen Sprache und Handeln anzutreffen, die bereits als solche problematisch ist. Es wird unterschieden nach einem – natürlich immer „kraftvollen“ – „politischen Handeln“ und dem „bloßen Reden“. Das erste gilt als das eigentlich Nötige und Gewünschte, das zweite wird herabgestuft zu etwas Beliebigem, Lästigem, letzten Endes Überflüssigem. Die alltägliche öffentlich-politische Kommunikation ist voll von dieser Dichotomie: „Die“ reden doch nur, „wir“ handeln; der oder jener ist ein „Papiertiger“, weil er Absichten „nur“ sprachlich-textlich verkündet; wer „zerstritten“ ist, indem er öffentlich diskutiert, hat schon verloren; und überhaupt und sowieso: Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!

Das ist ein Zitat – Goethe, Faust I, Vorspiel auf dem Theater –, und in diesem vom (keineswegs nur deutschen) Bildungsbürgertum als besonders „deutsch“ aufgefassten Werk geht es ähnlich weiter: Goethe lässt seinen Faust beim Versuch der Bibelübertragung in dem Textstück „Am Anfang war das Wort…“ den Begriff „logos“ (Wort, Sinn, Vernunft) mit „Tat“ übersetzen. Das mag dort ein philosophisches Problem namhaft machen, aber in der mentalitätsgeschichtlichen Karriere dieser Wendung spiegelt sich auch eine sehr spezifische Haltung zu Staat und Politik wider. Wo politische Entscheidungen nicht als Verhandlungs- und Diskursergebnisse verstanden werden, sondern von irgendwo oben kommen sollen, liegt es nahe, vom Staat verbindliche Taten von höherer Weisheit zu erwarten und den politischen Streit als unangenehm und überflüssig zu empfinden.

Diese Mentalität lebt in einem noch immer nicht ganz begriffenen Gegensatz zu einem fundamentalen Element der Demokratie: der Legitimation, also der permanenten Begründungsbedürftigkeit und Begründung politischer Herrschaftsausübung. Ihre notwendige Bedingung ist sprachliche Kommunikation, Austausch über Gründe und Gegengründe staatlich-politischer Entscheidungsoptionen. Anders lassen sich öffentliche Aufgaben und öffentliches Handeln von den Betroffenen nicht „ver-stehen“, im ursprünglichen Sinne dieses Wortes: Es bedeutet, an der Stelle von jemand anderem zu stehen, dessen Standpunkt gedanklich einzunehmen – probeweise, kritisch, zustimmend, ablehnend oder wie auch immer –, um sich dazu verhalten zu können. Nur so kann das „Handeln“ jenes anderen nachvollzogen und als legitim oder nicht beurteilt werden, und das hat in der Demokratie Konsequenzen.

Beginnend mit der europäischen Aufklärung hat die Anzahl der an diesem Prozess beteiligten Bürger kontinuierlich zugenommen – nicht ohne heftige und manchmal blutige Kämpfe –, bis zu dem die Demokratie kennzeichnenden Status der Mitwirkung potenziell aller an der Legitimation staatlichen Handelns: allgemeines und gleiches Wahlrecht, Meinungs-, Publikations-, Versammlungs-, Parteienfreiheit und die anderen Grund- und Menschenrechte mit ihren Gewährleistungen für die politische Beteiligung.

Worte schaffen Tatsachen

Vor diesem Hintergrund wird klar, warum demokratische Politik nur als friedliche möglich ist: Sie ist nur sprachlich-diskursiv herstellbar und darstellbar. Sobald Gewalt als Mittel der Politik auftritt, ist die gleiche Freiheit der Beteiligten beschädigt oder beendet, der legitimierende Mit- und Nachvollzug unterbrochen oder beschränkt. Das bedeutet, dass „Handeln“ als solches, im Sinne einer bloß physischen Faktenerzeugung, demokratisch nicht relevant ist. Es kann dies nur werden mittels der Bedeutungen, die ihm durch den gemeinsamen Diskurs gegeben werden. So ist der Gegensatz von „Wort“ und „Tat“ unter demokratischen Verhältnissen hinfällig geworden: Die politischen Taten konstituieren sich in Worten, bestehen wesentlich aus diesen, und die Worte der politischen Kommunikation sind als Handlungen wirksam, schaffen Tatsachen. Wer redet, handelt dadurch, wer handeln darf, muss reden. Sprache ist in der demokratischen Gesellschaft nicht mehr nur Vermittlerin von Politik, sondern fällt mit ihr zusammen. Wir haben nicht mehr und wollen (hoffentlich!) nicht mehr den Herrscher, der „handelt“, während die anderen, die Untertanen, über seine Taten reden, klagen, sie deuten, sie bewundern dürfen – alles, nur nicht sie verstehen und mitgestalten.

Was nicht vermittelbar ist, wird nicht gemacht

Bekanntlich ist unsere gesellschaftliche Wirklichkeit durch Politik als Sprache und Sprache als Politik in höchstem Maße bestimmt. Jede politische Programmatik, jede Auseinandersetzung, jede staatliche Maßnahme, jedes Gesetz, alles, was als öffentliche Angelegenheit wahrgenommen wird, ist sprachlich konstituiert. Ein richtiges Wort im richtigen Augenblick kann die Entwicklungsrichtung der Gesellschaft verändern, ein schiefer Begriff eine gute Absicht zunichte machen, eine falsche Wortwahl ein öffentliches Amt kosten. Staatlich-politische Willensbildungsprozesse sind nicht mehr nur begleitet von der Beratung ihrer öffentlichen Erklärbarkeit, sondern bestehen zunehmend aus dieser. Was nicht vermittelbar erscheint, wird nicht gemacht; in hochrangigen Gremien wird oft mehr Zeit auf die Planung der öffentlichen Darstellung der Ergebnisse als auf ihre Erarbeitung verwandt.

So gesehen dürfte öffentliche Sprache keinesfalls zu den Feinden der Demokratie gezählt werden, sondern als deren Freundin behandelt, mehr noch: als ihr innerstes Wesen begriffen und geehrt werden. Aber findet das statt? Gehen wir – und „wir“ meint keineswegs nur die unmittelbar politischen Akteure, sondern wir alle – mit der Sprache in den öffentlichen Diskursen so sorgsam um, wie es angesichts ihrer Wirkungsmacht nötig wäre? Die Frage ist rhetorisch. Wir tun das nicht, im Gegenteil. Die Sprache, mit der in der Politik und besonders über Politik geredet wird – und das Letztere ist ebenfalls Politik –, klingt gelegentlich mehr danach, als sei man sich ihrer Wirkung nicht bewusst oder nehme ungute Wirkungen bewusst in Kauf.

Das mag hinzunehmen sein, soweit es nur sprachlich missfällt. Problematischer wird es, wo der demokratische Diskurs beeinträchtigt, das allgemeine Verständnis fehlgeleitet und zu Kommunikationsstörungen beigetragen wird. Und vollends feindselig für die demokratische Entwicklung kann politisch-öffentliches Sprechen – gerade auch unter demokratischen Bedingungen – nicht nur dann werden, wenn es eben diese Bedingungen direkt angreift (wie es zum Beispiel das Reden über Parlament, Parteien und „das System“ in der Weimarer Republik getan hat), sondern auch dann, wenn es verantwortungslos mit Begriffen, Redensarten, Vergleichen und Bildern operiert, die demokratischen Verhältnissen nicht angemessen sind. Nicht die Demokratie kann eine ihr adäquate öffentliche Sprache gewährleisten, sondern umgekehrt: Die politische Sprache hat ihren Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung demokratischer Verhältnisse zu leisten.

Redeweisen, die mit demokratischen Bedingungen und Zielen nicht kompatibel sind, sie beeinträchtigen, beschädigen oder gar zerstören können, lassen sich in typische Kategorien sortieren, die allerdings graduell ineinander übergehen. Daher kommt es darauf an, nicht nur einen offensichtlich demokratiefeindlichen Sprachgebrauch zu erfassen und zu unterlassen, sondern ganz besonders auch latent unpassendes, unbewusstes, fahrlässiges Reden zu identifizieren, welches auf eine beiläufige, langsame, nicht beabsichtigte Weise die Grundlagen zermürben könnte. Es handelt sich dabei wohlgemerkt nicht um etwas wie eine „öffentliche Aufgabe“ im herkömmlichen Sinne. Wir brauchen keine „Sprachpolizei“, die einen demokratisch korrekten Sprachgebrauch zu überwachen hätte. Im Gegenteil benötigen wir eine wache politische Öffentlichkeit, die es spürt und zur Sprache bringt, wenn sich Redeweisen breitmachen, die Demokratie nicht fördern, sondern von ihr wegführen.

Die »Schwatzbude« und ihre Synonyme

Das fällt heutzutage und vor dem Hintergrund der Geschichte Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ganz leicht, wo es sich um offen und brutal antidemokratische Sprache handelte. Das ist immer zugleich antiparlamentarische Sprache. Die „Schwatzbude“ als Bezeichnung für den Reichstag der Weimarer Verfassung kommt so direkt kaum noch vor, erst recht nicht die Verunglimpfung durch Adolf Hitler, für den das Parlament ein „durch Zufälle zusammengebeutelter Haufen Hohlköpfe und Feiglinge“ war (Mein Kampf). So reden heute allenfalls Rechtsextremisten, aus deren Sprache keine ernste Gefahr für die Demokratie abzuleiten sein wird.

Freilich ist es angezeigt, manche Synonyme zur „Schwatzbude“ zu registrieren. Oben wurde schon angedeutet, wohin das Genörgel „die reden doch nur“ gehört. Es ist begleitet von weniger auffälligen Redensarten wie „endloses Palaver“ oder „reines Theater“ oder (häufiger von links) „bürgerliche Fassade“. Der Übergang von auch mal verständlicher Ungeduld – „wann kommen die endlich zu Potte“ – zu grundsätzlicher Verständnislosigkeit ist gleitend. Nur wäre es wichtig, gegebenenfalls eine Zunahme dieser Attitüde zu erkennen und ihr entgegenzutreten. Dazu kann der zurzeit eindringlich erbrachte Beweis beitragen, dass Mitrede- und Mitwirkungsprozesse vielleicht langsamere, dafür aber langfristig bessere Entscheidungen hervorbringen als das „entschlossene Handeln“ undemokratischer Systeme.

Die Stammtische stehen heute in den Redaktionen

Relativ deutlich zu erkennen ist auch eine demokratieverächtliche Sprache. Dazu gehören, neben dem Querschnittsurteil, Politik überhaupt sei ein „schmutziges Geschäft“, Äußerungen des Genres „Karrieristen“, „Lügner“, „Vetternwirtschaft“ und „Korruption“. Nicht dass dergleichen an manchem Stammtisch beifälliges Nicken hervorruft ist das Problem, sondern dass die Stammtische heute in die Redaktionsstuben der Massenmedien verlängert und von dort gespeist sind. Man spricht dort ein Pauschalurteil wie „die sind alle käuflich“ so nicht aus, aber man führt es unausgesprochen als mentale Voraussetzung für das mediale „Wächteramt“ und den „investigativen Journalismus“ mit: Bei jedem wäre etwas zu finden, wenn man nachbohren würde. Solche Journalisten übernehmen nur zu gern – aufgrund von Eigeninteressen der Medien – den Generalverdacht des Stammtischs und bestätigen ihn. Interessanterweise ist neuerdings in den Medien eine Aufwertung des früher so verachteten Stammtischs zu beobachten: Es handle sich letztlich um begründete Urteile, die „Leute“ hätten ein untrügliches „Bauchgefühl“. Die derzeit für die Tierwelt modische „Schwarmintelligenz“ grüßt von ferne.

Schwieriger zu erfassen, aber längerfristig besonders wirkungsvoll sind Behauptungen, die auf unverzichtbare Elemente dessen zielen, was die parlamentarisch-repräsentative Demokratie ausmacht. Dazu gehört der Vorwurf der „Zerstrittenheit“ bei jeder öffentlichen Diskussion politisch-programmatischer Unterschiede innerhalb einer politischen Einheit – Partei, Regierung, Koalition, Führungsgremien jeder Art. Werden die Kontroversen zwischen programmatisch gegensätzlichen Einheiten ausgetragen, firmieren sie unter „Parteiengezänk“, zumal ja Politik überhaupt „nur parteipolitisch“ motiviert sei. Einigt man sich aber durch gegenseitiges Nachgeben oder die Mitberücksichtigung abweichender Vorstellungen, stellt die Entscheidung einen „faulen Kompromiss“ dar, mit dem die eigentlichen Ziele „verwässert“ wurden. Folglich zeigt eine Führungspersönlichkeit, die Debatten und Kompromisse nicht sofort unterbindet, nichts als „Führungsschwäche“. Wenn sie sich durchgesetzt, dies aber aus Rücksicht auf die weitere Zusammenarbeit nicht triumphal verkündet, hat sie ein „Vermittlungsproblem“. Begehrt werden stattdessen „charismatische Persönlichkeiten“, die „kraftvoll führen“.

Ferner wird das unter der Prämisse der demokratischen Legitimation unerlässliche Bemühen, zwischen zahlreichen gegenläufigen Interessen zu vermitteln und zu staatlichen Entscheidungen zu kommen, die akzeptierbar und in die Tat umsetzbar sind, unweigerlich unter „Lobbyismus“ kategorisiert, der gegen das „Gemeinwohl“ agiere. Falls aber Interessen – nämlich die je eigenen – nicht berücksichtigt werden, sind die demokratisch gewählten Politiker „bürgerfern“ und „abgehoben“ (statt dass sie „dem Volk aufs Maul schauen“ und so seinen „wahren Bedürfnissen“ besser gerecht werden, freilich ohne ihm „nach dem Munde zu reden“).

Ergänzt und unterstützt werden derlei demokratieschädliche Sprüche durch scheinwissenschaftliche Analysen, denen zufolge im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik die „Gewaltenteilung“ fehle, der „Fraktionszwang“ herrsche und der Parlamentarismus überhaupt im Niedergang begriffen sei (seit nunmehr über sechzig Jahren), zumal „früher“ ja alles besser war – bessere Redner, unabhängigere Persönlichkeiten, stärkere politische Leidenschaft. Leider werden diese Redensarten auch von Politikern selbst verwendet und dadurch bestätigt, beispielsweise mit der besonders törichten Verlautbarung, bei einer Bundestagsentscheidung, für die die Fraktionen keine geschlossene Meinungsbildung herbeiführen wollen oder können, sei der „Fraktionszwang aufgehoben“.

Manchmal hilft schon ein einziger Blick in die Welt  

Diese etwas karikaturartige Zusammenstellung zeigt ex negativo ziemlich genau, was Demokratie ausmacht: das unbehinderte Geltendmachen von Interessen; freier öffentlicher Austrag der Kontroversen; Minderheitsrechte und Verhandlungen statt stumpfer Durchsetzung der Mehrheit; Einbindung zahlloser Interessen in möglichst breit akzeptierbare Entscheidungen; dauernde öffentliche Erläuterung und Werbung für politische Vorhaben und Positionen zwecks Meinungsbildung der Bürger. Dies alles sollte, wenn es nach jener beschriebenen Sprache ginge, nicht stattfinden. Sie ist gespeist von vordemokratischen Begriffen, und mit diesen Begriffen sind Vorstellungen von Politik und Staatsführung verknüpft, denen keine Realität mehr zugrunde liegt, weder in unserer Verfassung noch in den gesellschaftlichen Gegebenheiten.

An dieser Stelle liegt der Kern der schon angesprochenen Ungeduld. Darin verbirgt sich der Unwille, demokratische Bedingungen auch und gerade dort wirklich gelten zu lassen, wo andere als eigene Interessen und Vorstellungen betroffen sind. Jeder hat, geleitet von diesen, seine persönlichen Richtigkeitsüberzeugungen für Politik im Kopf. Aber es fällt schwer, dies auch jedem Mitbürger zuzugestehen, das heißt zu begreifen, dass jeder Bürger eines Achtzig-Millionen-Volkes einen Anspruch von genau einem Achtzig-Millionstel darauf hat, dass die Politik und ihre Ergebnisse gerade seinen Vorstellungen entsprechen. Wer mehr will, muss mehr tun: sich mit anderen engagieren, in einer Partei oder einem Verband arbeiten, ein Mandat anstreben, um auch für andere sprechen zu können. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, aber man muss sie nutzen. Auch demokratische Politik ist nicht perfekt darin, jedermann nur das Gewünschte zu servieren – andere politische Systeme haben das erst recht nie getan und tun es auch heute nicht. Ein Blick in die Welt genügt, um den Unterschied zu begreifen.

Sprache ist verräterisch. Sie entlarvt sogar solche Attitüden, die sich besonders demokratiebewusst geben, aber in Wahrheit egozentrisch um die eigenen Wünsche kreisen. Wer jede kontroverse Meinungsäußerung als „Widerstand“ deklariert, sich ewig als „ungehorsam“ und „aufmüpfig“ definiert und dauernd etwas „einzufordern“ hat, ist der vordemokratischen Weltsicht ebenfalls noch nicht ganz entkommen, indem er noch immer den lange überwundenen Obrigkeitsstaat bekämpft. Demokratie ist eine ungeheure, geschichtlich eher unwahrscheinliche Kulturleistung: die Verfasstheit von Freiheit und Frieden. Sie gewährleistet nicht nur, eine Regierung mit Zustimmung des Volkes einzusetzen, sondern sie auch wieder loszuwerden, „ohne dass ein Schuss fällt“ (Karl Popper), nämlich allein durch öffentliches Reden. Auch um das zu würdigen, genügt ein Blick in die Welt. Diese Leistung steht und fällt mit der Sprache, die in der und über die Demokratie gesprochen wird. Und für die trägt jeder Verantwortung. «

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