Der Karrierezug fährt ohne Eltern

Theoretisch lassen sich Beruf und Familie heute prima vereinbaren - die rechtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen sind besser denn je. Praktisch spricht trotzdem fast alles gegen Kinder. Was läuft schief?

Die Beschäftigung mit dem Konflikt zwischen Karriere und Familie erlebt in Publizistik und Wissenschaft derzeit eine neue Hausse. Zwei Fragen drängen sich dabei auf: Warum eigentlich, so lautet die erste, sollte dieses Problem - ganz im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern - in der hochentwickelten, reichen Industriegesellschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht lösbar sein? Und zweitens: Was unterscheidet diese beiden gesellschaftlichen Bereiche überhaupt so sehr voneinander - mit dem Ergebnis, dass sie sich nur schwer vereinbaren lassen?

Die Frauenbewegung hat einen entscheidenden Anteil daran, dass Frauen heute andere Lebensentwürfe haben als die Generation ihrer Mütter und Großmütter. Sie wollen ihre guten schulischen und beruflichen Qualifikationen nutzen und diese nicht durch ein Dasein ausschließlich als Hausfrau und Mutter entwerten. Noch bis in die siebziger Jahre schieden Frauen aus dem Arbeitsleben aus, sobald sie ein Kind bekamen. Der gesellschaftliche Druck, der zu solchem Verhalten nötigte, zeigte sich in Begriffen wie "Rabenmutter" für berufstätige Frauen und "Schlüsselkinder" für Kinder, auf die nach der Schule keine Mutter wartete. Seitdem die Pille vor 35 Jahren ihren Siegeszug angetreten hat und Geburtenkontrolle wirksam möglich ist, verschieben Frauen den Zeitpunkt der Mutterschaft und sind tendenziell weniger bereit, Kinder zu bekommen. Die schlechten Bedingungen, Beruf und Kinder miteinander zu verbinden, werden als Ursache hierfür genannt.

Eigentlich wird alles immer besser

Dabei werden die Bedingungen für die Vereinbarkeit von beidem auf den ersten Blick durchaus besser; Tendenzen einer neuen Ökonomie scheinen sich sogar günstig auszuwirken. In den letzten 20 bis 30 Jahren hat sich die Arbeitswelt erheblich verändert: Die Wochenarbeitszeit ist heute geringer und die Arbeitszeiten sind variabler. Es gibt gesetzliche Ansprüche auf flexible Elternzeit (teilweise mit Erziehungsgeld) sowie auf Teilzeitarbeit. Noch bis Ende der siebziger Jahre mussten Frauen acht Wochen nach der Geburt entscheiden, ob sie ganz in den Beruf zurückkehren wollten - oder gar nicht.

Drei weitere Trends könnten die Entscheidung für Kinder leichter machen. Erstens verschiebt sich der Zeitpunkt nach hinten, zu dem Frauen Kinder bekommen; Frauen werden Mütter, wenn sie beruflich Tritt gefasst haben. Zweitens werden Frauen heute von der Wirtschaft gezielt nachgefragt: Kein Arbeitgeberverband, der nicht in Hochglanzbroschüren seine Modernität zu belegen trachtete, indem er Frauen als Mitarbeiterinnen umwirbt; kein Großunternehmen, das nicht das großartige Potential von Frauen erschließen wollte. Gern wird mit Führungspositionen gewinkt - für die Vereinbarkeit von Elternschaft und Karriere sei gesorgt, heißt es. Drittens haben Väter eine sichtbar verantwortungsvollere Rolle in der Kinderbetreuung übernommen.

Das Kind in der Gegenströmung

Wo also liegt eigentlich das Problem? Warum führen die Verbesserungen der Bedingungen nicht zu einer Umkehr des Trends beständig sinkender Geburtenrate? Offenbar muss es bei allen gesellschaftlichen und rechtlichen Verbesserungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf weniger leicht erkennbare Gegenströmungen geben, welche die Präferenzen für oder gegen Kinder aber viel deutlicher bestimmen.

In den Unternehmen hat der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechniken in den vergangenen 20 Jahren eine regelrechte Revolution ausgelöst. Alle Unternehmen straffen ihre Abläufe, beseitigen Puffer, verdichten die Arbeit. Der Arbeitsalltag ist anstrengender geworden. Flexibilität begünstigt private Arrangements, verlangt aber in gleichem Maße, betriebliche Belange zu berücksichtigen - etwa Auftragslagen oder beschränkte Zeitfenster, die der Kommunikationsbedarf mit anderen Zeitzonen der Erde bedingt. Mit jeder technischen Neuerung oder betrieblichen Reorganisation werden Anpassungsqualifizierungen notwendig. Sie verlagern sich oft in die Freizeit. Die Zahl der Beschäftigten im Schichtdienst steigt ständig. Die ehedem starren Grenzen zwischen Berufstätigkeit und Freizeit haben sich aufgeweicht, die Berufswelt dehnt sich in die Abendstunden und ins Wochenende aus.

Im Berufsverlauf kommen Erwartungen an den Wechsel von Einsatzorten hinzu. Bei der Beschäftigung in Dienstleistungsbranchen verlagert sich der Arbeitsort zum Kunden hin. Galt noch vor wenigen Jahren die lebenslange Beschäftigung in einem Betrieb als positives Verhaltensmuster, so gibt es heute ein neues Leitbild. Der Wechsel von Arbeitgebern wird zum Erfolgsmuster im Berufsverlauf - sei es, um Erfahrungswissen zu addieren oder um auf der Karriereleiter nicht stehenzubleiben. Durch das Aufbrechen fester Zeitstrukturen und zunehmende räumliche Mobilität lösen sich soziale Bindungen bei den im Beschäftigungsprozess stehenden Bevölkerungsgruppen. Dabei werden kritische Grenzen nicht erst erreicht, wenn diese Muster 50 Prozent der Erwerbstätigen betreffen, sondern bereits deutlich früher.

Auf den Arbeitsmärkten hat die Konkurrenz zugenommen. Die hohen Erwerbslosenzahlen zeigen konjunkturelle und strukturelle Arbeitslosigkeit auf. In deren Logik liegt, dass die weniger Leistungsfähigen und nicht marktgerecht Qualifizierten an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die Marktdynamik hat dazu geführt, dass ehedem erfolgreiche Unternehmen vom Markt verschwunden sind. Ein Blick in den Wirtschaftsteil jeder Tageszeitung zeigt, dass beständig Unternehmen reorganisiert und Unternehmensteile verkauft werden. In der Folge nimmt das Beschäftigungsrisiko auch für Personen mit hoher Basisqualifikation zu. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit führt dann auch zu Unsicherheiten bezüglich der eigenen Arbeitsmarktposition.

Wenn der Markt das Leben regiert

Für jeden Einzelnen gilt das Erfordernis, sich nach den Spielregeln des Marktes zu verhalten. Es kann sich morgen negativ auswirken, wenn heute eine Qualifikation (die auch Wochenendkurse bedeutet) unterbleibt, wenn der Wechsel an einen anderen Standort abgelehnt wird, wenn ein Angebot auf eine höherwertige Tätigkeit nicht angenommen wird.

Unter dem Begriff des Shareholder value wird in unserem Wirtschaftssystem der Primat der Kapitalanlegerinteressen über die im Arbeitsprozess Beschäftigten verstanden. Dieses Leitbild hat die Gleichwertigkeit von Arbeit und Kapital abgelöst, für welche der Begriff Soziale Marktwirtschaft stand. Den Gipfel dieser Entwicklung stellt, so gesehen, die Neue Ökonomie dar. Die Beschäftigten der Start-ups, die oft auch am Unternehmenserfolg durch Aktienoptionen beteiligt sind, trennen nicht mehr zwischen Arbeits- und Privatsphäre. Gearbeitet wird rund um die Uhr. Arbeit soll Spaß machen, macht Spaß und ersetzt Freizeitaktivitäten. In dieses Ökonomiemodell passen Familien und Kinder nicht mehr.

Extremsportarten sind wichtiger

Mit dieser Logik des Shareholder value wird das Familienleben konfrontiert. Unter dem Begriff Familie versteht man Lebensgemeinschaften von Eltern und Kindern. Vereinbarkeit von Familie und Beruf heißt, dass beide Elternteile oder auch Alleinerziehende berufstätig sind, Karriere machen können und gleichzeitig ihre Kinder verantwortungsvoll versorgen können. Auf den ersten Blick wird deutlich, dass längere Arbeitszeiten oder zeitliche Verlagerungen von Arbeitszeiten auf den Abend oder das Wochenende die regelmäßige Wahrnehmung sozialer Kontakte im Freundeskreis, die Übernahme sozialer Verpflichtungen - etwa für ältere Familienangehörige - oder die Aktivität im Gemeinschaftsleben erschweren. Zugleich wird vielfach der Rückzug von Menschen aus freiwilligen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten beklagt.

Mit den veränderten Anforderungen im Arbeitsleben hat sich auch die Freizeitgestaltung gewandelt: Individuelle Erlebnisse und Funorientierung, Traumurlaube und Extremsportarten stehen an der Spitze der Präferenzen. Diese Vorlieben folgen einer Logik des Konsums und lassen sich kaum mit Bindungen und dem Dasein für andere vereinbaren. Es gibt aber keine tiefere und längere Bindung, als die Entscheidung für Kinder. Sie währt 20 Jahre und länger. Im Säuglings- und Kleinkindalter brauchen Kinder sogar totale Fürsorge - und ihre Bedürfnisse lassen sich nicht aufschieben.

Unsere verstädterten Lebensweisen haben - im Vergleich der vergangenen 50 Jahre - viele Formen der Kinderbetreuung im öffentlichen Bereich zerstört. Die Verfasser kennen noch das Aufwachsen im Dorf mit Spielgemeinschaften jüngerer und älterer Kinder und Hilfsdiensten für Kinder durch die Nachbarschaft oder zahlreiche Verwandte. Das alles ist verschwunden, und es gibt keinen Ersatz dafür. Ist man berufsbedingt erst einmal mehrfach umgezogen und kann nicht auf die eigenen Eltern zurückgreifen, ist das Aufziehen von Kindern völlige Privatsache. Gemeinschaften mit anderen Eltern stellen sich - außer in Neubausiedlungen - kaum noch in derselben Straße her, weil Eltern mit Kindern hier die Ausnahme sind. Betreuungsmöglichkeiten müssen individuell organisiert werden. Selbstorganisierte Einrichtungen wie Krabbelstuben, Kinder- und Schülerläden bringen neben aller Entlastung auch eine Fülle von Belastungen wie Elternabende oder die Verantwortung für Organisation, Kochen oder Reinigungsarbeiten mit sich.

Die Grundschulalterelternkatastrophe

Nur geringfügig ändert sich das Bild mit dem Eintritt in den Kindergarten. Betreuungszeiten, die mit der zeitlichen Beanspruchung eines normalen Arbeitstages kompatibel sind, gibt es selten - wohl den Paaren, bei denen einer Lehrer ist! Betreuungszeiten, die auch besondere Belastungen auffangen können, sind - wie etwa bei Kindergärten für Beschäftigte im Schichtdienst oder im Krankenhaus - die Ausnahme.

Das Grundschulalter ist für Eltern eine Katastrophe. Geringe Unterrichtszeiten, lange Ferien, kaum betreute Grundschulen - das verlangt nach teuren privaten Arrangements. Auch im Sekundarschulalter benötigen Kinder ihre Eltern spontan und ungeplant. Krankheiten oder Unfälle verlangen Präsenz, besondere Ereignisse in der Schule, im Freundeskreis oder bei Aktivitäten wollen mitgeteilt werden. Vieles geht telefonisch - aber Zeit kostet es immer.

Keines dieser Probleme ist neu. Verändert aber hat sich aufgrund der räumlichen Mobilität, dass berufstätige Eltern mit der Problembewältigung auf sich gestellt sind. Sind beide Eltern berufstätig, müssen viele Dienstleistungen "zugekauft" werden. Die Angebotsstruktur ist fragmentiert. Viele Dienstleistungsverhält-nisse sind von kurzer Dauer: Babysitter ziehen um, Betreuungspersonen wechseln in sicherere Jobs, Au-pairs verlassen die Familie nach einem Jahr - sofern sie überhaupt so lange bleiben. Auch mit viel Geld sind verlässliche Strukturen kaum aufzubauen. Personen aus versteuertem Einkommen markt- und regelgerecht zu vergüten, ist in Städten kaum möglich.

Wer umzieht, erlebt den Familien-Gau

Eltern sind zu Hause stark belastet, zeitlich wenig flexibel und haben den Kopf selten völlig frei. Nur äußerst robuste Naturen schaffen es, sich Arbeit aus dem Büro mit nach Hause zu nehmen und sie zu bewältigen, bevor das Schlafbedürfnis siegt. Längere Dienstreisen führen zu Krisen oder zum Einsturz des Versorgungsgebäudes. Der Umzug eines Partners in eine fremde Stadt ist der Super-Gau für das fragile Gebilde Familie: Eine neue Wohnung muss gefunden und eingerichtet werden, die Tätigkeit an neuen Arbeitsplätzen ist zu organisieren, neue Kindergärten oder Schulen müssen ausfindig gemacht werden, an die sich die Kinder oft nur mühsam gewöhnen. Neue Kinder- und Zahnärzte müssen gefunden werden, ebenso neue Sportvereine, und es sind Kinderfrauen und Babysitter zu rekrutieren.

Von den finanziellen Belastungen ist dabei noch nicht einmal die Rede gewesen: Kinderlose Menschen ahnen nicht, was Kinder heute kosten. Hier ist nicht einmal gemeint, dass Wohnungen mit Kinderzimmern größer sein müssen, dass Urlaubsreisen mit mehr Köpfen und zur Hochpreisreisezeit teurer sind, dass Kinder bekleidet und ernährt werden müssen. Hier ist die Rede vom Lebensstandard der Kinder in einer reichen Konsumgesellschaft. Kinder sind Zielgruppe von Marketingspezialisten, geschätzte und umworbene Konsumenten. Da hilft den Eltern nicht der Verweis auf die Zeit der eigenen Kindheit, als es noch keine Fahrräder für jedes Alter gab, als noch nicht jede Sportart eigene Bekleidungsvorschriften hatte, als der Kin-dergeburtstag nicht als aufwendiges Event zelebriert werden musste. Heute zählen Computer, Sportgeräte, Fahrräder, Gameboys, Handys und reichlich Spielzeug zur ganz normalen Ausstattung. Das ist der Tribut an den Wohlstand, in dem die Eltern leben - eben auch nicht mehr so bedürfnisreduziert wie die eigenen Eltern.

Der Kindergarten als Fitnesscenter

Was treibt Eltern zu diesen vielen Aufwendungen? Unsere Kinder müssen fit gemacht werden für den Konkurrenzkampf in einer Ökonomie, die sich immer mehr beschleunigt. Die Vorbereitungen dafür beginnen im Vorschulalter mit Schwimmkursen, mit musikalischer Früherziehung oder motorischem Training. Im Gymnasium ist der individuell organisierte Sprachaufenthalt im Ausland in der elften Klasse fast selbstverständlich. Dazwischen liegen vielfältige Versuche, Begabungen zu fördern oder Bemühungen, den Anschluss an Leistungskurse oder an die Gleichaltrigen nicht zu verlieren. Am Horizont zeichnen sich japanische Verhältnisse ab, in denen schon Kindergartenkinder fit gemacht werden für die besten Grundschulen, um den späteren Berufserfolg zu sichern. Was vielen Kindern an Freizeitprogrammen scheinbar freiwillig und in persönlichkeitsfördernder Absicht zugemutet wird, ist ein Abbild der Leistungsorientierung des Berufslebens.

Betrachtet man Berufsverläufe von engagierten Eltern und vergleicht sie mit jenen kinderloser Kollegen, so zeigt sich, dass Eltern deutlich geringere Chancen auf berufliche Weiterentwicklung und Aufstieg haben. Auch Frauenförderprogramme - etwa in Rundfunkanstalten oder Großunternehmen - haben vor allem kinderlosen Frauen bessere Karrierechancen beschert. Aktive Elternschaft und Karrierechancen scheinen in Führungsfunktionen der Privatwirtschaft wie auch des öffentlichen Dienstes unvereinbar. Dies erscheint umso absurder, als in der Personalentwicklung der Unternehmen "weiche Faktoren" wie soziale und emotionale Kompetenz oder Empathie immer wichtiger werden. Das aber sind genau die Eigenschaften, die Eltern im Zusammenleben mit Kindern reichlich erwerben. Führungskräfte werden zu aufwendigen Trainings geschickt, um solche Kompetenzen zu erlernen.

In Projekten mit Namen wie "Seiten-Wechsel" sollen sie mit Schwerkranken oder Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten Umgang pflegen. So, meint man, könnten sie innerhalb weniger Tage lernen, diese Menschen zu verstehen und von ihnen als Gesprächspartner anerkannt zu werden. Warum sucht man nicht gleich jene für diese Positionen, die alltäglich belegen, dass sie diese Fähigkeiten besitzen? Die Auflösung des Rätsels ist einfach: Man interessiert sich für diejenigen, die die Techniken beherrschen - nicht aber für Menschen, die eine dauerhafte Bindung an Personen haben, welche ihrerseits Aufmerksamkeit fordern und damit den immer weiter gehenden Anforderungen des Arbeitgebers Grenzen setzen.

Was der Staat heute leisten muss

Wenn der Karrierezug also zumeist ohne die engagierten Eltern abfährt, was motiviert beide Elternteile dann überhaupt, trotz der gesteigerten Belastung im Beruf zu bleiben? Beide wollen berufliche Positionen, in denen sie ihr Können einsetzen und entfalten können. Dazu ist Teilzeitarbeit noch immer keine Alternative, denn diese Arbeitszeitform wird oberhalb einer bestimmten Ebene der Verantwortung stigmatisiert. Unter dem Strich ist für die Ehepaare mit zwei Einkommen daher - neben höheren Bezügen - wichtig, dass diese Lebensform die gewünschte gleichgewichtige Partnerschaft erleichtert. Die ausschließliche Beschäftigung mit Haushalt und Kindern ist letzlich eine eklatante Unterforderung beruflich qualifizierter Menschen - da ist es besser, wenn keiner Karriere zu Lasten des anderen macht. Wenn beide im Erwerbsleben stehen, kennen Sie die Probleme des Berufsalltags - eine gute Basis für die Partnerschaft. Und es gibt Situationen im Job, bei denen es entlastend ist, nicht allein die Verantwortung für die materielle Absicherung zu tragen.

Kein Zweifel, trotz aller Belastungen sind Kinder der schönste Luxus, den es gibt - in doppeltem Sinne: extrem kostenaufwendig (nach Berechnungen übersteigen die Kosten eines Kindes die eines Einfamilienhauses), aber auch extrem befriedigend. Kinder zu haben ist ein großer Reichtum in emotionaler Hinsicht. Kinder geben vieles, was die Arbeitswelt kaum bietet und was auch nicht zu kaufen ist: Zuwendung, Liebe, Vertrauen, Lebensfreude und Lebenssinn. Die Forderung an die Politik lautet deshalb einzig, auch unter den Bedingungen der heutigen Ökonomie die Option für ein Zusammenleben mit Kindern in jedem Lebensalter zu verbessern. Wie müsste eine Politik aussehen, die die Bereitschaft fördert, Kinder zu haben? Die Gesellschaft und Arbeitswelt kinderfreundlicher macht?

Es geht nicht um bevölkerungspolitische Maßnahmen, um zu verhindern, dass die Deutschen aussterben. Zur Verbesserung reichen steuerliche Begünstigungen nicht aus, wenngleich es förderlich ist, dass das Bundesverfassungsgericht der Finanzpolitik vorgeschrieben hat, der geminderten wirtschaftlichen Leistungskraft von Eltern im Vergleich zu Ledigen oder kinderlosen Verheirateten Rechnung zu tragen. Die Aufgabe des Staates besteht darin, Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zu bieten: längere Öffnungszeiten der Kindergärten, verlässliche Öffnungszeiten der Schulen, Betreuung und Hausaufgabenhilfe am Nachmittag, Spielangebote für Kinder ohne Konsumzwang, Ferienfreizeiten für Kinder mit 14 Wochen Ferien, deren Eltern aber nur sechs Wochen Urlaub haben.

Computer in Schulen mit leckem Dach

Keine dieser Forderungen ist neu oder gar revolutionär. Im Gegenteil, das alles wird seit 20 oder 30 Jahren gefordert und findet sich in Beschlüssen von Parteien, Gewerkschaften, Kir-chen und Verbänden. Die Grundschule, die ihre Kinder morgens um zehn wegen Lehrerausfalls nach Hause schickt, mutet wie ein Fossil aus alten Zeiten an. Wahrscheinlich wird es den vereinten Anstrengungen von Politik und Wirtschaft gelingen, sämtliche Schulen mit Computern auszustatten - während es in diesen Gebäuden, deren Wände seit 20 Jahren nicht gestrichen wurden, durchs Dach regnet. Verlässliche Öffnungszeiten werden weiter mit dem Argument verweigert, sie seien nicht zu finanzieren. Diese Prioritätensetzung ist vielsagend - und der Geburtenrückgang, so gesehen, eine bemerkenswert folgerichtige Konsequenz.

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