Bündnis 18

Als Claudia Roth und Joschka Fischer einmal im Urlaub waren

Verhandelt wird nachts. Wenn Jürgen W. Möllemann vom Hängen am Fallschirm zum Abhängen an der Theke gewechselt hat und hoffentlich nicht stört. In kleinen Gruppen, mit hochgeschlagenen Mantelkrägen und schnellen Schrittes eilt die Schar der Verschwörer im Schutze der Dunkelheit in den ehemaligen Weinkeller des Adlon unter der Rasenfläche des Pariser Platzes. Bombensicheres Ambiente. Jede Tasche, jeder Aktenkoffer, jedes Jutebeutelchen enthält mehr Sprengstoff, als den BesitzerInnen lieb sein kann. Wir horchen rein:

(Der Vorhang geht auf)

Guido (blickt ernst in die Runde und erhebt sich): "Liberalismus! Träger und Erbe der demokratischen Revolutionen in Amerika und Frankreich. Freiheit und Würde." (Er verharrt und setzt sich wieder.)

Rezzo: "Danke, Guido! Wichtige demokratische und emanzipatorische Ansätze wurden unterdrückt und im Nachkriegsdeutschland marginalisiert. Geschichte wurde verdrängt!"

Guido: "Sozialismus und Konservatismus kennen diesen Vorrang der Freiheit nicht."

Trittin: "Das mit dem Sozialismus können wir so nicht stehen lassen."

Pieper: "Doch, doch!"

Trittin: "Die alten Ideologien sind brüchig geworden. Das kann ja heiter werden."

Rezzo: "Zur Sache! Wir müssen mit dem Programm zu Ende kommen. Wie soll die Überschrift lauten? Ich schlage vor: Chance des Wandels.

Werner Maihofer: "Prima, das klingt fetzig!"

Jutta Ditfurth: "Jausa, jausa, wir haben einen neuen Papst."Trittin: "Halt′s Maul."

Pieper: "Doch, doch!"

Guido: "Individualität und Selbstbewusstsein verbunden mit einem Freizeitverhalten, das sich an Lebensfreude orientiert, setzen immer höhere Erwartungen in das, was Politik leisten kann."

Künastkuhn: "Zusammen sind wir stark."

Rezzo: "Ich schlage also vor: Bündnis 18/Die Grün-Blauen - Chance des Wandels."

Maihofer: "Ja! Das ist es. Die liberale Position: die richtige Mitte."

Trittin: "Und wo bleibt der Sozialismus, bitte schön?"

Guido: "Wir sind gegen Kollektive und gegen den Strom. Wir sind für den Einzelnen."

Trittin: "Gegen Strom bin ich auch, okay."

Künastkuhn: "Die Lösung der ökonomischen Probleme muss Hand in Hand gehen mit ..."

Pieper: "Ja, dazu kommen wir später, doch, doch."

Rezzo: "Klasse, dann haben wir das auch klar. Sonst noch offene Fragen?

Guido: "Geht es auch andersrum? Ich meine: Die Blau-Grünen/ Bündnis 18?"

Maihofer: "Und wo bitte bleibt dann die Chance des Wandels?"

Trittin: "Nix is, Guido! Das mit den 18 Prozent muss vorn bleiben."

Lambsdorff (wacht auf): "Niemand hat die Absicht, hier eine Mauer zu bauen. Nur für den Liberalismus ist Freiheit unteilbar."

Pieper: "Doch, doch."

(Unter Getöse und in Begleitung der Berliner Philharmoniker, die Auszüge von Don Giovanni spielen, bricht Jürgen W. Möllemann durch die Tür.)

Möllemann: "Ein Gespenst geht um in Europa."

Trittin: "Ich weiß."Möllemann: "Dich meine ich nicht."

Künastkuhn: "Die innere Verfasstheit unserer Gesellschaft ist Besorgnis erregend."

Adam Smith: "Je freier und umfassender der Wettbewerb ist, umso mehr Vorteile hat die Öffentlichkeit."

Möllemann: "Jausa, jausa, wir haben einen neuen Papst."

Trittin: "Er hat nicht dich gemeint"

Rezzo: "Nun, ihr Lieben, kommen wir zum Ende. Der Wandel von Bewusstsein und Strukturen muss Hand in Hand gehen."

Künastkuhn: "Das war′s, was wir sagen wollten."

(Feierlich erheben sich die Verschwörer. Sekt wird gereicht. Man prostet sich zu. Der Bundestagspräsident tritt hinzu.)

Wolfgang Thierse: "Und wo wollt ihr nun sitzen?"

Alle im Chor: "Hauptsache im Bundestag."

(Der Vorhang geht nieder.)

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