Beste Werbung für den "German Way of Life"

Die Filmförderung wird oft als teure Subvention für brotloses Kulturschaffen missverstanden. In Wirklichkeit handelt es sich um eine aktive Investition in Deutschlands Zukunft

Eigentlich müsste man die Buchstaben „BABELSBERG“ metergroß in die Hügel des Babelsberger Parks stellen. Denn bei der jüngsten Oscar-Verleihung wurden allein vier der begehrten Trophäen nach Babelsberg vergeben, genauer natürlich an den Film Grand Budapest Hotel. Dabei erfolgten die Auszeichnungen in genau den Kategorien, in denen die spezifischen Babelsberger Stärken wie Szenenbild, Musik, Kostüme und Makeup honoriert wurden.

Es geht um Kunst und Kreativität – aber nicht nur

Natürlich ist der Oscar nicht alles. Die Auszeichnungen belegen jedoch: Deutschland ist in den vergangenen Jahren zu einem Standort der Filmindustrie geworden, der weltweit für Aufmerksamkeit sorgt. Das kam weder von allein, noch ist es ein Selbstläufer. Denn „Filme machen“ hat zwar vor allem viel mit Kunst und Kreativität zu tun – aber eben nicht nur. „Filme machen“ ist heute auch eine Industriebranche, die in Deutschland mehrere tausend Arbeitsplätze schafft und sichert. Der Film ist nicht nur ein Kultur-, sondern zugleich auch ein Wirtschaftsgut. Die deutsche „Filmindustrie“ genießt zwar nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die deutsche Maschinenbauindustrie – verdient hätte sie diese Beachtung aber durchaus. Während der Begriff „Industrie 4.0“ bezogen auf die Produktion materieller Güter täglich durch die deutschen Gazetten geistert, brauchen wir auch für die Filmindustrie nichts anderes als eine adäquate Industriepolitik. Filmförderung ist damit nicht nur eine kulturpolitische Aufgabe, sondern auch eine wirtschaftspolitische – und zwar für den Bund und die Länder gleichermaßen.

Wo über Filmförderung geredet wird, da kommt es schnell zu abwinkenden Handbewegungen und dem üblichen Geraune über „brotlose Kunst“ oder „teure Subventionen“ für den Kulturbetrieb. Doch gerade hier lohnt ein zweiter Blick. Ja, es ist wahr: Die Filmindustrie ist hungrig nach Subventionen. Und mit diesem Hunger ist sie international unterwegs. Denn mittlerweile haben Länder wie Großbritannien, Ungarn oder Kroatien den Mehrwert des Filmemachens erkannt. In den Vereinigten Staaten betreiben fast alle Bundesstaaten eigene Filmförderprogramme – und hoffen, damit Filme von Hollywood nach Louisiana oder Georgia zu locken. Wird ein Film gedreht, bedeutet das nicht nur Jobs und Steuern, sondern im günstigsten Fall eben auch „name recognition“. Wenn ein neuer James Bond Jagd auf das Böse macht – und er tut das in Istanbul, Siena oder Miami –, bedeutet das für diese Städte eben auch, dass der eine oder andere Zuschauer sich auch im richtigen Leben für sie interessiert.

Wie »Iron Hat City« ganz plötzlich berühmt wurde

Es geht bei der Filmförderung nicht darum, Tom Hanks mit Steuergeldern besonders hohe Gagen zu sichern. Tom Hanks sieht davon im Zweifel wenig. Filmförderung in Deutschland kann vier andere Ziele erreichen:

Erstens: Warum sind die Vereinigten Staaten von Amerika heute nach wie vor eines der beliebtesten Länder der Welt – und das trotz Irak-Krieg, NSA oder Afghanistan? Es hat viel mit dem „American Way of Life“ zu tun, mit der Art und Weise, wie die USA ihre Werte und ihre Lebensart in die Welt transportiert. Das geschieht über Marken wie Apple oder Facebook und sicherlich auch über Marlboro, Nike und McDonald’s. Aber der größte Exporteur amerikanischer Lebensart ist und bleibt die „Dream Factory“ Hollywood.

Filme transportieren nicht nur schöne Bilder von Menschen und Landschaften, sie transportieren auch Werte, Geschichte und Lebensweisen. Sie schaffen Bilder im Kopf, wandeln Urteile und Vorurteile, lassen Menschen nachdenken und träumen. Das macht sie so wirkmächtig. Internationale Produktionen, die in Deutschland gedreht werden, können das auch. Sie können aufsetzen auf dem überaus positiven Bild von Deutschland, das mittlerweile fast überall auf der Welt verbreitet ist. Und sie können dieses Bild vom „German Way of Life“ formen und weiterentwickeln helfen.

Technisch ist es heute kein Problem mehr, jeden beliebigen Ort der Welt an jedem beliebigen anderen Ort der Welt nachzubilden. Die amerikanische Spionage-Serie Homeland spielte jüngst in Pakistan – gedreht wurden die Szenen aber in Südafrika. Demnächst spielt die Serie in Syrien – gedreht werden die Szenen vor den Toren Berlins. Interessant wird es, wenn Großproduktionen in Berlin spielen – und auch dort gedreht werden. Dabei ist nicht nur die Authentizität höher, es besteht auch die Chance, genau diese Szenen realistischer abzubilden. So haben die Produzenten von Operation Walküre nicht nur in Deutschland gedreht, sie haben ihre Geschichte auch entwickelt, nachdem sie hier im Land mit Deutschen diskutiert hatten – und dabei am Ende ein weniger hollywood-klischeehaftes Bild deutscher Geschichte gezeichnet.

Zweitens: Ganz nebenbei rücken internationale Produktionen bisweilen auch Orte ins kollektive Bewusstsein. Unvergessen, wie Tom Hanks vor einigen Jahren bei Wetten dass auf der Couch saß, sein iPhone zückte und von Eisenhüttenstadt zu schwärmen begann. Das Kleinod der realsozialistischen Architektur von „Iron Hat City“ (Hanks) hatte es dem Weltstar angetan. Nie im Leben wäre Eisenhüttenstadt in der Lage, mit irgendeiner vor Ort ausgetüftelten Image-Maßnahme auf einen Schlag acht Millionen Menschen zu erreichen, um auf die Schönheiten dieser geschundenen ostdeutschen Stadt aufmerksam zu machen. Ob Zufall oder nicht: Jedenfalls schnellten die Besucherzahlen Eisenhüttenstadts im Jahr nach Tom Hanks öffentlicher Eloge in die Höhe.

Drittens: Deutschland kann nicht nur Maschinen bauen, die international begehrt sind. Gerade auch die deutsche Filmindustrie hat gute Chancen, sich international führend zu positionieren. Sie steht technologisch – speziell auf dem Gebiet der Digitalisierung – an der Weltspitze. Wenn es um Klang und Ton oder digitale Nachbereitung geht, können Unternehmen aus Berlin, Brandenburg, Bayern oder Baden-Württemberg mit Hollywood nicht bloß mithalten, sondern sie setzen sogar die Maßstäbe. Doch der Prophet sollte auch im eigenen Land etwas gelten: Alle diese innovativen und im weltweiten Wettbewerb stehenden Unternehmen müssen die Chance erhalten, ihre Produkte an den Mann zu bringen – und zwar nach Möglichkeit auch im eigenen Land.

Überschaubarer Einsatz, großer Ertrag

Viertens: Auch die globale Filmindustrie braucht regionale Bezüge und Identitäten. Hier ist das Land Brandenburg mit seiner über hundertjährigen Filmgeschichte und der ältesten Filmhochschule, die sich mittlerweile zur einzigen deutschen Filmuniversität fortentwickelt hat, gut aufgestellt. Zu dieser regionalen Identität tragen viele Medienschaffende im Land wie Andreas Dreesen mit seinen ungewöhnlichen Filmen über das Alltagsleben und Wolfgang Kohlhaase mit seinen ausgezeichneten Dokumentarfilmen bei.

Das ist es, was eine Industrie- und Kulturpolitik für die deutsche Filmindustrie ausmacht. Deshalb ist Filmförderung keine Subvention, sondern eine aktive Investition. Eine Investition in das Bild Deutschlands in der Welt, eine Investition in deutsche Innovationen. Aber Filmförderung lohnt sich auch fiskalisch: Die deutschen Steuerzahler unterstützen Filmproduktionen jährlich mit insgesamt 100 Millionen Euro. Dem stehen Steuereinnahmen von etwa 170 Millionen Euro gegenüber. Die deutsche Kinofilmproduktion erwirtschaftet etwa eine halbe Milliarde Euro Umsatz pro Jahr; zählt man die indirekten Umsätze hinzu, reden wir über 1,4 Milliarden Euro – damit ist der Multiplikator-Effekt sogar höher als in der Chemiebranche. In Berlin und Brandenburg kommen auf einen Euro Filmförderung fünf Euro für Produktionsausgaben.

Das Fonds-System ist kaum konkurrenzfähig

Der Deutsche Filmförderfonds DFFF ist das wichtigste und zudem ein gut eingeübtes Instrument der Filmförderung. Es wird derzeit evaluiert und muss neu justiert werden. Ursprüngliche Pläne des Finanzministeriums und der Staatsministerin für Kultur und Medien sahen vor, den Fonds Schritt für Schritt auf Null zu fahren. Soweit ist es nicht gekommen, der Fonds wurde „nur“ um 20 auf 50 Millionen Euro zusammengeschmolzen. Ende 2014 hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, den Fonds nicht weiter abzusenken, sondern auf höherem Niveau zu verstetigen.

Es ist Sigmar Gabriel hoch anzurechnen, dass er derzeit im Bundeswirtschaftsministerium eine ergänzende Förderstruktur aufbaut, mit der auch weitere Film- und Serienformate in Deutschland produziert werden können. Die Absenkung des DFFF-Etats hatte nämlich zur Folge, dass der Fonds in diesem Jahr bereits im Juni ausgeschöpft war, weshalb internationale Produktionen, die sich nach den Oscar-Auszeichnungen vom Frühjahr für Babelsberg oder andere deutsche Standorte interessierten, abgewiesen werden mussten. Dabei ging es zum Teil um Produktionen, die in Berlin spielen sollten – nun aber in Budapest gedreht werden. Andere große Serien und Produktionen haben sich jüngst für Tschechien, Luxemburg und Belgien entschieden.

Im kommenden Jahr steht nun die Novellierung der Filmförderung auf der Tagesordnung. Die ist auch dringend nötig, weil sich das internationale Umfeld deutlich verändert hat – und Deutschland wettbewerbsfähig bleiben muss. Etliche Staaten setzen mittlerweile auf die Filmindustrie, weil sie deren Potenzial für Image, Innovation und Wertschöpfung erkannt haben. In vielen Fällen geht man dabei den Weg direkter Unterstützung über tax credits. Eine solche Förderung ist für die Produzenten deutlich planbarer als das bisherige deutsche Fondsmodell – und damit zweifellos attraktiver.

Insgesamt muss die deutsche Filmförderung so organisiert werden, dass Deutschlands guter Ruf als führender Standort für internationale Filmproduktionen erhalten bleibt. Denn es gibt noch viele Geschichten aus Deutschland, die es wert sind, nicht nur erzählt, sondern auch hier bei uns gedreht zu werden. Dabei können zweifellos Filme entstehen, die auch wieder Oscars nach Deutschland holen. Vielleicht kann der Schriftzug „BABELSBERG“ dabei ein Ansporn sein.

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