Berlin, Brüssel, Fulda

EDITORIAL

Vor elf Jahren hieß dieses Land Bundesrepublik oder Bundesrepublik Deutschland oder DDR. Wer Deutschland sagte, machte sich verdächtig, entweder einen bundesdeutschen Alleinvertretungsanspruch für alle Deutschen zu erheben oder gar den Frieden durch Wiedervereinigungsphantasien gefährden zu wollen. Im Osten sprach man, teilungskorrekt, von der BRD, West-Berlin und der Deutschen Demokratischen Republik, manchmal auch nur von der Republik - der manche sich durch Republikflucht zu entziehen suchten. Heute heißt das alles - und es richtet sich gegen niemanden - Deutschland. Oder Republik. Selten Bundesrepublik. Nie mehr BRD.

Die Bundesrepublik Deutschland, die 1991 durch Bundestagsbeschluss die Hauptstadt Berlin zum Parlaments- und Regierungssitz bestimmte (und 1998 dorthin "umzog") besteht aus den historischen Teilmengen der alten guten Bundesrepublik und der vergangenen DDR. Die vereinte Republik ist eine andere als die Bonner, es ist die Berliner Republik.

In hundert Jahren werden es vielleicht die Namen nationaler und übernationaler Gebietskörperschaften sein, um deren identitätsstiftenden Vorrang gestritten wird: EU-Deutschland, Brüsseler Föderation oder Vereinigte Staaten von Europa? Was Brüssel, was Europa heute und in Zukunft für uns bedeuten, ist Schwerpunktthema dieser Ausgabe der Berliner Republik.

Hochkontrovers war neben dem Republik-Titel auch die Generation-Berlin-Fanfare des Soziologen Heinz Bude im ersten Heft dieser Zeitschrift. Politische Freunde und Feuilletons ließen sich inspirieren und riefen die Generation Fulda (Zeit), Generation Wanne-Eickel (Jusos) und Generation Gaschke (Süddeutsche Zeitung) aus. Ein Hauptstadt-Reporter des Spiegel raunte der taz zu: "Da kommen die Gucci-Dutschkes."

Gefreut hat uns der Zuspruch zweier Sozialisten-Führer von damals. Norbert Schüren, Verleger der legendären Reformisten-Zeitschrift Sozialistische Praxis, wünscht uns Erfolg und langen Atem, und Gerhard Schröder, ehemals Spitzenmann des antirevisionistischen Göttinger Kreises um die Zeitschrift Sozialist, sieht den weiteren Ausgaben der Berliner Republik "schon jetzt gespannt entgegen".

Man wird sich bemühen.

zurück zur Person