Eine Republik in Bewegung

EDITORIAL

Sind fünf Jahre eine lange Zeit? Es kommt darauf an. Jedenfalls ist es heute durchaus nicht selbstverständlich, dass neu gegründete Zeitschriften mit gesellschaftspolitischem Anspruch dieses Alter erreichen. Gelingt dies wider Erwarten doch einmal, dann spricht sehr viel dafür, dass die betreffende Zeitschrift Fragen und Themen auf der Spur sein muss, deren Zeit gekommen ist. Am Ursprung der Berliner Republik standen zwei grundsätzliche Überzeugungen. Beide galten selbst noch vor fünf Jahren als ein bisschen spleenig und absonderlich. Beide haben sich inzwischen als rundum zutreffend erwiesen: Es ist heute völlig unbestreitbar, dass das Ende der Republik von Bonn für Deutschland und Europa weit mehr bedeutet hat als nur den Umzug eines Regierungssitzes. Und ebenso evident ist damit, dass viele Gewissheiten und Koordinaten der alten Republik im Westen mittlerweile ganz einfach nicht mehr stimmen. Die Vergangenheit ist ein anderes Land.

Sofern sich in den vergangenen fünf Jahren so etwas wie eine Community der Berliner Republik gebildet hat, besteht ihre Gemeinsamkeit in dieser fundamentalen Einsicht. Es ist ihre durch und durch postironische und ernsthafte, dabei aber unverbiesterte und konstruktive Haltung, die jene im Geiste vereint, die sich angesichts des dramatischen Wandels der Welt des 21. Jahrhunderts auf die Suche nach besseren Lösungen für diese Gesellschaft machen: Es geht um etwas! Dieses Land ist uns nicht egal! Und wie seine Zukunft aussehen wird, das hängt von uns selbst ab! Das ist der Gestus der Berliner Republik. Was die bessere Lösung ist, darunter mag die eine dieses verstehen und der andere jenes. Entscheidend ist zunächst die geteilte Bereitschaft zur Suche nach neuen Wegen in einer neuen Zeit.

Natürlich hat die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (S. 101) ganz Recht: Die Achtundsechziger sind tatsächlich nicht schuld an allem Unheil, und nichts in diesem Land wird besser allein durch das laute Beklagen ihres mutmaßlich verderblichen Wirkens. Das Heranreifen dieser Einsicht freilich wird keine Wende der Berliner Republik zu allgemeinem Versöhnlertum zur Folge haben. Unzufriedenheit über die Unzulänglichkeit der Wirklichkeit wird weiterhin Triebfeder und Markenzeichen dieser Zeitschrift bleiben. Doch klar ist mittlerweile eben auch: Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!

Die Redaktion und die Herausgeber der Berliner Republik danken allen sehr herzlich, die den Weg dieser Zeitschrift in den vergangenen fünf Jahren – auf welche Weise auch immer – mitgegangen sind. Sie alle haben geholfen, diese Zeitschrift zu einer deutlichen Stimme in den gesellschaftspolitischen Debatten der Republik zu machen. Das gilt gewiss nicht zuletzt für die Leserinnen und Leser, ohne die es die Berliner Republik überhaupt nicht gäbe. Es gilt aber ganz besonders all den vielen hervorragenden Autorinnen und Autoren, die seit fünf Jahren mit ihren Texten dazu beitragen, die Berliner Republik zu einer guten Zeitschrift zu machen – und, womöglich, die Republik von Berlin zu einem besseren Land. In der Vielfalt ihrer Facetten und Deutungen ergeben die Beiträge und Bilder dieses erweiterten Jubiläumsheftes das eindrucksvolle Panorama einer Gesellschaft, die wieder in Bewegung gerät.

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