Arbeit und Globalisierung

Eine Kritik des dürftigen Einheitsdenkens

Ein Kardinalfehler in Bezug auf die moderne Erwerbsarbeit besteht darin, sie auf die sachliche Verrichtung, den stoffwechselnden Vorgang zu reduzieren. Er führt umgehend zu einer akademischen Scheinfrage: Wie kann man an Arbeiten hängen, die nach Ablauf und Umständen nichts Gewinnendes, Anziehendes besitzen, die den Menschen lebenslang an eine Teilfunktion adaptieren, seinen Geist unterfordern, seine Kräfte verschleißen, seinen Nerv töten oder seine Gesundheit untergraben? Kein Unternehmer käme auf die Idee, Arbeit als isolierten und isolierbaren Akt eines Individuums anzusehen.

Selbst wenn er die Arbeit bis ins Kleinste teilt, die Kommunikation auf ein Minimum beschränkt, weiß er die Gratisgaben des Zusammenwirkens vieler wohl zu schätzen. Was ihm sein kalkulierender Verstand sagt, sagt den Arbeitenden ihr sozialer Sinn. Aus gutem Grund hängen sie noch am ärmlichsten Austausch mit ihresgleichen oftmals inniger als an ihrer speziellen Funktion.

Was immer Erwerbsarbeit sonst noch vermag, sie knüpft ein soziales Netz, im Herstellungsprozess und weit darüber hinaus. Die Sachbindung des gemeinschaftlichen Tuns ist deshalb nicht belanglos, sekundär. Als zwischen Mensch und Mensch sich schiebendes Drittes fokussiert sie das Zusammenwirken auf den Ernst des Lebens, formuliert sie Aufgabe und Herausforderung, deren Bewältigung Befriedigung verschafft, nicht trotz, sondern gerade aufgrund der herben Zumutung, die der Dienst am Objektiven für das Individuum bedeutet. Derselbe Sachbezug verhindert die restlose Vereinnahmung des einzelnen durch die Gemeinschaft, deren Glied er ist. Jeder kann sich bei Bedarf auf das zurückziehen, was jeweils „Sache“ ist, und sich den anderen auch wieder öffnen. Dank dieser Eigenschaft wohnt Arbeit die Potenz zur Erlösung vom Lastenden der mitmenschlichen Beziehung inne, setzt sie, des Weiteren, einen Kontrapunkt zum familiären Leben. „Work is not simply a way to make a living and support one’s family.“1

Arbeit als solches „objektives“ Wirken rhythmisiert den Lebensfluss, spannt ihn in ein feines Raster zeitlicher und räumlicher Bezüge, worin er Orientierung, Perspektive auch für die lässlicher geordneten Momente des arbeitsfreien Daseins findet. Sie verknüpft soziale, zeitliche und räumliche Netze zu einem vierdimensionalen Zeit-Raum, zum irdischen Kosmos des Menschen, aus dem jäh gestoßen wird, wer die Arbeit verliert. Binnen kurzem verflüchtigt sich die Vektoreigenschaft der Zeit, verschwimmt das eben noch genaue Zeitgefühl zu einer nur mehr groben Gliederung von Tag und Woche, hört das Denken und Planen in kompakteren zeitlichen Einheiten auf, stellen sich infolge des Ausgesperrtseins vom gesellschaftlichen Raum klaustrophobische Gefühle, Ängste ein, die keinen Auslauf finden.2 Man muss sich schon eine reichlich verdrehte Vorstellung von der Erwerbsarbeit machen, um glauben zu können, sie verstoße den Menschen aus der sozialen Welt, schneide ihn von seiner eigentlichen Bestimmung ab. Anders als die intellektuelle Marotte es will, war und ist sie für ungezählte Millionen von Menschen Inbegriff des In-der-Welt-Seins, des Aufgehobenseins in ihr, ähnelt sie in nichts dem berühmten Fiaker, aus dem man nach Belieben aussteigt und seiner Wege geht.

Kern der Vergesellschaftung des Menschen, eröffnet die Teilhabe am Erwerbsleben noch viele andere Zugänge ins soziale Leben. Arbeit als gemeinschaftlich betriebener Stoffwechsel mit der Natur steht im Mittelpunkt des Produktionsprozesses. Doch um ihn herum, einer Korona gleich, formt sich oftmals eine Gesellschaft im Kleinen. Das gilt für eine Vielzahl kapitalistischer Unternehmen ebenso, wie es für die größeren Wirtschaftskomplexe im Staatssozialismus galt. Das Beispiel der ehemaligen Wolfener Filmfabrik mag das verdeutlichen.3 Dort wurde gearbeitet, gewiss. Aber in die Arbeitssphäre eingelassen, Arbeit zur Sphäre eigentlich erst weitend, waren auch: Betriebskinderkrippen und -kindergärten; Ferienheime; vier Ambulatorien; eine Physiotherapie; eine Sauna; eine Apotheke; eine Bibliothek; eine Buchhandlung; ein Werkstheater; ein Filmstudio; ein Fotozirkel; ein Malzirkel; ein Chor; ein Kinder- und Jugendballett; Sportvereine; eine Sparkasse; eine Werkstischlerei; eine Werksgärtnerei; eine Sattlerei; eine Schneiderei.

Der Ring aus sozialen, kulturellen, sportlichen und medizinischen Einrichtungen war nicht immer so umfänglich wie im Fall der Wolfener Filmfabrik; mit kleinerem Radius fand er sich bei jedem staatlichen Unternehmen von einiger Bedeutung. Die Arbeitsstelle bettete die Menschen in stabile soziale Beziehungen sowie in ein dichtes Geflecht gemeinschaftlicher Aktivitäten und individuell abrufbarer Dienstleistungen ein. Als die Betriebe schlossen, kam den Menschen daher weit mehr abhanden als nur die bloße Arbeit – Gelegenheit und Antrieb zu kollektiven wie persönlichen Unternehmungen. Hatte man sich früher gegenseitig mitgezogen ins Theater oder in die Gymnastikgruppe, musste nun jeder allein die Schwellen überwinden, von den damit verbundenen Kosten und Wegen einmal abgesehen. Die ostdeutsche Erfahrung mit „ganzer Arbeit“ hat nichts Apartes, sie ist der Arbeitnehmerschaft im Westen seit Generationen vertraut. Auch dort umfasst die Stelle mehr als die Funktion, folgt aus der Arbeit Weltbezug. Bezieht man die sozialen Garantien, die der modernen Erwerbsarbeit seit mehr als einem Jahrhundert innewohnen, mit in die Betrachtung ein, erkennt man die „Eindimensionalität“ des erwerbstätigen Menschen von heute als das, was sie tatsächlich ist – als Spleen entfremdeter Intellektueller, als Ideologiekritik aus ideologischen Prämissen.

Erwerbsarbeit ist weder per se eindimensional noch in sich leer

„Snobismus“, „Marotte“, „Spleen“, das sind vielleicht zu ungefähre Invektive. Die Überzeugung, dass Arbeit nur nach Brot geht, gehört zu den tiefsitzendsten und langlebigsten Vorurteilen der gebildeten Welt. Sie begleitet die Lohnarbeitsgesellschaft wie ein Schatten. „Es ist noch niemandem aufgefallen, dass Lohnmangel ein besserer Ausdruck wäre als Beschäftigungsmangel, denn was der Arbeitslose vermisst, ist nicht die Arbeit, sondern die Entlohnung der Arbeit.“ Diese Worte des liberalen Nationalökonomen Mises sind purer Hohn. Menschen seiner Art und Herkunft haben fast immer so gedacht. Schon lange zuvor, in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, setzte ein englischer Bischof dem kollektiven Standesdünkel ein ebenso schmuckloses wie treffendes sprachliches Denkmal: „Wenn ein Mann um Arbeit bettelt, dann bittet er nicht um Arbeit, sondern um Lohn.“4 – Sofern Menschen mit intellektuellen Professionen die Arbeit einmal nicht banalisieren, fallen sie häufig ins entgegengesetzte Extrem und glorifizieren sie mit enthusiastischen Formulierungen, die nur dieselbe Fremdheit verraten. Nüchterne Porträts der Erwerbsarbeit und des Erwerbslebens, die sich auf die realen Erfahrungen gründen, die die Arbeitenden in und mit der Arbeit machen, bilden rühmenswerte Ausnahmen. Was wir in jüngster Zeit beobachten, sind vor allem Fortschritte der Ironie. Von dem verständlichen Bedürfnis angetrieben, Arbeitslosigkeit zu entstigmatisieren, ironisieren „glückliche Arbeitslose“ die herrschende Sicht auf Arbeit als triviales Geschehen, als höchst profanen Brotdienst. „Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, so liegt das nicht daran, dass er keine Arbeit hat, sondern dass er kein Geld hat. Also sollten wir nicht mehr von ‚arbeitslos‘, sondern von ‚geldlos‘, nicht mehr von ‚Arbeitssuchenden‘, sondern von ‚Geldsuchenden‘ reden, um die Dinge klarer zu stellen.“5 Wenn es mit der Arbeit keine weitere Bewandtnis und kein Fortkommen hat, das übers Geldverdienen hinausschießt, dann verschont uns damit und gebt uns einfach Geld! Das subversive Spiel mit dem herrschenden intellektuellen Diskurs lebt von der Angriffslust. Es hält den „Herren der Arbeit“, speziell deren geschulten Claqueuren den Spiegel ihrer wahren Meinung vor, konfrontiert die Sonntagspredigten zur Arbeit mit der gewohnheitsmäßigen Geringschätzung derselben. Damit nicht genug, verfolgt es ein Ziel, das den Spott lohnt: Menschen, die ihre Arbeit verlieren oder gar nicht erst ins Arbeitsleben hineinfinden, sollen in ihrem Menschsein materiell bestätigt und kulturell ermutigt werden, etwas mit ihrem Leben anzufangen.

Nur gelangt man auf diesem Wege nicht zum Ziel. Die großstädtischen Flaneure der Arbeitslosigkeit, besonders die in kurzen Hosen, erklären die Erwerbsarbeit zu einer Art Black box und berauben sie im Namen eines falsch verstandenen Eudämonismus sämtlicher ihr anhaftenden Momente von Glück und Befriedigung. Dadurch kopieren sie die bürgerliche Arroganz und verschwenden ihre eigene Zeit mit Fragen rein dogmatischer Natur, zum Beispiel: Ist es gerechtfertigt, an einer Arbeit festzuhalten, die man ohne Lohn gar nicht ergreifen würde?6 Im Handumdrehen konvertiert der Libertin zum gestrengen Buchhalter des Glücks der „kleinen Leute“, zum Doktrinär.

Erwerbsarbeit ist weder per se eindimensional noch in sich leer, noch wird sie einzig vom Blick auf das Entgelt zusammengehalten. Sie hat Tiefe, Inhalt, eigene Materialität. Wie eine Spinne ihr Netz webt, so webt auch sie, außer dem Tuch, das dabei mit herauskommen mag, ein engmaschiges, weitverzweigtes Netz einzel- wie mitmenschlicher Beziehungen und Bezüge, ein Ganzes, das die finanziellen Bezüge unverzichtbar in sich einschließt. Die Kritik am neuzeitlichen Arbeitsglauben produziert ihrerseits Ideologie, wenn sie darüber hinwegsieht. Der glückliche Arbeitslose, sofern er redlich ist, räumt ein, dass der Verlust der Arbeit schmerzt, obschon mit etwas schiefen Worten: „Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, dann liegt das auch daran, dass der einzige gesellschaftliche Wert, den er kennt, die Arbeit ist.“7 Selbst wenn der Arbeitslose andere Werte kennt und anerkennt, von der Arbeit als dem Grund seiner bisherigen Existenz getrennt, fällt es ihm schwer, diese Werte zu behaupten. Aktivitäten, Interessen, die in die Arbeit eingebettet waren, verlieren plötzlich ihre Bindung, ihr Wozu. Die einzige Mitgift arbeitslosen Lebens, Zeit, wird zum tragischen Geschenk, wenn es an Anhaltspunkten und Gefährten fehlt, sie auszufüllen.8 Flüchtet die Spinne aus dem Netz, dann droht es zu zerfasern, zu zerreißen. Die Aufgabe, vor die sich der einzelne gestellt sieht und die er letztlich nur gemeinsam mit anderen zu lösen vermag, lautet Netzbau ohne vorgegebenes Zentrum, Mut zu a-zentrischer Existenz, die sich neue Mittelpunkte erst noch schaffen muss.

Für den tonangebenden Diskurs ist alles eine Frage der Zivilgesellschaft

Es ist heute viel von der „Rückgewinnung des Sozialen“ die Rede – hier findet man den harten Boden für diese Notwendigkeit. Der tonangebende Diskurs schweigt sich über die Bedingungen der „Re-Sozialisierung“ vornehm aus. Für ihn ist alles eine Frage der Zivilgesellschaft. Sie, als Antipode des Staates aufgefasst, soll das Soziale regenerieren, neu aus sich heraus erzeugen. – Praktisch werden wir anders belehrt, wie ein weiteres Beispiel aus dem Osten Deutschlands exemplarisch zeigt. Dort sieht sich die Lösung der Aufgabe mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten, hohen Hindernissen konfrontiert. Ausschließlicher noch als in den Arbeitnehmergesellschaften des Westens waren Leben und Arbeit ineinander verwoben. Erwerbsarbeit galt als einzig legitime Quelle von Lebensgewinnung und Lebensführung. Der ausgreifende Deindustrialisierungsprozess bereitete dieser Üblichkeit ein jähes Ende. Das an die wirtschaftlichen Unternehmen gebundene Aktivitäts- und Betreuungsgeflecht zerfiel im Nu, ohne auf kommunaler Ebene angemessen rekonstruiert werden zu können. Prekär wie die materielle Existenz gestaltete sich die im engeren Sinne soziale. Zusammen mit dem Arbeiter sah sich der Mensch selbst an die Luft gesetzt. Was vermochte da der Bürger? Und wenn er angesichts dieser höchst widrigen Umstände etwas vermochte, vermochte er es dann nicht überall?

Ein kleiner Ort im Mecklenburgischen, das ehemalige sozialistische Musterdorf Mestlin, gibt Fingerzeige für die Antwort.9 Infrastrukturell vorbildlich ausgestattet, als regionales Zentrum konzipiert, wurde die landwirtschaftliche Produktion zu DDR-Zeiten von einem kompakten Ensemble unterschiedlichster Institutionen und Einrichtungen eingefasst, von Kinderkrippen, Schulen, Geschäften, Gaststätten sowie von einem jener überdimensionierten Kulturhäuser, dessen reine Größe schon auf die Umgegend verwies. Mit einhundert Beschäftigten zählte es in manchen Jahren fünfzigtausend Besucher.10 Dann kam der Umbruch samt seiner vertrauten Begleiter: Entlassungen, Abwanderung, soziokulturelle Verödung. Immerhin gelang die Umwandlung der vormaligen LPG in eine Produktivgenossenschaft, die sich mit stark reduziertem Personalbestand als wettbewerbsfähig erwies. Ein kleiner Anhaltspunkt sozialen Lebens, das dennoch für Jahre verfiel. Die Hoffnung richtete sich, wie oft in vergleichbaren Fällen, auf Belebung von außen, auf die touristische Zweitverwertung von Land und Leuten, vergeblich. Erst unter einem neu gewählten Bürgermeister beschritt man einen alternativen Weg, der Belebung von innen versprach. Man ersann einen öffentlichen Festkalender, der zahlreiche Ereignisse verzeichnete oder direkt produzierte: sportliche Wettbewerbe, Treffen im Jugendklub, Erntefest, Kindertag, Tag der Freiwilligen Feuerwehr, Jubiläen aller Art. Um die Geselligkeit zu fördern, schien kein Anlass zu gering. Als nächstes nahm man die Wiederinstandsetzung des Kulturhauses in Angriff, Raum für Raum, mit Geld aus allen Kassen, vom Arbeitsamt, dem Landesamt für Denkmalpflege, dem Landkreis, aus der Regionalförderung, Fördermitteln der Europäischen Union sowie aus der Gemeindekasse selbst.

Nur das Zusammenspiel von dörflicher Gemeinschaft, lokaler Autorität und unterschiedlichen Ebenen der Staatlichkeit ermöglichte diese Wieder-, Neuerfindung des Sozialen. Die Idee von der Zivilgesellschaft als dem geborenen Widersacher der „Bürokratie“ ist ein Grundmissverständnis unserer Zeit; sie hofiert wortreich den Bürgersinn, degradiert ihn in der Praxis jedoch häufig zum Lückenbüßer eines säumigen, pflichtvergessenen Staates. Bürgersinn mit Staat im Rücken, Staat von Bürgersinn belebt, das ist des Rätsels Lösung.

Der Sozialstaat der Zukunft als „Teilhabestaat“?

Die Chancen, die der Sozialstaat der Zukunft zu vergeben hat, sollen solche der Teilhabe sein. Propagiert wird die Umstellung der sozialpolitischen Philosophie von materieller auf kulturelle Gleichheit, von (annähernd) gleichen Lebensverhältnissen auf gleiche Entfaltungsmöglichkeiten, die Abkehr vom alimentierenden und die Hinwendung zum aktivierenden Staat. „Als gerecht soll künftig gelten, was Menschen in die Lage versetzt, ihr Leben so zu führen, wie sie es selbst gerne führen möchten.“11

Die Befähigung aller zur Mitwirkung am gesellschaftlichen Lebensprozess ungeachtet ihrer sonstigen Unterschiede, selbst unter Einschluss ihrer materiellen Ungleichheit, bedeutet an sich kein Sakrileg. Ungleichheit in einer Hinsicht, Einkommen und Vermögen betreffend, impliziert nicht zwingend rechtliche, politische, kulturelle Ungleichheit. Sie beugt, um das Mindeste zu sagen, derartigen Konsequenzen aber auch nicht vor. Eine Analyse der versteckten wie offenkundigen Gefahren ökonomischer Ungleichheit aus der Perspektive der negativ von ihr Betroffenen ist daher unumgänglich.

Die nächstliegende Gefahr besteht darin, dass der Zusammenhang von ökonomischer Lage und gesellschaftlicher Teilhabe erst gelockert und dann gekündigt wird. In diesem Fall droht die soziale Entwirklichung der Gerechtigkeit, ihre Verwandlung in eine Hypothese ohne praktische Beweiskraft. Die Logik der Fähigkeiten verlangt nicht nach gleichen Lebensbedingungen im rein materiellen Sinn, aber sie verlangt (und definiert) sehr wohl ein variables Maß an Ressourcen, persönlichen wie öffentlichen, die die Entdeckung und Erprobung individueller Vermögen erst ermöglichen. Das Teilhabeargument, weit davon entfernt, reale Lebenslagen in den Hintergrund zu spielen, berührt, redlich vorgetragen, den Grund der Existenz. Die „neue“ Gerechtigkeit führt nicht über die materielle Welt hinaus, sondern, unter modifizierten Prämissen, zu ihr zurück. Auskömmliches Einkommen, gegebenenfalls Unterhalt, Alimentierung, staatliche Mobilisierung individueller Einkommensanteile für die Ausstattung des Gemeinwesens mit kollektiven Gütern: Das ist nicht einfach abgetan, erledigt, altes Umverteilungsdenken. Der wortführende Diskurs des „Neoklubs“ erweckt oft den Anschein, als sollte von den harten Tatsachen der Teilhabe möglichst zurückhaltend, vom Erbaulichen der „Partizipation“ desto überschwenglicher gesprochen werden.

Ist gut für die Nation, was gut für die Wirtschaft ist?

„Mehr ökonomische Rationalität in das sozialstaatliche Handeln!“, diese Eidesformel der sanierenden Reform durchdringt auch das politisch dominante Gerechtigkeitsverständnis unserer Zeit. Kampf dem Missbrauch sozialer Leistungen, dem Besitzstandsdenken, der Anspruchsinflation, zum Vorteil aller. Knapp bemessene staatliche Ressourcen gebieten Sparsamkeit und Ehrlichkeit, allseitigen Respekt für den Ort, an dem allein sie sich erneuern, mit anderen Worten: Was für die Wirtschaft gut ist, ist auch gut für die Nation, für jeden Einzelnen! Schluss mit der Subventionierung des Lebens; was Förderung verdient, ist der Gewerbefleiß! Nur geht das leider meistens schief. Unter globalisierten Marktverhältnissen erreicht die steuerliche Begünstigung von Schlüsselunternehmen und -industrien immer häufiger das Gegenteil des Intendierten; statt sie langfristig an die eigene Nation zu binden, erleichtert sie deren Ausgliederung aus dem politischen Verband.12 – Die „Wanderung“ einer deutschen Firma als Beispiel zur Verdeutlichung.13 Das Unternehmen, ein großer Schuhfabrikant, investierte in den frühen neunziger Jahren in Portugal, in einer wirtschaftlich schwach entwickelten Region. Die Europäische Union belohnte diese Risikobereitschaft mit drei Millionen Euro. Das Gastland, glücklich über die zu erwartenden Arbeitsplätze, verzichtete förmlich auf die Erhebung von Steuern. Damit nicht genug, richtete es den Produktionsstandort auf Kosten von Region und Gemeinde schlüsselfertig her; selbst die Abfallentsorgung geschah zu Lasten des Wirtes. Im Gegenzug verpflichtete sich das Unternehmen zu einer zwanzigjährigen Bindung an den Standort, ohne sich dabei jedoch auf Regressansprüche im Fall des Zuwiderhandelns einzulassen. Nach nur zehn Jahren endete die Fabrikation, wanderten die Anlagen weiter, nach Rumänien. Nebst der Lohndifferenz gaben bindende Zusagen des neuen Standorts, die dem gänzlichen Verzicht auf allfällige Forderungen nahekamen, bei der Entscheidung den Ausschlag.

Der Einzelfall gestattet eine Teileinsicht in die Ursachen der Staatsverschuldung, der Vergeudung öffentlicher Mittel, des Ausbleibens verlässlicher Steuereinnahmen. Er demonstriert des Weiteren das Unzureichende, oftmals direkt Selbstzerstörerische rein nationaler Antworten auf die Globalisierung. Wer sich der Standortlogik unterwirft, tauscht soziale Garantien gegen unverbindliche Versprechungen ein.

Alsbald könnte sich dieses Drama auf der europäischen Bühne wiederholen. Öffentliche Mittel flössen im Rahmen eines kontinentalen Entwicklungsprogramms aus den reicheren Nationen in die ärmeren, und zwar nicht, wie deklariert, zu Investitionszwecken, sondern um bestehende Arbeitsverhältnisse aus den Geberländern herauszukaufen. Der französische, österreichische oder deutsche Steuerzahler würde dann unmittelbar zur Finanzierung heimischer Arbeitslosigkeit herangezogen! Der „Bienenstaat“ unserer Tage folgt dem umgekehrten Motto Mandevilles: public vices, private benefits.14 Die ökonomischen Ressourcen von Wohlstand und Teilhabe gehen auf Reisen, so oder so, und es hat nicht den Anschein, als vermehre sich das Glück der Menschheit auf diesem Weg.

Kommt einem Land zugute, was das andere verliert?

Wirklich nicht? Kapital wandert ins Ausland ab, von dort in ein noch ferneres Ausland, aber es geht doch nicht verloren! Was ein Land verliert, kommt einem anderen zugute, versorgt dort lebende Menschen mit Arbeit, schafft Inseln (post-)industriellen Fortschritts, die sich dereinst vielleicht zum Kontinent verbinden. Kapitalstock, Beschäftigungsgüte und -dichte in den wirtschaftlich fortgeschrittenen Nationen erleiden Einbußen, aber genau das verbuchen ärmere Staaten als Gewinn, als hochwillkommene Aufholchance. Die optimistische Sicht auf den Gesamtprozess zeigt eine ebenso notwendige wie wünschenswerte Ausgleichsbewegung, spricht zugunsten des Erhaltungssatzes ökonomischer „Energie“.

Prognosen für die Vereinigten Staaten erwarten bis zum Jahr 2015 die Auslagerung von mehr als drei Millionen Arbeitsplätzen, vornehmlich im Dienstleistungssektor, darunter in wachsendem Maße hochqualifizierte Stellen. Europa muss in den kommenden Jahren allein bei den großen Finanzdienstleistern mit dem Abbau und dem gleichzeitigen Transfer von 700.000 Beschäftigungsverhältnissen rechnen. – Indien ist der Ankunftsort vieler dieser Stellen. Der Überschuss gut ausgebildeter Menschen, die deutlich geringeren Lohnkosten, der Sprachvorteil (fließende Beherrschung des Englischen), die niedrigsten Telefongebühren der Welt (ein wahres Paradies für Call-Center), bescherten dem Land schon in den zurückliegenden Jahren einen erstaunlichen Entwicklungsschub. Einheimische Unternehmen klinkten sich in den Aufschwung ein und agieren inzwischen selbst global, im Bankwesen, in der Telekommunikation, im Software-Bereich. Der riesige Binnenmarkt griff die Impulse auf, die Lebensbedingungen für Millionen von Menschen verbesserten sich spürbar. Zu Beginn der 1990er Jahre von der Postindustrialisierung noch kaum berührt, befand sich der Subkontinent nach kaum einem Jahrzehnt inmitten dieses Prozesses.15

Verglichen mit der Primärindustrialisierung rückständiger Staaten und Regionen während der ersten und zweiten technologischen Revolution verlaufen heutige Anschluss- und Aufholprozesse zeitlich extrem gerafft. Auch vergleichbar nachwirkend? Diese Frage kann zumeist erst dann beantwortet werden, wenn die Karawane weiterzieht. Im Falle Indiens löste die anhaltende Nachfrage nach qualifiziertem Personal einen steilen Anstieg der Löhne und in der Folge eine erneute Abwanderungsbewegung aus, diesmal in Richtung China und Osteuropa.16 Nun muss sich zeigen, ob der äußere Anstoß für eine langfristige innere Belebung stark genug war. Je kürzer die Zeit der „Befruchtung“, je selektiver die „Fruchtwahl“, desto größer das Risiko des Steckenbleibens, Versandens der Impulse.

Das ist die Logik der Postindustrialisierung: Sie ebnet bestehende Gefälle nur um den Preis ein, dass sie neue sichtbar macht, mit unerhörtem Tempo und gänzlicher Rücksichtslosigkeit für das momentan Geschaffene. Das eigene Aufbauwerk zu konsolidieren, für stetigen Fortschritt und verlässliche Austauschbeziehungen zwischen Metropolen und jeweiliger Peripherie zu sorgen erscheint als überflüssiger Halt auf freier Strecke, als ärgerlicher Zeitverlust, solange es noch unerschlossene Räume gibt.

Die ökonomische Globalisierung ist keine Schaukel, die Hoch und Niedrig austariert; sie ist eine Bewegung auf holpriger Bahn, angezogen und geleitet von einem großen Ideal: Herstellung von Gütern und Dienstleistungen ohne nennenswerte Personalkosten, Gratisproduktion. Sesshaftigkeit, Innehalten, Rücksicht und Rücksichtnahme gelten als Todsünden in einer Welt, die vom modernen Nomadentum beherrscht wird. Hier eine kurze Rast und dort, für ein paar Jahre, dann geht es weiter.

Der Fortschritt ist ein eiliger Gast

Löst die Initialzündung keine selbsttragende Entwicklung aus, veröden die kaum belebten Räume im Handumdrehen, gleichen sie binnen Kurzem aufgegebenen Walfangsiedlungen aus dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Der Fortschritt ist ein eiliger Gast; statt die Erde umzuwühlen, haucht er sie nur leise an; das muss genügen. Und wenn es nicht genügt, bleibt nur das Warten auf den nächsten Raser. „Es gibt nur eines, das schlimmer ist, als von Multis überrollt zu werden: nicht von Multis überrollt zu werden.“17

Gut gesagt, doch ist das nur die halbe Wahrheit. Ganze Nationen laufen Gefahr, von Global Players in eine Entwicklungsrichtung gedrängt, hineingerissen zu werden, die zu deren Verwertungsprofilen, aber nicht zu den einheimischen Voraussetzungen passt. Mal setzen die großen Konzerne auf transnationale „Gemischtwarenläden“, dann wieder auf extreme Spezialisierung. In Abhängigkeit vom allgemeinen Trend und der jeweiligen Unternehmensphilosophie gleichen die Schneisen, die durch die Wirtsländer gezogen werden, mal engeren, mal breiteren Korridoren, mal verlängerten Werkbänken, mal ausbaufähigen ökonomischen Adern. Von Multis – endlich – überrollt zu werden, heißt daher oft genug, in eine Spezialisierung aufzubrechen, die sich beim jederzeit möglichen Wechsel der Prioritäten umgehend als Fehlspezialisierung erweist, als Entwicklungsmuster ohne Wert und Zukunft.

Ökonomische „Energie“ erhält sich, wenn überhaupt, im steten Wandel ihrer Formen, ihrer Arbeitsteilungs- und Verflechtungsmuster. Nicht jede dieser Formen und Varianten lässt sich ohne Schäden, ohne schwerwiegende Spätfolgen in national und regional gewachsene Wirtschaftsweisen einbetten. Soziale und kulturelle Teilhabe, globaler Kapitalbewegung anvertraut, gleicht einem Spiel mit blinden Würfeln. Die Theorie der „ausgeglichenen Gesamtrechnung“ vertröstet die Lebenden auf das Finale vieler Märchen: „und wenn sie nicht gestorben sind...“ Nur: In the long run we are all dead.

Die „ausgeglichene Gesamtrechung“ lässt zu, dass einige verlieren: Wohlstand, Arbeitsplätze, soziale Sicherheit, Lebens- und Teilhabechancen, kurz- und mittelfristig, auf dem Weg der Erzeugung einer ökonomisch homogenen Welt. „Einige“, das meint die Mehrheiten in den reichen Nationen. Die müssen sich fügsam zeigen, die Heimatliebe alteingesessener Unternehmen durch freiwilligen Verzicht auf Einkommen und Status neu erwecken. „Was von der Kippe abrutscht, hängt maßgeblich von der Lohnhöhe ab.“18 (Glückwunsch, nebenbei, zu der Metapher: Menschen, die sich verzweifelt an ein Brett klammern, das soeben zum Galgen aufgerichtet wird!) Patriotische Verlierer geben „ihren“ Arbeitgebern zeitig und von sich aus, was ohnehin nicht festzuhalten ist und anderenfalls in „fremde“ Taschen fließt. Die Arbeiter und Angestellten Westeuropas an Durchschnittslöhne zu gewöhnen, die den an den Auslagerungsorten gezahlten auch nur nahekommen, heißt, ihnen ihr Leben zu bestreiten, auch ihre Arbeitsfähigkeit; ein unerfüllbares Verlangen, absurd selbst aus der Sicht der Unternehmen. Worauf will die Drohung dann hinaus? – Auf Extragewinne, im Vorübergehen eingestrichen, ohne jede Garantie für die langfristige Sicherung der Arbeitsplätze.19 Was die soziale Teilhabe von unten her zersetzt, ist die Umfunktionierung der Globalisierung zur Dauerdrohkulisse: „Wir können auch anders, anderswo! Und wenn wir bleiben, dann zu den von uns diktierten Konditionen!“

Der „beschleunigte“ Sozialdemokrat sieht keine Alternative

Wunschträume der Unternehmer: Pfingsten der Arbeit: „Müssten alle angestellten Beschäftigten beispielsweise am Pfingstmontag ohne zusätzliches Entgelt arbeiten, würde das Bruttoinlandsprodukt um rund 3,5 Milliarden Euro steigen. Das wäre ein möglicher Schritt zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Allenfalls würde der Tourismus etwas darunter leiden, weil die Leute dann weniger freie Tage zur Verfügung hätten. Dafür würde aber an anderer Stelle mehr konsumiert. Es fände also lediglich eine Verschiebung der Nachfrage statt.“20 Nicht so bescheiden! „Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) geht davon aus, dass ein zusätzlicher unbezahlter Arbeitstag das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um sechs Milliarden Euro und im kommenden Jahr um knapp sieben Milliarden Euro wachsen ließe. Begründung: Durch Mehrarbeit sinken die Produktionskosten, was wiederum zu billigeren Produkten und damit zu mehr Nachfrage führen würde.“21

Wenn die sinkenden Lohnkosten zu entsprechend sinkenden Preisen führen, mehr Umsatz also bei gleicher Gewinnspanne, wozu dann die Anstrengung? Sie lohnt nur, wenn diese nicht im selben Maß wie jene sinken: der Heilige Geist, der den Aposteln Mammon predigt, moderne Pfingsten eben. – Weiter in diesem Text: „Um den Fehlbestand an Ausbildungsplätzen zu verringern, empfiehlt die FDP geringere Vergütungen für Lehrlinge. ‚Ich fordere mehr Spielräume bei den Ausbildungsvergütungen, so wie es das Berufsbildungsgesetz eigentlich auch vorsieht‘, sagte Generalsekretärin Cornelia Pieper in Berlin.“22 Das Ziel dieser Vorschläge: Inseln der Fron inmitten des Lohnarbeitsverhältnisses, ihr Resultat: Verelendung auf Raten.23

Der neue Gerechtigkeitsdiskurs verklärt die Spontaneität des ökonomischen Prozesses zum gesellschaftlich Wünschenswerten, mindestens zum Unausweichlichen; politischem Handeln, das sich dagegen auflehnt, wird Dispens erteilt. Intellektuelle Kontroversen, öffentlicher Streit und Widerspruch, das war einmal, nunmehr herrscht Einvernehmen. „Geschehen soll, geschehen muss, was ohnehin geschieht!“ verkünden die Katecheten der ehernen Notwendigkeit und meinen vor allem den Abschied von der Gleichheit. Wie kehrt man zur Normalität der Ungleichheit zurück, ohne dass wieder Menschen verhungern? fragt der Konservative.24 Wer sich heute zur sozialen Gerechtigkeit bekennt, muss sich zur Ungleichheit bekennen, echot der Liberale.25 Das soziale Gewissen muss sich an Ungleichheit gewöhnen, ohne zynisch zu werden, erklärt der gelehrige Grüne26, und der „beschleunigte“ Sozialdemokrat sieht zur Entstehung einer neuen Unterklasse keine realisierbare Alternative.27 Geistig dürftiger, zäher auch gab sich die „Konsensgesellschaft“ nie.

Anmerkungen
1 William J. Wilson, When Work Disappears, New York 1996, S. 73.
2 Vgl. hierzu die längst klassische Studie von Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld und Hans Zeisel, Die Arbeitslosen von Marienthal [1933], Frankfurt am Main 1975.
3 Ich entnehme das Beispiel einer früheren Veröffentlichung. Siehe Wolfgang Engler, Die Ostdeutschen als Avantgarde, Berlin 2002, S. 116 f.
4 Beide Zitate folgen Karl Polany, The Great Transformation: Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen [1944], Frankfurt am Main 1978, S. 242.
5 Auf der Suche nach unklaren Ressourcen, in: Guillaume Paoli (Hrsg.), Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche: Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der Glücklichen Arbeitslosen, Berlin 2002, S. 35 f.
6 „Dazu muss sich der Mensch immer fragen, ob er die gleiche Tätigkeit auch machen würde, wenn er dafür kein Geld zu erwarten hätte! Würde er die gleiche Tätigkeit, am gleichen Ort (Arbeitsort), im gleichen zeitlichen Umfang (Arbeitszeit) wie bisher durchführen? Würde er genauso früh (oder genauso spät) dafür aufstehen? Würde das Verhalten und Auftreten gegenüber Arbeitskollegen und so genannten Vorgesetzten unverändert bleiben? ... Kann er diese Fragen mit JA beantworten, dann kann man von einem erfüllten Leben sprechen. Der Mensch hat Spaß an dem was er macht ... Bei NEIN ist der Mensch mit seiner Tätigkeit unzufrieden. Der Arbeitslohn ist Schmerzensgeld. Er hat kein wirklich erfülltes Leben und seine Talente wären anderswo vielleicht besser aufgehoben. Vgl.: Vor der Arbeit = Nach der Arbeit. Freizeitliche Denkarbeit, o. O., o. J., S. 4. Es ist nicht meine Absicht, die „glücklichen Arbeitslosen“ für derlei Kindereien intellektuell in Haft zu nehmen. Kein Aufbruch ohne Übertreibungen, kein Nonkonformismus ohne nonkonformistische Sektierer.
7 Auf der Suche nach unklaren Ressourcen, in: Paoli (Hrsg.), Mehr Zuckerbrot (Anm. 5), S. 37.
8 Jahoda u.a., Die Arbeitslosen von Marienthal (Anm. 2), S. 55–63.
9 Ich beziehe mich im Folgenden auf die Studie von Tanja Busse: Geht ab hier in Dorf. Schrumpfen lernen im ehemaligen sozialistischen Musterdorf, in: Tanja Busse und Tobias Dürr (Hrsg.), Das neue Deutschland: Die Zukunft als Chance, Berlin 2003, S. 94–108.
10 Vgl. Simone Hain und Stephan Stroux, Die Salons der Sozialisten: Kulturhäuser in der DDR, Berlin 1996, S. 38, 167.
11 Matthias Machnig, Die Chancen und das Machbare, in: Berliner Republik, Heft 5 (2003), S. 37. Vgl. auch Warnfried Dettling, Die Debatte hat begonnen, in: Berliner Republik, Heft 5 (2003), S. 30: „Sinn und Zweck einer sozialen Politik liegen nicht länger in der Verteilung, sondern in der Mehrung und in der Verbesserung von Arbeit und Bildung, von Chance und Teilhabe.“ – Ders., Der deutsche Weg, in: Literaturen, Heft 12 (2003), S. 18: „Die Entwicklung geht von einem umverteilenden zu einem aktivierenden Staat, der mehr in Menschen und Strukturen und weniger in den sozialen Konsum investiert.“
12 Ulrich Beck (Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter, Frankfurt am Main 2002, S. 205) liefert zahlreiche Beispiele dafür, „wie im Namen staatlicher Industriepolitik ausgegebene Steuermilliarden die Herauslösung von Unternehmen in ganzen Branchen aus dem nationalen Wirtschaftsverband unterstützen“.
13 Ich entnehme es dem „Europa-Magazin“ der ARD vom 18. 10. 2003.
14 Bernard Mandeville, The Fable of the Bees Or Private Vices, Public Benefits [1723], deutsche Ausgabe: Die Bienenfabel. Berlin 1957.
15 Ursula Dunckers, Call Center des Westens: Das urbane Indien – unterwegs zur ökonomischen Weltmacht?, in: Freitag vom 16.1.2004, Beilage Weltsozialforum 2004, S. 3.
16 Wolfgang Müller, Ihr seid einfach zu teuer: Eine neue Welle der Globalisierung, in: Freitag vom 16.1.2004, Beilage Weltsozialforum 2004, S. 2.
17 Beck, Macht und Gegenmacht (Anm. 12), S. 97, Hervorhebung im Original.
18 Hans-Werner Sinn in einem Interview mit dem Tagesspiegel vom 25.1.2004, S. 24.
19 „Ob die Arbeitskräfte nun fünf Prozent mehr oder weniger verdienen, ist nicht das Kriterium. Die Leute werden einfach überflüssig.“ So der „Wirtschaftsweise“ Jürgen Kromphard in der Berliner Zeitung vom 27. 7. 2003.
20 Jan-Egbert Sturm, Konjunkturchef des Münchener ifo-Instituts laut Berliner Zeitung vom 17. 6. 2003, S. 6.
21 Berliner Zeitung vom 15. 8. 2003, S. 2.
22 Berliner Zeitung vom 9./10. 8. 2003, S. 27.
23 „Kaufkraft deutscher Haushalte gesunken. Reales Nettoeinkommen niedriger als 1991.“ Dies der Titel im Wirtschaftsteil der Berliner Zeitung vom 8. 8. 2003, S. 24.
24 Jan Ross, Die neuen Staatsfeinde: Was für eine Politik wollen Schröder, Henkel, Westerwelle und Co.? Berlin 1998, S. 118 f.
25 Rainer Hank, Das Ende der Gleichheit oder Warum der Kapitalismus mehr Wettbewerb braucht, Frankfurt am Main 2000, S. 172. Unentbehrlich in diesem Konzert der Platitüden natürlich Hans-Olaf Henkel: „Nur die Ungleichheit schafft den Anreiz, über sich hinauszuwachsen.“ Die Ethik des Erfolgs, München 2002, S. 13.
26 Bernd Ulrich, Deutsch, aber glücklich: Eine neue Politik in Zeiten der Knappheit. Berlin 1997, S. 134 f.
27 Peter Glotz, Die beschleunigte Gesellschaft: Kulturkämpfe im digitalen Kapitalismus, München 1999, S. 153 f. Jüngst hat sich der Autor als Träumer versucht und einen „Entwurf für ein Schweizer Geschichtsbuch Auflage 2080“ verfasst. „Vielerorts“, steht da zu lesen, „hat der Produktivitätsschub doch zu dem geführt, was der bedeutende Theoretiker André Gorz bedingungsloses Grundeinkommen genannt hatte und was andere bescheidener als ‚Bürgergeld‘ bezeichnen. Das heißt: Die Massenarbeitslosigkeit, die noch in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts viele europäische Gesellschaften plagte, ist verschwunden. Wer nicht arbeitet, lebt vom Bürgergeld. Elendszonen gibt es – jedenfalls in europäischen Großstädten – nicht mehr. Es gibt Familien, in denen schon in der dritten Generation nicht mehr das getan wird, was man früher als ‚Arbeiten‘ bezeichnete. Zu einer Versöhnung der Klassen hat das nicht geführt. Aber die Zweidrittelgesellschaft ist zu einer Dreidrittelgesellschaft geworden.“ Oben der „produktivistische Block“, der sich als Weltoberschicht konstituiert, darunter das weite Feld der „Gemeinwirtschaft“, schließlich die Verweigerer und Verächter der Arbeitsgesellschaft, die man durchzufüttern sich entschlossen hat. Sage mir, was du träumst ... Vgl. Peter Glotz, Rückblick auf das 21. Jahrhundert, in: Rudolf Maresch und Florian Rötzer (Hrsg.), Renaissance der Utopie: Zukunftsfiguren des 21. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2004, S. 21–33.

Wolfgang Englers Text basiert auf zwei Kapiteln seines neuen Buches Bürger, ohne Arbeit: Für eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft, das Ende Februar im Berliner Aufbau-Verlag erscheint. 416 Seiten kosten 19,90 Euro.

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