Zäsur im light-Format

Ökologische Steuerreform: Perspektiven eines rot-grünen Reformprojektes

Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein sollte eine Abstimmung auch über die Ökologische Steuerreform (ÖSR) der Bundesregierung werden, so zumindest hatten es sich die skandalgeschüttelten Christdemokraten auf Plakaten und in Werbebotschaften versprochen. Doch die Ökosteuer, oder um es genauer zu sagen: die Erhöhung des Benzinpreises um sechs Pfennig am 1. Januar, spielte im Nord-Wahlkampf letztendlich keine Rolle. Sie wird - da muss man kein großer Prophet sein - um die kommenden Jahreswechsel herum jeweils ganz oben auf der politischen Agenda stehen, in der Folgezeit jedoch kein großes Thema sein.

Mit dem ÖSR-Gesetz zur zweiten Stufe haben SPD und Grüne den Geburtsfehler der Reform, die fehlende Langfristigkeit des Projekts, behoben: Bis zum Jahr 2003 werden insgesamt fünf Stufen erklommen sein. Diese strategische Orientierung, die den lähmenden Vier-Jahres-Zyklus von parlamentarischer Politik durchbricht, ist ohne Zweifel eine historische Zäsur. Zugleich hat Rot-Grün eine instrumentelle Erweiterung bundesdeutscher Umweltpolitik vorgenommen, die erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand - wenn deutlich wird, welche neuen Optionen sich dadurch eröffnen - richtig zu würdigen sein wird.

Gleichwohl ist Kritik am Gesetz zweifellos angebracht. Im einzelnen ist zwischen 2000 und 2003 vorgesehen, Kraftstoffe um jährlich sechs Pfennig pro Liter (einen höheren Betrag verhinderte der Kanzler höchstpersönlich) und Strom um jeweils 0,5 Pfennig/kWh zu verteuern. Mit den Einnahmen sollen die Beiträge zur Rentenversicherung innerhalb von vier Jahren um einen Prozentpunkt reduziert werden (0,1 Prozentpunkte in 2000, jeweils 0,3 Prozentpunkte in den Folgejahren).

Zentraler Makel der kommenden ÖSR-Stufen wird deren absehbar geringe ökologische Lenkungswirkung sein. Die Kraftstoff-Verteuerungen werden den Kohlendioxid-Ausstoß des Verkehrssektors allenfalls stabilisieren, da der Autoverkehr weiter ungebrochen wächst. Da Erdgas und Heizöl - ein schlimmer Strukturfehler - von Erhöhungen ausgenommen werden, bleibt das weitere Erschließen der großen Einsparpotentiale im Raumwärmebereich aus. Der grundsätzlich eigentlich positive Effekt der Stromsteuererhöhungen wird durch die laufenden Strompreissenkungen im Zuge der Liberalisierung aufgehoben. Für den Kohleverbrauch wurde außerhalb der Stromerzeugung erneut keine Energiebesteuerung eingeführt - ein Kniefall vor der Lobby.

Die Volkswirtin Bettina Meyer geht davon aus, dass nach dem fünften Jahr der ÖSR mit einer
zusätzlichen CO2-Reduzierung von etwa zwei Prozent zu rechnen sei. Damit klafft zwischen dem Anspruch der Bundesregierung, bis zum Jahr 2005 den Kohlendioxidausstoß gegenüber 1990 um 25 Prozent zu verringern, und der Realität (Minus 14 Prozent bis 1998) weiter eine riesengroße Lücke. Diese könnte geschlossen werden, wenn die Ausnahmen und Sonderregelungen begrenzt würden. Zunächst gilt aber weiter ein reduzierter Steuersatz von 20 Prozent für produzierendes Gewerbe und Landwirtschaft, den gar eine sogenannte "Härteklausel" flankiert.

Zwei weitere Kritikpunkte sind, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Absenkung der Lohnnebenkosten um 2,4 Prozentpunkte nach drei Jahren selbst trotz der zeitlichen Streckung der ÖSR auf fünf Jahre verfehlt wird: Erreicht werden 2003 nur 1,8 Prozentpunkte. Ferner kritisch: die soziale Wirkung. Während Wohngeld und BAföG erhöht werden, sollen die Renten nur an den Inflationsausgleich angeglichen werden.

Im Ausblick ist festzustellen, dass vor allem die geplante Neufassung der Ausnahme- und Sonderregelungen zur dritten Stufe erneut Lobbyisten mobilisieren und eine neuerliche Thematisierung anstoßen dürfte. Auch die aus EU-rechtlichen Gründen umstrittene Steuerbefreiung für erneuerbare Energieträger wird von Regierungsseite weiter angestrebt. Gleichwohl dürften die wesentlichen Eckdaten der Ökologischen Steuerreform, insbesondere die beschlossenen Steuersätze, nicht angetastet werden. In dieser relativen Ruhe um das Projekt könnte die Kraft liegen, die Debatte wieder auf frühere Ansätze einer Ökologischen Finanzreform zu führen, die einen erheblich breiteren Ansatz verfolgten.

Außer einer Energiebesteuerung war dabei insbesondere der Abbau ökologisch kontraproduktiver Subventionen vorgesehen. Für Ökologiepolitiker besteht nun die Chance, dieses Konzept mit der Haushaltskonsolidierung zu verkoppeln, indem "Modernisierung" unter Rückgriff auf ökologische Werte betrieben wird. Wenn tatsächlich bis zum Jahr 2006 ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden soll, sind gewaltige Anstrengungen nötig. Mögliche ökologische Akzentsetzungen, wie die Aufhebung der Mineralölsteuerbefreiung für die Luftfahrt und die Mineralölsteuerbefreiung des Eigenverbrauchs von Mineralölherstellungs- und Gasgewinnungsbetrieben ("Herstellerprivileg"), berühren internationale Abkommen und können nur europaweit vollzogen werden.

Nationaler Handlungsspielraum hingegen besteht etwa in der Angleichung des ermäßigten Mineralölsteuersatzes für Diesel an den Steuersatz von bleifreiem Benzin, die beispielsweise in Großbritannien längst vollzogen worden ist, in der Umwandlung der Kilometer- in eine (niedrigere) verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale und im Streichen ökologisch unsinniger Verkehrsprojekte. Ein erster Ansatz ist die von der Bundesregierung im Zukunftsprogramm 2000 geplante Reduzierung der Gasölbetriebshilfe in der Landwirtschaft.

Überdies können nun auch wieder verstärkt andere ökologische Problemfelder und Instrumente ins Blickfeld rücken. Historisch betrachtet brachte die Debatte über umweltökonomische Instrumente rund 150 Abgabenvorschläge hervor, die aber im Zuge der Fokussierung auf die Energiesteuer keine Rolle mehr spielten. Andere ökologisch relevante Problemfelder wie etwa die Landwirtschaft und der Flächenverbrauch bieten sich nun zur Feinsteuerung an. Mittelfristig muss es zur ökologischen Umgestaltung bestehender Steuern bzw. Sonderabgaben und zur Einführung neuer Abgaben auf umweltbelastende Tatbestände kommen. Einerseits diese alten Ansätze zu überprüfen, sowie andererseits die ökologisch kontraproduktiven Subventionen kenntlich zu machen und das bestehende ÖSR-Gesetz auf seine Wirksamkeit hin zu überprüfen, könnte Aufgabe einer Ökosteuer-Kommission sein. Damit wird, wie etwa in nordeuropäischen Ländern bereits erfolgreich praktiziert, das Thema institutionalisiert, was sein Abrutschen von der politischen Agenda verhindert.

Von unseren Autoren ist jüngst ein Buch zum Thema erschienen. Danyel T. Reiche/Carsten Krebs (1999): Der Einstieg in die Ökologische Steuerreform. Aufstieg, Restriktionen und Durchsetzung eines umweltpolitischen Themas, Verlag Peter Lang, Frankfurt/Main, 337 Seiten. ISBN 3-631-35561-0 (per Fax direkt beim Verlag unter 069/780 70 550 zu bestellen).

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