Wie protektionistisch wird Amerika?

Präsident Obama steht vor einem Balanceakt: International muss er für offene Märkte einstehen, nach innen hingegen muss er dem handelspolitischen Unilateralismus seiner Partei entgegenkommen. Es drohen schwierige Verhandlungen

Als der amerikanische Kongress Anfang des Jahres über ein rund 800-Milliarden-Dollar schweres Konjunkturpaket beriet, ging ein Aufschrei durch die Reihen der Handelspartner der Vereinigten Staaten. Denn die Hilfen für die amerikanische Wirtschaft sollten an eine strenge "Buy American"-Klausel gekoppelt werden, um zu verhindern, dass Geld ins Ausland fließt und dort womöglich Konkurrenten heimischer Produzenten gefördert werden. Der Ende Januar vom Repräsentantenhaus verabschiedete Gesetzesentwurf sah vor, dass bei den geplanten Infrastrukturprojekten nur Stahl, Eisen und verarbeitete Erzeugnisse aus amerikanischer Produktion eingesetzt werden dürften. Der Vorschlag des Senats ging sogar noch einen Schritt weiter: Alle Materialien und Ausrüstungsgegenstände, die bei staatlich finanzierten Konjunkturprojekten zum Einsatz kommen, sollten aus amerikanischer Produktion stammen. Die Große Mehrheit der Bevölkerung unterstützte diese Maßnahme. Laut dem Umfrageinstitut "Pew Research Center" waren zwei Drittel aller Befragten der Auffassung, dass die Vorschrift eine "gute Idee ist und Arbeitsplätze in den USA sichert".

Zahlreiche Beobachter, die mit Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf 2008 vor einem neuen amerikanischen Protektionismus gewarnt hatten, sahen sich bestätigt. Schließlich hatte Barack Obama - wenn auch nicht so laut wie seine Konkurrentin Hillary Clinton - deutliche protektionistische Töne angeschlagen. Unter anderem hatte er mit der Ankündigung um Stimmen geworben, alle Freihandelsabkommen auf den Prüfstand zu stellen. Er hatte sogar angekündigt, über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA neu zu verhandeln und die im Abkommen enthaltenen Abschnitte zu Umwelt- und Arbeitsstandards zu stärken.

Gleich mehrere Handelspartner kritisierten die "Buy American"-Klausel. Brasilien drohte, die Bestimmung vor dem Streitschlichtungsgericht der Welthandelsorganisation (WTO) anzufechten. Auch die EU kündigte an, nicht tatenlos zuzuschauen, "wenn ein Gesetz verabschiedet wird, das den Kauf europäischer Güter in Amerika verbietet".

Können sich die USA Abschottung leisten?

Es war die erste Feuerprobe für die Handelspolitik des neuen Präsidenten, der gerade einmal eine Woche im Amt war. Sein Sprecher Robert Gibbs versuchte denn auch gleich zu beschwichtigen: "Die Regierung wird diese Klausel überprüfen. Sie versteht die Bedenken, die dagegen vorgetragen wurden." Und Barack Obama selbst kritisierte die Vorschläge des Kongresses als potenzielle Quelle von Handelskriegen, die sich die USA in Zeiten, in denen der Handel überall auf der Welt zurückgehe, nicht leisten könne. Anfang Februar schwächte der Kongress die Klausel dann ab -ein Erfolg nicht nur für die Handelspartner der USA, sondern auch für die Regierung Obama, die dadurch ihre Führungskompetenz unter Beweis stellen konnte. Die Klausel enthält nun den Zusatz, dass die internationalen handelspolitischen Verpflichtungen der USA nicht verletzt werden dürfen. Gemeint sind sowohl das WTO-Abkommen zum öffentlichen Beschaffungswesen (GPA) als auch die bilateralen Handelsabkommen der Vereinigten Staaten. Und nicht nur das: In zahlreichen Reden betonte Barack Obama die Bedeutung offener Märkte, nicht zuletzt Anfang April beim Finanzgipfel der G20.

Als wirtschaftliche, militärische und außenpolitische Supermacht können sich die Vereinigten Staaten eine Abschottungspolitik eigentlich auch gar nicht erlauben. Wie wichtig stabile Handelsbeziehungen sind, zeigte sich allein im ersten Quartal 2009: In diesem Zeitraum wäre die amerikanische Wirtschaft noch viel stärker als rund sechs Prozent geschrumpft, wenn der Außenhandel nicht einen positiven Wachstumsbeitrag geliefert hätte. Zudem würde eine Politik der Abschottung einem zentralen außenpolitischen Ziel Obamas widersprechen: Der Wiederherstellung der Führungsrolle der USA sowie einer gemeinsamen Wertebasis mit verbündeten Staaten. Dies erklärt beispielsweise, warum die neue amerikanische Regierung nach anfänglichem Säbelrasseln mittlerweile deutlich moderatere Töne gegenüber dem Handelspartner China anschlägt. Gerade in der gegenwärtigen Phase der Krisenbewältigung sind die USA auf Gläubiger wie China angewiesen, um ihre steigenden Staatsschulden zu finanzieren.

Auch von neuen Verhandlungen über das NAFTA ist derzeit keine Rede mehr: Beim ersten Treffen mit dem mexikanischen Präsidenten Felipe Calderon am 12. Januar 2009 sagte Obama nur, er strebe ein "upgrade" des Freihandelsvertrages an, besonders bei arbeitsrechtlichen Standards und Umweltfragen. Ende April skizzierte der Handelsvertreter der Vereinigten Staaten Ron Kirk die Schwerpunkte der NAFTA-Politik der Regierung Obama. Erneut betonte er, dass das Abkommen angepasst und verbessert werden könne, ohne den gesamte Text neu zu verhandeln. Zudem wolle Barack Obama die Doha-Runde der WTO abschließen, die Kirk zufolge eine einzigartige Chance bietet, den Welthandel zu fördern.

Schwierigkeiten mit Mexiko und China

Und dennoch: Die Liste neuer Handelsbeschränkungen und -dispute ist lang. Unter anderem stritten sich die USA mit ihrem südlichen Nachbarn Mexiko über Speditions- und Transportdienstleistungen. Unter Verweis auf angebliche Sicherheitsmängel stoppten die USA die Finanzierung eines Pilotprogramms, das es bis zu 100 Transportunternehmen beider Länder erlaubte, Waren direkt bis an den Bestimmungsort zu transportieren (eigentlich müssen Güter an der Grenze auf LKW des jeweils anderen Landes umgeladen werden). Mexiko reagierte auf diese Transportbeschränkung mit der Erhöhung der Einfuhrzölle für 90 amerikanische Produkte, die immerhin 2,4 Milliarden Dollar des gesamten jährlichen Handelsvolumens in Höhe von 367 Milliarden Dollar ausmachen. Die Zölle wurden vor allem auf Produkte aus den Bundesstaaten verhängt, deren Abgeordnete sich besonders stark für die Aussetzung des Pilotprojekts eingesetzt hatten, darunter Michigan.

Obwohl sich Barack Obama während seiner Zeit als Senator noch vehement gegen das Pilotprogramm ausgesprochen hatte, griff er, wie bereits bei der "Buy American"-Klausel, beschwichtigend ein und wies die entsprechenden Regierungsbehörden an, mit dem amerikanischen Kongress und der mexikanischen Bundesregierung zu kooperieren, um ein neues Pilotprojekt auf den Weg zu bringen. Allerdings erwiesen sich die Verhandlungen als schwierig, nachdem die Schweinegrippe ausgebrochen war und große Gesundheitsbedenken bestanden.

Auch mit dem Handelspartner China gab es bereits erste Probleme: Ende März beschloss die United States International Trade Commission (ITC) Antidumpingzölle auf bestimmte chinesische Stahlröhren in Höhe von bis zu 101 Prozent, nachdem amerikanische Hersteller chinesischen Konkurrenten vorgeworfen hatten, ihre Produkte unter Preis zu verkaufen. Zudem forderte Obamas Energieminister Steven Chu Ende März vor dem Kongress, zum Schutz amerikanischer Hersteller Ausgleichszölle auf Waren aus Ländern zu erheben, die sich nicht zur Reduzierung von Treibhausgasen verpflichtet haben. Die Zölle sollten gleiche Marktbedingungen für alle schaffen. Auch diese Maßnahmen sollten sich in erster Linie gegen den Handelspartner China richten.

Kommt die amerikanische Abwrackprämie?

Im Kreuzfeuer der Kritik stehen ferner die amerikanischen Hilfen an die Automobilindustrie. Sowohl George W. Bush als auch Barack Obama griffen dem strauchelnden Sektor mit Milliardenhilfen unter die Arme. So erhielten die Autohersteller GM und Chrysler im Dezember vergangenen Jahres 17,4 Milliarden Dollar von der amerikanischen Bundesregierung als Bailout-Beihilfe, und nun werden auch Zulieferer unterstützt. Am 19. März billigte die White House Auto Industry Task Force ein Bürgschaftsvolumen in der Höhe von fünf Milliarden Dollar. Zudem liebäugeln die USA zurzeit mit einer Abwrackprämie, mit der die Regierung dem Automobilsektor einen Wachstumsimpuls verschaffen und gleichzeitig die Umstellung auf verbrauchsärmere Modelle fördern will. Diskriminierend wäre diese Prämie nicht unbedingt, da von ihr (zumindest dem Großteil der zurzeit im Kongress diskutierten Gesetzesentwürfen zufolge) auch Produzenten im Ausland profitieren würden. Hingegen wäre mit dämpfenden Effekten für Automobilimporte zu rechnen, sollte das Gesetz unterschiedliche Prämien für heimische und ausländische Modelle vorsehen oder gar verlangen, dass die gekauften Neuwagen in den Vereinigten Staaten gebaut wurden.

Zwiespältige Haltung in Handelsfragen

Schließlich ist auch die Sorge um die "Buy American"-Klausel keineswegs ganz aus dem Weg geräumt, auch wenn sie deutlich abgeschwächt wurde und mittlerweile mehr Klarheit über einzelne Bestimmungen besteht, beispielsweise wann ein Produkt als in den USA hergestellt gilt. Zwar dürfen die Vereinigten Staaten bei öffentlichen Aufträgen Unternehmen aus anderen GPA-Mitgliedsländern nicht diskriminieren, doch gilt das Abkommen nur für einen kleinen Kreis von Ländern. Bislang haben nur 27 Mitglieder der WTO das plurilaterale Abkommen unterzeichnet (darunter auch die EU). Viele Schwellen- und Entwicklungsländer sind bislang noch nicht Mitglied und befürchten daher einen Rückgang ihrer Exporte in die USA.

Aber selbst Mitglieder des GPA könnten die Auswirkungen der Klausel zu spüren bekommen, denn das Abkommen bietet erheblichen Spielraum: Für die USA beispielsweise fallen Straßenbaumaßnahmen sowie Projekte des öffentlichen Nahverkehrs nicht unter das GPA. Somit können diese Bereiche auch nicht im Kontext der "Buy American"-Klausel vor dem Schiedsgericht der WTO angefochten werden. Zudem wird das Abkommen nicht auf alle staatlichen Ebenen seiner Mitgliedsstaaten -  Bundesebene, Länderebene, lokale Ebene-gleichermaßen angewendet. In den Vereinigten Staaten etwa gilt es nur für 37 der 50 Bundesstaaten, und jeder Staat hat den Anwendungsbereich anders definiert. Ausnahmen gelten beispielsweise für die Beschaffung von Fahrzeugen für den öffentlichen Nahverkehr (New York), Papier, Schiffe und Brennstoffe (Washington) oder Rindfleisch (South Dakota).

Zwar sind die genannten Beispiele nicht als Beweis für einen Richtungswandel in der amerikanischen Handelspolitik zu verstehen, schließlich unterscheiden sich die Maßnahmen kaum von dem, was im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise in anderen Ländern zu beobachten ist. Und auch die Regierung Bush hat wiederholt einzelne Sektoren geschützt, man erinnere sich nur an die Schutzzölle auf Stahlimporte 2001. Allerdings sind die Maßnahmen auch Ausdruck der zwiespältigen Einstellung der Regierung in Handelsfragen: Einerseits versucht die Regierung Obama, protektionistischen Bestrebungen entgegenzusteuern, andererseits muss sie den Forderungen aus der eigenen Partei Rechnung tragen. Dies spiegelt sich auch in Ron Kirks Bestätigungsanhörung vor dem Senat wider, in der er sich zwar für offene Märkte aussprach, zugleich aber betonte, dass auch andere Länder "sich nicht immer an die Regeln halten".

Jetzt werden "alle Werkzeuge" genutzt

Im Mittelpunkt der Handelsagenda der amerikanischen Regierung stehen Marktöffnung und die Durchsetzung von Regeln. Denn laut Ron Kirk ist die Einhaltung der Handelsregeln nur unzureichend eingefordert worden; unzureichende Arbeits- und Umweltstandards im Ausland hätten zudem die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Exporteure unterminiert. Er versprach daher, alle "Werkzeuge im Werkzeugkasten" des Handelsvertreters der Vereinigten Staaten zu nutzen, inklusive des WTO-Streitschlichtungsverfahren, um Maßnahmen zu ahnden, die amerikanischen Exporten schadeten.

Sowohl in der handelspolitischen Agenda 2009 als auch im Jahresbericht zu Handelsbarrieren National Trade Estimate Report on Foreign Trade Barrier im März kündigte Kirk an, die bestehenden amerikanischen Rechte innerhalb eines Rules-Based Trading Systems aktiv einzufordern. Entsprechend sollen Handelsbarrieren abgebaut und der Marktzugang gerade für amerikanische Dienstleistungen und Agrarprodukte im Ausland verbessert werden. Auch die Doha-Runde werde erst dann abgeschlossen werden können, wenn amerikanische Bedingungen bei der Marktöffnung für amerikanische Produkte stärker berücksichtigt würden. Gerade die aufstrebenden Schwellenländer müssten größere Zugeständnisse machen. Kirk sieht daher auch erst im Herbst oder zum Jahresende die Möglichkeit, in der Doha-Runde maßgeblich voranzukommen.

Obama verspricht mehr Konsultationen ...

Damit reagierte Kirk auch auf Forderungen aus dem Kongress, wo derzeit über die Wiedereinführung des so genannten Super 301 diskutiert wird. Gemäß dem "Omnibus Trade and Competitiveness Act" von 1988 war der Handelsbeauftragte verpflichtet, dem Kongress jährlich einen Bericht in Form einer Prioritätenliste über diejenigen Handelspraktiken anderer Länder vorzulegen, deren Beseitigung der amerikanischen Industrie am meisten helfen würde. Kam es in den anschließenden Konsultationen zu keiner Lösung mit dem betroffenen Land, war der Handelsvertreter verpflichtet, unilaterale Maßnahmen zu verhängen. Der Super 301 war Ausdruck des aggressiven Unilateralismus der achtziger Jahre und stark umstritten. Selbst wenn es sich dabei nicht in erster Linie um ein protektionistisches Schutzinstrument handelt, riskiert er doch aufgrund seiner arbiträren Wirkung, Gegenmaßnahmen im Ausland hervorzurufen. Seit der Gründung der WTO im Jahr 1996 war die Klausel daher nicht mehr angewendet worden.

Im Repräsentantenhaus sprachen sich 14 demokratische Abgeordnete für die Wiedereinführung des Instruments aus. Die Abgeordneten warnten, dass ohne eine strengere Regeldurchsetzung angesichts des wachsenden Protektionismus weltweit sowohl das Handelsbilanzdefizit - im Jahr 2008 rund 820 Milliarden Dollar - als auch die Auslandsverschuldung der Vereinigten Staaten weiter ansteigen würden. Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Senat, Max Baucus sprach sich ebenfalls für Gesetze aus, die sicherstellen, dass nicht nur die in dem jährlichen Bericht identifizierten Verletzungen von Handelsabkommen unverzüglich verfolgt werden, sondern auch bloße Behinderungen amerikanischer Unternehmen auf ausländischen Märkten.

Weitere Themen, die sich durch die bisherigen Dokumente und Reden des neuen Handelsvertreters ziehen, sind Transparenz und die Beteiligung aller Interessengruppen am handelspolitischen Prozess. "Wir werden den Bitten nachkommen, wo wir können, und respektvoll sein, wo wir nicht übereinstimmen", versprach Kirk wiederholt - in deutlicher Abgrenzung zur Regierung Bush und den Republikanern, die in handelspolitischen Angelegenheiten kaum auf Kooperation gesetzt, sondern eine rigide "Go-it-Alone"-Strategie verfolgt hatten. Barack Obama werde den Kongress um die Erneuerung der Handelsvollmacht Trade Promotion Authority (TPA) bitten, allerdings erst nach umfassenden Konsultationen. Weil die Kompetenz über die Handelspolitik in den Händen des Kongresses liegt, ist die Erneuerung der Handelsvollmacht eine grundlegende Voraussetzung für eine proaktive Handelspolitik. Auch neue Handelsabkommen werde die Regierung Barack Obama nicht ohne den Kongress auf den Weg bringen.

... doch sein Spielraum ist begrenzt

Schließlich versprach Kirk den amerikanischen Arbeitern Unterstützung, die durch internationalen Wettbewerb geschädigt wurden. Ein Schritt in diese Richtung war die Erweiterung des Trade Adjustment Assistance Program (TAA) im Konjunkturpaket vom Februar 2009. Hintergrund: Im Jahr 2007 war das Sozialprogramm des Bundes für Arbeitnehmer ausgelaufen, die ihren Arbeitsplatz aufgrund von Importkonkurrenz verloren haben. Der Kompromiss sieht eine Verlängerung des TAA bis einschließlich 2010 vor. Gleichzeitig wird das Programm maßgeblich ausgeweitet: Zukünftig sollen auch Beschäftigte des Dienstleistungssektors vom TAA profitieren, und Mittel für berufliche Fortbildungen sollen aufgestockt werden.

Auch wenn das TAA ein Zugeständnis an die Demokraten war (manche Beobachter vermuten sogar, dass damit der Weg für die Ratifizierung der Freihandelsabkommen mit Kolumbien, Panama und Südkorea frei sei) bleibt Barack Obamas handelspolitischer Spielraum stark eingeschränkt. Für eine proaktive, an Handelsliberalisierung orientierte Handelspolitik ist angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage und der Stimmung im Kongress kaum Raum.

Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass das amerikanische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2009 um 2,8 Prozent zurückgeht und die Arbeitslosigkeit auf knapp neun Prozent steigt. Kein Wunder, dass Handelspolitik bislang keinen zentralen Platz in der Wirtschaftspolitik der Obama-Regierung hat. Stattdessen besitzen das Krisenmanagement und die Reform der Finanzmarktarchitektur Priorität. Hinzu kommt, dass in der Handelspolitik für Obama die meisten Konflikte mit seiner Partei lauern. Die Demokraten sind zwar nicht allesamt Protektionisten, doch stehen sie nach acht Jahren George W. Bush und dem Abschluss von elf bilateralen Handelsabkommen einer weiteren Handelsliberalisierung kritisch gegenüber. Viele von ihnen gelten als "Fair-Trader": Demnach sollten Freihandelsabkommen an Arbeits- und Umweltstandards gekoppelt werden. Schon jetzt wurden zahlreiche kritische Stimmen aus dem Kongress laut: Mike Michaud, demokratischer Abgeordneter aus Maine, fragte etwa: "Wollen wir wirklich während einer Rezession die Handelsabkommen der Regierung Bush verabschieden?"  Und Senator Sherrod Brown deutete bereits an, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der alle Handelsabkommen solange auf Eis legt, bis eine überparteiliche Studie ihre Auswirkungen analysiert hat.

Wenn es dem neuen Präsidenten und seinem Handelsbeauftragten nicht gelingt, im Kongress wieder eine mehrheitsfähige Koalition aus Befürwortern des Freihandels herzustellen, werden die Vereinigten Staaten in handelspolitischen Fragen verstärkt widersprüchliche Signale aussenden. International muss der Präsident für offene Märkte einstehen, nach innen muss er den Bedenken und Wünschen seiner Partei Rechnung tragen, will er nicht riskieren, deren Unterstützung bei anderen wichtigen Reformprojekten zu verlieren. Dieses Dilemma dürfte internationale Verhandlungen sehr erschweren.

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