Welajati musste zu Hause bleiben

Die Junge Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion will ein Kreativzentrum sein

In juveniler Unbescheidenheit bezeichnet sich die Junge Gruppe der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag als "Kreativzentrum" der Unionsfraktion. 14 Abgeordnete - davon 50 Prozent Frauen - im Alter bis zu 35 Jahren gehören der Jungen Gruppe in dieser Legislaturperiode an. In jeder Sitzungswoche treffen sich die jungen Parlamentarier zum Meinungsaustausch, laden Gäste zu Sachthemen ein und bringen gemeinsame Initiativen und Anträge ein.

Die Junge Gruppe hatte sich in der 12. Legislaturperiode erstmalig konstituiert. Gemeinsam wollten die jüngeren Abgeordneten den Kurs der Union mitbestimmen und die Modernisierung der Partei beschleunigen. Es galt, CDU und CSU für Themen jenseits der einschlägigen Unionspfade zu öffnen: Menschenrechte, multikulturelles Zusammenleben, aber auch Engagement in der Wirtschafts- und Sozialpolitik wie die Schaffung eines neuen Generationenvertrages waren und sind die Schwerpunkte der Arbeit. Und diese Arbeit war erfolgreich: So legten die jungen CDU/CSU-Parlamentarier unter Federführung von Andreas Storm einen Zehn-Punkte-Plan zum Thema "Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in der Bundesrepublik" vor. Der Kernpunkt des Papiers, die Einfügung eines demographischen Faktors in die Rentenformel, hatte sich im Rahmen des 1998 von der christlich-liberalen Koalition verabschiedeten Rentenreformgesetzes durchgesetzt.

Bei den Granden der Union waren die jungen Parlamentarier wohlgelitten, auch wenn es zu mancherlei Reibereien, besonders mit den CSU-Parlamentariern, kam. Bundeskanzler Helmut Kohl bezeichnete die Gruppe als "nachwachsende Rohstoffe" und lud regelmäßig ins Kanzleramt zum mehrstündigen Gedankenaustausch ein. Von der Öffentlichkeit wurde die Junge Gruppe als Ausweis dafür registriert, dass politisch etwas nachgewachsen ist bei den Unionsparteien und dass die verbreitete Klage, die Politik sei angegraut und zu wenig reizvoll für tatendurstige junge Politikinteressierte, nicht berechtigt ist. Dabei wandelten die Mitglieder der Gruppe während der Regierungszeit von CDU/CSU auf einem schmalen Grat: Einerseits wollten sie als Abgeordnete der Regierungskoalition den Erfolg der Bundesregierung sichern und daher nicht ein Bild der Zerstrittenheit in die Öffentlichkeit tragen, andererseits musste aber auch deutlich werden, dass es ihnen mit dem Erneuerungswillen ernst und man nicht bereit war, alles hinzunehmen.

Zu einer Nagelprobe kam es, als die damalige Opposition beantragte, den iranischen Außenminister Ali Akbar Welajati wieder auszuladen. In der Woche zuvor war der israelische Regierungschef Izchak Rabin ermordet worden und der iranische Präsident hatte darüber seine Genugtuung zum Ausdruck gebracht. Damals stimmte die deutliche Mehrheit der Jungen Gruppe mit der Opposition. Welajati musste zu Hause bleiben.

Auch für diese Legislaturperiode hat die Junge Gruppe sich wieder ein großes Arbeitsprogramm vorgenommen. Seit Oktober 1998 wurden zwanzig Expertengespräche geführt, unter anderem mit Vertretern des Vorstandes der Fraktion, des Bundes Junger Unternehmer, des Deutschen Industrie- und Handelstages, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Hanns-Seidel-Stiftung. Der Schwerpunkt dieser Legislaturperiode liegt in der Erarbeitung eines neuen Generationenvertrages. Die Diskussion beschränkt sich dabei nicht nur auf das Rentensystem, sondern umfasst auch die Steuer- und Abgabenpolitik, die Senkung der Staatsverschuldung und die Umweltpolitik. Dabei fordert die Junge Gruppe die Erstellung einer Generationenbilanz, aus der hervorgehen soll, wie heutige und künftige Belastungen auf die Generationen verteilt werden.

Ein weiteres zentrales Thema war die Diskussion um die Errichtung des "Holocaust-Mahnmals". Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie das Mahnmal auch eine Gedenkstätte für die Jugend sein kann.

Neun Jahre nach der deutschen Einheit will die Junge Gruppe ihren Beitrag dazu leisten, den Prozess der Verbundenheit in Deutschland weiter zu fördern. Im Rahmen ihrer Klausurtagung im April in Potsdam hat die Gruppe gemeinsam mit Experten die Anforderungen erörtert, die das bevorstehende zweite Jahrzehnt der Wiedervereinigung prägen.

Weiterhin versteht sich die Junge Gruppe als Ansprechpartner für Jugendliche und Jugendverbände. In diesem Jahr wird die traditionelle Bundesjugendpressekonferenz der Jungen Gruppe fortgeführt. Schüler- und Jugendzeitungsredakteure aus ganz Deutschland werden mit führenden Vertretern der Union über aktuelle Themen diskutieren.

Um einen regelmäßigen Austausch der Parlamentarier von Kommunen, Land, Bund und Europaparlament zu fördern und junge Themen gemeinsam voranzutreiben, baut die Gruppe derzeit ein Netzwerk junger Abgeordneter auf.

Für großen Wirbel in der letzten Legislaturperiode sorgten auch die Treffen mit den Altersgenossen von der Grünen-Bundestagsfraktion. Die "Pizza-Connection" traf sich regelmäßig im privat-politischen Kreis bei einem Bonner Italiener. Persönliche Freundschaften und politische Initiativen zur Unterstützung des Rio-Nachfolgeprozesses und der Reduzierung des Weltbevölkerungswachstums sind daraus entstanden. Die allein polemische Abgrenzung vom politischen Gegner lehnt die Junge Gruppe ab, zählen sollen Sachlichkeit und Argumentationsstärke.

In diesem Sinne freuen sich die jungen Unionsabgeordneten auch auf die Zusammenarbeit mit den jungen Kolleginnen und Kollegen aus der SPD. Einem ersten Kennenlernen diente ein von Sebastian Edathy und dem Autor organisiertes (und leider auch bezahltes) Spargelessen in der Niedersächsischen Landesvertretung in Bonn im Mai 1999. Vielleicht der Beginn einer Spargel-Connection?

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