Was bedeutet eigentlich "Neue Wertschöpfung"?

Der Entwurf des SPD-Parteiprogramms verspricht eine "Politik der neuen Wertschöpfung". Aber wie kann diese aussehen? Was muss an der alten Wertschöpfung verändert werden? Und wo liegen die Quellen einer neuen?

Unter „alter Wertschöpfung“ wird hier die traditionelle Differenz zwischen den Kosten der Vorproduktion und dem Wert des Outputs verstanden. Im Kern entspricht sie den Löhnen und Gewinnen. Die „neue Wertschöpfung“ erfasst dagegen den realen Zuwachs an gesellschaftlichem Wohlstand.

Die Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft beruht auf einer Kombination der hier arbeitenden Menschen mit dem verfügbaren Kapital. In Deutschland leben 82,5 Millionen Menschen. Etwa 12 Millionen Einwohner sind jünger als 15 Jahre, knapp 15 Millionen sind älter als 65, verbleiben also 55,5 Millionen Personen im erwerbsfähigen Alter. Sie verfügen über Fähigkeiten, die sie beispielsweise in der Familie, in der Schule, im Rahmen einer Ausbildung oder während einer Beschäftigung erworben haben. Rund 13 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Fachhochschul- oder Hochschulreife, etwa 26 Millionen Einwohner haben eine Lehre gemacht, und 13,5 Millionen verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung, wobei diese problematische Masse Geringqualifizierter aufgrund der deutschen Bildungsmisere leider wächst. Hinzu kommen diejenigen, die derzeit noch in der Ausbildung sind. Das ist der deutsche Humankapitalstock, mit dem Wertschöpfung betrieben werden kann.

Dieses Humankapital kann auf einen Sachkapitalstock zurückgreifen, der maßgeblich für seine Produktivität mitverantwortlich ist und dessen Eigentümer etwa ein Viertel der Wertschöpfung für sich beanspruchen. Das Anlagevermögen beläuft sich in Deutschland auf rund 11 Billionen Euro, wovon der größte Teil Immobilien (9 Billionen Euro) und Ausrüstungen wie Maschinen, Geräte, Fahrzeuge (2 Billionen Euro) sind. Dieses Sachvermögen gehört teils dem Staat (rund 1,5 Billionen Euro), teils den Haushalten und teils den Unternehmen, die allerdings indirekt wieder Haushalten gehören. Das Geld- oder Finanzvermögen liegt mit 17 Billionen Euro deutlich höher, jedoch sind die Nettopositionen niedriger: Unternehmen und Staat schulden den Haushalten insgesamt 2,5 Billionen Euro.

Wohlstandsmehrung durch Produktivität

Arbeit und Kapital schaffen hierzulande eine jährliche Wertschöpfung (meist „Bruttoinlandsprodukt“ (BIP) genannt) in Höhe von rund 2,2 Billionen Euro. Diese „alte Wertschöpfung“ wird über den Staat und die Sozialversicherungen umverteilt. Der Staat erhält vom BIP über die Mehrwertsteuer 200 Milliarden Euro und von den Haushalten und Unternehmen noch einmal 200 Milliarden Euro Einkommens- und Unternehmenssteuer. Hinzu kommen Sozialbeiträge in Höhe von 450 Milliarden Euro. Die damit finanzierten Aktivitäten gelten nicht als Wertschöpfung, da sie nicht auf dem Markt verkauft werden. Tatsächlich erhöhen die umverteilten Geldeinkommen (Rente, Arbeitslosenunterstützung, Sozialhilfe, Krankengeld) auch nicht die Nachfrage, wenn man davon absieht, dass die ärmeren Nutznießer der Umverteilung eine höhere Konsumneigung haben, als die reicheren Steuer- und Beitragszahler.

Die Wertschöpfung der deutschen Volkswirtschaft kann nur wachsen, wenn entweder die Arbeitsproduktivität oder der Arbeitseinsatz steigt. Nach der Logik der alten Wertschöpfung wäre folglich jede Steigerung dieser beiden Zentralelemente wohlstandsmehrend.

Produktivitätssteigerungen führen – bei gleichem Output – zu höheren Realeinkommen, die in Form höherer Geldeinkommen oder niedrigerer Preise anfallen können. Zudem können Produktivitätszuwächse zu gleichem Output bei geringerem Arbeitseinsatz führen, was in der Vergangenheit auch im großen Umfang geschehen ist. Produktivität ist somit der Schlüssel zur Wohlstandsmehrung und der eigentliche Kern der ständig beschworenen internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Der „alten Wertschöpfung“ gilt Produktivität als das Verhältnis von Wertschöpfung (oder Ertrag) zur eingesetzten Arbeit, wobei Wertschöpfung die Differenz zwischen den Kosten des Inputs und dem Wert des Outputs darstellt. Deshalb zielen die meisten traditionellen Ansätze zur Produktivitätsverbesserung aus Wirtschaft und Politik darauf ab, entweder die Kosten der Inputs zu senken (beispielsweise Steuern oder Löhne) oder den Preis des Outputs zu erhöhen. Wenn sich darüber hinaus an den Produktionsprozessen oder der Produktqualität nichts ändert, sind diese Preisänderungen aber nur eine Umverteilung zu Lasten der Zulieferer oder Käufer. Sie erhöhen nicht den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand, sondern verteilen ihn nur um. Eine Ausnahme sind Preisveränderungen im Außenhandel, wo die Umverteilung zulasten (oder zugunsten) des Auslands geht und somit dank besserer (oder schlechterer) Austauschverhältnisse (terms of trade) das eigene BIP erhöht beziehungsweise senkt. Daraus ergibt sich eine der wenigen sinnvollen Definitionen nationaler Wettbewerbsfähigkeit: eine Struktur der Importe und Exporte, die eine nachhaltige Verbesserung der Austauschverhältnisse erlaubt.

Externalisierung sozialer Kosten

Wahre Wohlstandsgewinne können sich also nur aus einer Steigerung der physischen Produktivität ergeben. Möglich sind etwa effizientere Produktionsverfahren, die bei gleichbleibenden Preisen automatisch die monetäre Produktivität erhöhen oder dank verbesserter Produktqualität den Konsumenten nützen. Doch auch hier kann sich hinter manch angeblicher Effizienzsteigerung wieder nur eine Umverteilung verbergen. Vor allem sobald Unternehmen die sozialen Kosten externalisieren, liegen nur scheinbare Produktivitätsverbesserungen vor – wenn Unternehmen etwa die Umwelt belasten, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter gefährden oder die Kunden bezüglich der Qualität ihrer Produkte täuschen. Auch wenn Unternehmen Risiken vernachlässigen oder ihren Kapitalstock nicht pflegen, können sie kurzfristige Einsparungen erzielen, die langfristig zusätzliche Kosten verursachen.

Im System der alten Wertschöpfung wirkt eine solche Vernachlässigung erst einmal wie eine Produktivitätssteigerung, da scheinbar mit geringeren Kosten der gleiche Output erzielt wird. So kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit zunächst erhöht werden. Später jedoch holen die Kosten bei der Gesundheitsversorgung, die sinkende Nachfrage kritischer Verbraucher oder die Umweltschäden die Volkswirtschaft wieder ein. Für arme, aufholende Länder wie China, die eine Politik der alten Wertschöpfung betreiben, mag das eine vorübergehende Option sein. Für Deutschland und andere reiche Länder ist es keine mehr.

Neben der Erhöhung der Produktivität kann auch ein vermehrter Arbeitseinsatz die alte Wertschöpfung eines Landes vergrößern, etwa in Form von Überstunden, verlängerter Wochenarbeitszeit, weniger Urlaub, weniger Krankheit, längerer Lebensarbeitszeit oder einer geringeren Arbeitslosigkeit. Natürlich sind nicht all diese Formen gleich wünschenswert, vor allem aus Sicht derer, die mehr arbeiten sollen – und dafür Tätigkeiten aufgeben müssen, denen sie in ihrer Freizeit nachgehen. Normalerweise haben auch Freizeittätigkeiten für die Individuen einen Nutzen, weshalb der Nutzen der zusätzlichen Arbeit sinkt. Eine erhöhte Erwerbstätigkeit ist aber nur attraktiv, wenn der dadurch entgangene Nutzen gering bleibt. Kurz: Gesteigerter Arbeitseinsatz bedeutet häufig keineswegs die produktive Nutzung brachliegender Arbeitskraft, sondern stellt nichts anderes dar als eine Umverteilung aus dem informellen Sektor in den formellen, marktbezogenen Bereich der Wirtschaft.

Die Privilegien der alten Wertschöpfung

Bei Tätigkeiten auf dem Schwarzmarkt oder in der Untergrundwirtschaft, aber auch bei familienbezogenen Tätigkeiten kann eine marktbezogene Arbeitssteigerung eine individuelle und gesellschaftliche Wohlfahrtsminderung bedeuten. Ein Beispiel: Jemand gibt die Pflege eines Verwandten zugunsten einer Arbeit auf, die so schlecht bezahlt ist, dass von dem verdienten Geld keine Pflegekraft eingestellt werden kann.

Die alte Wertschöpfung besitzt viele Privilegien. Sie wird in den offiziellen Statistiken gemessen; die Märkte schaffen für sie Anreize; und die Politik fördert sie ebenso wie eine von ihren Nutznießern manipulierte öffentliche Meinung. Die liberalen Kritiker sehen die staatliche Umverteilung als die Enteignung an der wahren Wertschöpfer zugunsten der Transfereinkommensbezieher und Nutznießer öffentlicher Güter und Dienstleistungen. Bei näherem Hinsehen jedoch entpuppt sich die alte Wertschöpfung zu einem erheblichen Umfang als die eigentliche Umverteilung von Wohlstand.

Kein Konkurrenzdruck – hohe Preise

So zählen Finanzanlagen bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge und riesige Exportüberschüsse als Erfolge, obwohl in beiden Fällen durch gegenwärtigen Konsumverzicht Forderungen entstehen, die künftige Generationen oder das Ausland später bezahlen müssen, und daher ebenfalls weniger konsumieren werden. Was sich nicht in Geld verrechnen lässt, auf dem Markt unverkäuflich ist oder keinen kurzfristigen Gewinn abwirft, steht unter dem Generalverdacht der Wertlosigkeit. Nicht gewinnträchtige und nicht marktbezogene Tätigkeiten – Arbeit in der Familie, Investitionen in die eigene Leistungsfähigkeit wie Bildung, Erholung oder Gesundheitsvorsorge, ein breites staatliches Angebot an öffentlichen Gütern und Dienstleistungen – zählen für die marktradikalen Vertreter der alten Wertschöpfung nicht zum Wachstum und mehren auch nicht den Wohlstand. Ginge es nach ihnen, müssten diese Tätigkeiten in marktbezogene, privatwirtschaftliche Aktivitäten umgewandelt werden.

Diese „Reformer“ erhoffen sich von der Privatisierung öffentlicher Unternehmen und der Deregulierung bisher geschützter Sektoren mehr Wachstum und Wohlstand. Und tatsächlich belasten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, die keinem Konkurrenzdruck unterworfen sind, die Konsumenten nicht selten mit hohen Preisen und geringer Qualität. Die hohen Preise werden nicht selten durch hohe Kosten verursacht, welche wiederum auf eine geringe Produktivität oder höhere Löhne zurückzuführen sind. Gemäß der Markttheorie führen erfolgreiche Privatisierungen oder Deregulierungen zu Kostensenkungen, die dem Verbraucher zugute kommen und somit die Nachfrage erhöhen. Ein gutes Beispiel aus der Praxis ist der Flugverkehr.

Diesem Nutzen für viele, oft ausländische Verbraucher stehen jedoch Belastungen zumeist im Inland gegenüber. Denn zum Teil werden die eingesparten Kosten nur umverteilt (externalisiert). Einige Beispiele: wenn die Löhne sinken und dadurch die Binnennachfrage abschwächt, wenn Arbeitskräfte entlassen werden, die nun das Sozialsystem belasten, wenn Versorgungsangebote wegfallen (zum Beispiel Notfallkapazitäten oder die Versorgung in der Fläche), wenn einige Verbrauchergruppen höhere Preise bezahlen müssen, da es keine Quersubventionierung mehr gibt, wenn die Verbraucher mit zusätzlichen Informations- und Transaktionskosten belastet werden, weil sie in einem unübersichtlichen Preisdschungel die günstigste Variante suchen müssen.

Die sozialen Kosten landen beim Staat

Während ein solcher Wettbewerb den Konsumenten im Idealfall nutzt, wird die Arbeitswelt immer härter, um Güter und Dienstleistungen immer preiswerter anbieten zu können. Menschenwürdige Entlohnung, Mitbestimmung, Arbeitnehmerrechte, Jobprofile auch für weniger belastbare Menschen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das alles steht angeblich der Wettbewerbsfähigkeit im Weg.

Die Wettbewerbslogik des Marktkapitalismus treibt die Produktivität voran, deren Gewinne angesichts immer schwächerer Gewerkschaften überwiegend bei den Kapitaleignern oder bestenfalls bei den Konsumenten landen. Die sozialen Kosten landen dagegen beim Staat. Somit steht einer verschärften Produktionssphäre eine Konsumsphäre gegenüber, die in drei Gruppen zerfällt, zwischen denen die Übergänge fließend sind: Die erste Gruppe umfasst die Besitzer gut entlohnter Produktionsfaktoren wie Kapital und hoch qualifizierter Arbeitskraft. In der zweiten Gruppe befinden sich die Besitzer schlecht entlohnter Produktionsfaktoren. Eine dritte Gruppe bilden die Empfänger häufig niedriger Transfereinkommen, die überwiegend aus dem Bruttoeinkommen der zweiten Gruppe stammen.

Die Attraktivität niedriger Preise

Die alte Wertschöpfung und die alte Umverteilung können sich auf das gemeinsame Interesse der ersten und dritten Gruppe stützen, die jede Veränderung erschweren. Beide sind dafür, den beschriebenen Prozess voranzutreiben, weil sie entweder Einkommen aus Unternehmensgewinnen beziehen oder als Konsumenten von einem hochproduktiven Angebot profitieren. Sie stellen schon heute eine Mehrheit der Wahlberechtigten, wenn nicht der Bevölkerung dar. Besonders die erste Gruppe verfügt über erhebliche Ressourcen und großen Einfluss. Und da sie keine Steuern zahlen, beteiligen sie sich auch nicht oder immer weniger an den externalisierten Kosten.

Das Zahlenverhältnis zwischen den marktbezogenen Beschäftigten (Gruppe 2) und den Nutznießern immer härterer Produktionsbedingungen (Gruppe 1 und 3) hat sich deutlich verschoben. Etwa 40 Millionen Deutsche verfügen über keinerlei direkte Arbeits- oder Markteinkommen. Dazu zählen 12 Millionen Kinder und Jugendliche, 3 Millionen Auszubildende, 15 Millionen über 65-Jährige, 6 Millionen Frührentner sowie 4 Millionen Arbeitslose und Kranke. Hinzu kommen mehrere Millionen Besitzer von Vermögen und, zu einem gewissen Grad, auch die Beschäftigten in den geschützten Sektoren, etwa die 2,2 Millionen Beamte im öffentlichen Dienst. Sie alle sind erheblich mehr an niedrigen Preisen als an guten Arbeitsbedingungen im ungeschützten Konkurrenzsystem interessiert, selbst wenn sie dort vielleicht einmal beschäftigt waren oder sein werden.

Umgekehrt könnte die Bereitschaft der Beschäftigten aus der zweiten Gruppe sinken, mit ihren Steuern und Sozialbeiträgen den Konsum der dritten Gruppe zu finanzieren. Für sie werden liberale Positionen des Sozialabbaus attraktiv. Dieser Konflikt nimmt mit der demografischen Entwicklung sogar noch zu. Um ihn zu entschärfen, müssen die Kriterien für den Bezug von Transfereinkommen überdacht und neu definiert werden. Dabei geht es nicht primär um Kürzung, denn das ständig wachsende Produktivitätsniveau der deutschen Wirtschaft erlaubt, ja erfordert wahrscheinlich sogar eine partielle Abkoppelung von Einkommen und Beschäftigung.

Die Grenzen strenger setzen

Die Überwindung dieses Konflikts erfordert eine Politik der „neuen Wertschöpfung“. Auch sie setzt auf vermehrten Arbeitseinsatz und erhöhtes Produktivitätswachstum, jedoch in politisch strenger gesetzten Grenzen.

Für eine sinnvolle Beschäftigungssteigerung sollte man nicht die Wochenarbeitszeit verlängern, den Urlaub kürzen oder Kranke zur Arbeit schicken, sondern sich auf die vier Millionen Arbeitslosen konzentrieren. Angeblich scheitert eine Steigerung der Beschäftigung maßgeblich daran, dass die Anspruchslöhne der Arbeitslosen – vor allem dank großzügiger Lohnersatzleistungen des Sozialstaats – höher sind als ihre von den potenziellen Arbeitgebern erwartete Produktivität. Diese Vermutung übersieht allerdings, dass es die Nachfrage ist, die die Wertschöpfung und damit die Produktivität bestimmt. Sie beeinflusst die Entscheidung, in die Kapitalausstattung eines Arbeitsplatzes zu investieren – und so die Produktivität zu erhöhen. Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Dämpfung der Nachfrage im Interesse der Preisstabilität oder Wettbewerbsfähigkeit, wie sie in Deutschland und in der Europäischen Union häufig praktiziert werden, erschweren somit die Senkung der Arbeitslosigkeit.

Von welchen Sorgen wir weit entfernt sind

Doch selbst bei einer wachstumsfreundlicheren Wirtschaftspolitik, wie sie etwa die Vereinigten Staaten oder Großbritannien betrieben haben, bekommen beachtliche Teile der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter nur schwer eine Beschäftigung, da sie nicht über die nötigen Qualifikationen oder die Belastbarkeit verfügen, die in der Wettbewerbswirtschaft erwartet werden. Nur: Während in Deutschland die meisten Mitglieder dieser Gruppe überwiegend in der Arbeitslosenstatistik auftauchen, werden sie in vielen anderen Ländern als „erwerbsunfähig“ etikettiert und gelten demnach nicht als arbeitslos.*

Für diese schwächeren Mitglieder der Gesellschaft (und das schließt die älteren Erwerbspersonen ein) müssen einerseits Kriterien entwickelt werden, die ihre Zugangsberechtigung zu einem von Erwerbsarbeit abgekoppelten Einkommen regeln. Andererseits müssen ihnen geschützte Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten werden, um soziale Integration zu ermöglichen. Jedoch sollte man sich davon keinen allzu großen Wohlstandszuwachs erwarten. Der entsteht eher dann, wenn Menschen aus einer weniger produktiven Tätigkeit in eine produktivere wechseln, wenn zum Beispiel qualifizierte Frauen, die marktferne Sorgearbeit leisten, berufstätig werden, und die Sorgearbeit auf gleichem Qualitätsniveau von einer vormals noch unproduktiveren Person übernommen wird. Ähnliches ist zu erwarten wenn produktive Beschäftigte über die derzeitige Altersgrenze hinaus freiwillig weiterarbeiten.

Gleichzeitig müsste die Ordnung und Regulierung der Wettbewerbsmärkte so gestaltet werden, dass sich die Unternehmen auf die wirklichen Produktivitätsverbesserungen konzentrieren können und nicht auf die scheinbaren Erfolge durch Umverteilung und Abwälzung von Kosten auf die Gesellschaft. „Gute Arbeit“ könnte sich zwar in langsamer sinkenden Stückkosten mit dem Risiko einer höheren Inflation und einer geringeren preislichen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Konkurrenten niederschlagen. Aber von diesen Sorgen ist Deutschland derzeit weit entfernt.

Eine Politik der „neuen Wertschöpfung“ sollte deshalb alle sozial produktiven Aktivitäten, die zu einer nachhaltigen und solidarischen Gesellschaft beitragen, erfassen und angemessen honorieren. Die traditionelle Statistik der alten Wertschöpfung könnte durch eine Berichterstattung ergänzt werden, die bisher nicht erfasste Tätigkeiten wie die Fürsorgearbeit oder gemeinnütziges Engagement einschließt. Davon abzuziehen wären dann die sozialen Kosten der traditionellen marktbezogenen Aktivitäten.

* Vgl. Regina Konle-Seidl und Kristina Lang, Von der Reduzierung zur Mobilisierung des Arbeitskräftepotentials: Ansätze zur Integration von inaktiven und arbeitslosen Sozialleistungsbeziehern im internationalen Vergleich, in: IAB-Forschungsbericht Nr. 15/2006.

zurück zur Person