Was alles neu ist im Mai

EDITORIAL

"In einer perfekt funktionierenden pluralistischen Demokratie", schrieb der kluge Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel vor Jahrzehnten, "ebnen die Interessengruppen durch den Abschluss sozialer und ökonomischer Kompromisse den Parteien den Weg zur Erfüllung ihrer Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. La démocratie est le compromis de tous les jours." Das bleibt richtig, ist aber nicht immer leicht hinzukriegen. Wohl auf keinem zweiten Feld der Politik machen es die Interessengruppen den Parteien so schwer, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, wie in der Gesundheitspolitik. Kaum irgendwo treten die Interessenten so hoch organisiert auf wie hier, nirgendwo sonst sind obendrein dieexistentiellen Ängste und Hoffnungen so vieler Menschen im Spiel. Und während die Genforschung bereits den Aufbruch in ganz neue Medizinwelten verheißt, ist zugleich gar nicht mehr klar, wie eine angemessene medizinische Versorgung für alle überhaupt noch zu finanzieren ist, wenn die Jungen immer weniger werden und die Alten immer älter. Von solchen Fragen handelt der Schwerpunkt dieser Ausgabe.

Noch ein Politologe. "In Baden-Württemberg ließ eine junge und charmante Herausforderin den Ministerpräsidenten im eigentlichen Sinne alt aussehen", schreibt Gerd Mielke in dieser Nummer. "Ute Vogt holte so ziemlich alles an Stimmen heraus, was durch eine Personality-Kampagne herauszuholen war." Warum die Mitherausgeberin der Berliner Republik die Landtagswahl vom 25. März trotzdem nicht gewinnen konnte, ist ein zentraler Aspekt der Analyse des Wahlforschers aus Mainz. Zugleich liefert Gerd Mielke wichtige Hinweisedarauf, welche besonderen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sozialdemokratische Modernisierungspolitik heute zugleich Wähler mobilisiert. Allein das Motto "Alles Schröder", so sein Resümee, wird 2002 nicht reichen.

Neu eingetreten in den Kreis der Herausgeber der Berliner Republik ist Christoph Matschie, Bundestagsabgeordneter aus Jena und Landesvorsitzender der thüringischen Sozialdemokraten. Neu ist mit dieser Ausgabe auch der Chefredakteur. Und erneuert haben wir schließlich das Layout der Berliner Republik. Denn es muss uns doch gelingen, dass diese Zeitschrift schön wie nie ihren Lesern scheint.

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