Mehr Gleichheit in Partnerschaften?

Das Normalarbeitsverhältnis stabilisiert das traditionelle Arrangement der Geschlechter. So problematisch deregulierte Arbeitsmärkte sein mögen - mit Blick auf die Gleichheit zwischen Männern und Frauen ermöglichen sie Fortschritt

Die Veränderung der Geschlechterverhältnisse gehört zu den zentralen Dynamiken, die den gesellschaftlichen Wandel in den vergangenen fünf Jahrzehnten geprägt haben. Was die deutsche Gesellschaft der Gegenwart von derjenigen der sechziger Jahre unterscheidet, ist nicht zuletzt ein gründlich anderes Verständnis des Verhältnisses von Mann und Frau. Dies ist in wachsendem Maße vom Wert der Gleichheit geprägt. Der Anteil derjenigen, die eine egalitäre Rollenverteilung zwischen Mann und Frau befürworten, ist laut DeStatis-Datenreport zwischen 1982 und 2010 von 32 auf 76 Prozent gestiegen. Die Werte bei den befragten Männern und Frauen unterscheiden sich dabei nur geringfügig.

Doch die Befunde sind weniger deutlich, wenn es um die Konsequenzen dieses beachtlichen Wandels für das alltägliche Zusammenleben der Geschlechter geht; vor allem sind sie uneinheitlich. Es gibt eine Gleichzeitigkeit von Veränderungen und fortbestehenden tradierten Strukturen. Einerseits ist das in den fünfziger und sechziger Jahren vorherrschende Muster der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern – männliche Erwerbsarbeit, weibliche Familienarbeit – in starkem Maße erodiert. Andererseits weisen tradierte Formen der Arbeitsteilung ein erstaunliches Beharrungsvermögen auf.

Vereinbarkeit ist noch immer ein Frauenthema

Uneingeschränkte Geschlechtergleichheit existiert weder auf dem Gebiet der Erwerbsarbeit noch in der Familienarbeit. Noch immer verdienen Frauen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Noch immer ist die Anzahl von Frauen in Unternehmensvorständen verschwindend gering. Gleichwohl: Viele Berufe haben ihren geschlechtsexklusiven Charakter verloren. Zudem haben sich die Erwerbsquoten von Frauen und Männern in den vergangenen 50 Jahren deutlich angenähert. Im Jahr 1960 betrug die Differenz noch mehr als 40 Prozentpunkte, aktuell sind es 10 Punkte. Da allerdings der Anteil von Teilzeitbeschäftigten bei den Frauen deutlich höher ist als bei den Männern, unterscheiden sich die Arbeitszeitvolumina weiterhin stark. Diese Unterschiede verweisen auf eine generelles Muster des Wandels der Geschlechterverhältnisse. Die wachsende Inklusion der Frauen in die Erwerbsarbeit modifiziert zwar die Struktur der geschlechtlichen Arbeitsteilung, entlässt die Frauen aber nicht aus der Zuständigkeit für die Familienarbeit. Beides – Familie und Beruf – miteinander zu vereinbaren, obliegt vor allem ihnen. Deshalb wählen viele Frauen den Weg der Teilzeitarbeit.

Das klassische bürgerliche Modell des männlichen Alleinernährers wurde im Jahr 2011 noch von 24 Prozent der Paargemeinschaften mit minderjährigen Kindern gelebt. In 45 Prozent der Paargemeinschaften arbeitet der Mann Vollzeit und die Frau in Teilzeit. Nur in 18 Prozent der Paargemeinschaften arbeiten beide Partner Vollzeit. Das Vollzeit-Teilzeit-Arrangement hat zwischen 2000 und 2011 sogar um 12 Prozentpunkte zugenommen, während das Modell der doppelten Vollzeit um 5,6 Prozentpunkte abgenommen hat. An die Stelle des klassischen bürgerlichen Modells ist also kein egalitäres Modell getreten, sondern ein modifiziertes Arrangement mit einem männlichen Haupternährer und einer weiblichen Zuverdienerin.

Mit der unterschiedlichen Verteilung von Erwerbsarbeit auf die Geschlechter geht eine ungleiche Verteilung der Arbeiten in Haushalt und Familie einher. Das belegen zahlreiche Studien, etwa die Zeitbudgetstudien des Statistischen Bundesamtes. Die aktuelle Studie für den Zeitraum 2012/13 zeigt, dass Frauen für die meisten im privaten Rahmen anfallenden Arbeiten mehr Zeit aufwenden als Männer. Allerdings sind die Männer nicht unbeteiligt. Die populäre Rede vom abwesenden Vater ist nicht zutreffend. Mütter sind durchschnittlich 122 Minuten pro Tag mit der Betreuung ihrer Kinder beschäftigt; die Väter immerhin 80 Minuten. Allerdings engagieren sich Väter deutlich mehr beim Spielen und bei Unternehmungen mit den Kindern als bei deren Versorgung. An Sonntagen bringen sie etwa doppelt so viel Zeit für die Kinderbetreuung auf wie an Wochentagen. Am Sonntag verschwinden gewissermaßen die Geschlechterunterschiede. Offenbar verwirklichen Väter dann ihr Bedürfnis – das in mehreren Studien dokumentiert wurde –, am Aufwachsen der Kinder teilzuhaben, ohne dafür ihr berufliches Engagement reduzieren zu müssen.

Dass immer mehr Väter Elternzeit nehmen, kann als ein Indikator für dieses wachsende Bedürfnis gesehen werden. So wuchs der Anteil der Väter, die in Elternzeit gehen, von 3,5 Prozent im Jahr 2006 auf gegenwärtig etwa 30 Prozent an. Dieser bemerkenswerte Anstieg bedeutet jedoch noch keine grundlegende Veränderung der geschlechtlichen Arbeitsteilung, denn 78,5 Prozent der Väter in Elternzeit nutzen nur den Mindestzeitraum von zwei Monaten.

Trotz aller Veränderungen sind die biografischen Entwürfe der meisten Frauen und Männer weiterhin geschlechtstypisch geprägt: der männliche Lebenslauf durch eine vorrangige Berufsorientierung, der weibliche durch eine gleichzeitige Berufs- und Familienorientierung. Somit betreffen Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie Frauen in weitaus größerem Maße als Männer. Diese fortbestehenden Unterschiede in den Lebensentwürfen können einen auf den ersten Blick irritierenden Befund erklären: So kehren Partnerschaften, in denen die Haushaltsarbeit zumindest der Tendenz nach egalitär verteilt ist, mit dem Übergang zur Elternschaft häufig zu einer traditionellen Rollenverteilung zurück. Und dies erfolgt relativ unabhängig davon, wer in welchem Maße zur Erwirtschaftung des Familieneinkommens beiträgt. Mit der Geburt des ersten Kindes kommt das bürgerliche Familienideal, das in den Einstellungen an Bedeutung verloren hat, wieder zur Geltung. In der großen Mehrzahl der Familien sind es die Frauen, die zumindest temporär aus der Erwerbsarbeit ausscheiden. Gleichzeitig bringen die Männer nach der Geburt eines Kindes mehr Zeit für ihren Beruf auf.

Alte Routinen sterben nur langsam

Dadurch entstehen Strukturen, die trotz fortbestehender Egalitätserwartungen traditionelle Rollenverteilungen verstärken. Dabei wollen viele Paare überhaupt keine Geschlechterungleichheit herstellen. Im Gegenteil: Viele Paare fühlen sich unter Rechtfertigungsdruck, weil sie gegen die präsente Gleichheitsnorm verstoßen. Insofern unterscheidet sich ihr Arrangement durchaus vom bürgerlichen Familienmodell in der Mitte des 20. Jahrhunderts, denn es fehlt dessen selbstverständliche Gültigkeit. Diese ist unwiderruflich abhanden gekommen.

Angesichts der strukturellen Veränderungen der Erwerbsarbeit stellt sich allerdings die Frage, ob der Arbeitsmarkt den Tendenzen zu einer Retraditionalisierung nach der Familiengründung künftig nicht Grenzen setzen wird. So nehmen prekäre und diskontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse zu, wovon auch eine wachsende Zahl männlicher Beschäftigter betroffen ist. Das traditionelle Arrangement der Geschlechter hat eine implizite institutionelle Grundlage: das Normalarbeitsverhältnis im Sinne einer unbefristeten Vollbeschäftigung. In dem Maße, in dem dieses aufbricht, wird eine Orientierung am bürgerlichen Familienmodell zu einer Illusion, die von der Realität des Arbeitsmarktes zerstört wird. Mög­licherweise wird dies egalisierende Effekte haben, so problematisch ein deregulierter Arbeitsmarkt in anderer Hinsicht auch ist. Zumindest was die Berufsarbeit betrifft, können sich viele Paare eine traditionelle Verteilung dann nicht mehr leisten.

Hinsichtlich dieses Aspekts der Rollenverteilung kann die Politik versuchen, Einfluss zu nehmen – speziell über den ­Ausbau der Kinderbetreuung. Solange deren Infrastruktur für Kinder im Alter unter drei Jahren schwach ausgeprägt ist, mithin privat betreut werden muss, bietet sich das tradierte Muster der Arbeitsteilung als eine naheliegende und vertraute Lösung an. Es ist gewiss kein Zufall, dass in den östlichen Bundesländern, wo die Betreuungsinfrastruktur deutlich dichter ist als in den westlichen, die Vollzeitquote arbeitender Mütter erheblich höher liegt. Auch über das Elterngeld können Anreize für eine egalitäre Rollenverteilung geschaffen werden. Aus den skandinavischen Ländern kennen wir verschiedene Modelle, zum Beispiel eine Dreiteilung: ein Drittel der Elternzeit geht an die Mutter, ein weiteres Drittel an den Vater, über das dritte Drittel kann das Paar frei entscheiden. Island geht mit einer 5-2-5-Regelung noch weiter: Fünf Monate sind für die Mutter reserviert, fünf Monate für den Vater, und zwei Monate stehen zur freien Verfügung. Möglicherweise schafft die ab Juli 2015 geltende Regelung des ElterngeldPlus auch für deutsche Väter Anreize, länger in Teilzeit zu arbeiten und mehr für die Kinder da zu sein.

Allerdings sollte man keine überzogenen Erwartungen haben, was die Wirksamkeit dieser Maßnahmen betrifft. Private Verhältnisse lassen sich politisch weit weniger steuern als etwa der Arbeitsmarkt oder die Infrastruktur der Kinderbetreuung. Man muss in Rechnung stellen, dass die tradierten Muster der Arbeitsteilung in der Mehrzahl der Familien von beiden Partnern getragen werden. Eine besondere Herausforderung besteht somit darin, über Generationen hinweg eingeübte Routinen und Habitualisierungen aufzubrechen. Mittels politischer Anreize kann hierfür nur ein Möglichkeitsraum geschaffen werden. Mehr zu erwarten käme einer Verkennung der hohen Beharrungskräfte gleich, die das private Zusammenleben der Geschlechter kennzeichnen. Dass es sich dennoch lohnt, Anreize zu schaffen, zeigen die Erfahrungen in den skandinavischen Ländern. Hier ist es im Verlauf mehrerer Jahrzehnte gelungen, Väter in hohem Maße in die Familienarbeit einzubinden und damit die Geschlechterverhältnisse egalitärer zu machen. Hierfür ist allerdings ein langer Atem vonnöten.«

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