Land der Stifter und Schenker

Mäzene sollen sich ein Denkmal setzen können, aber nicht die Kulturszene dominieren

Die Bundesregierung will den Weg zu einer mäzenatisch gestimmten Bürgergesellschaft ebnen. Das hatte Gerhard Schröder schon beim Richtfest der Nationalgalerie im Oktober in Berlin angekündigt, und so wird es derzeit in ein Gesetz geschrieben. Das Projekt hat viel publizistischen Beifall erhalten, und Abgeordnete beider Koalitionsparteien ebenso wie die Opposition haben sich stark engagiert: Es geht um die Reform des deutschen Stiftungsrechts.


Die Reform beginnt zunächst mit einigen Regelungen im Steuerbereich, durch die Stiftungen einen größeren Anteil der Erträge des Stiftungsvermögens einbehalten und künftige Mäzene einen größeren Anteil ihres Einkommens steuerfrei an Stiftungen weiterreichen können. In einem weiteren Schritt, der für das nächste Jahr angekündigt ist, sollen auch die zivilrechtlichen Grundlagen des Stiftungsrechts geändert werden. Das große Vorbild sind die USA: Dort stehen privaten Stiftungen viele Milliarden Dollar zur Verfügung, mit denen Kultur-, Bildungs- und Sozialprojekte gefördert werden. Dem steht dort allerdings auch ein sehr viel geringeres staatliches Engagement in diesen Sektoren gegenüber - zwei Seiten einer Medaille.


Bei dem deutschen Reformprojekt wird vorausgesetzt, dass eine steuerliche Motivation zum Stiften grundsätzlich positiv zu werten ist. Man könnte ja auch fragen, warum sich jemand eigentlich erst dann zivilgesellschaftlich engagiert, wenn er von dem eingesetzten Geld keinen Pfennig für allgemeine Staatsaufgaben abführen muss - ist das wirklich der vielbeschworene verantwortungsfreudige Citoyen?


Aber der Verzicht auf Steuereinnahmen ist nicht der kritische Punkt. Schwierig wird es da, wo das positive Image einer kulturfördernden Stiftung dazu genutzt wird, wesentliche Bereiche der Gesellschaftspolitik dem öffentlichen Bereich zu entziehen und in private Hände zu überführen, denn auch das ist ein Kennzeichen des amerikanischen Modells.


Die Überschrift einer Sonderseite im Tagesspiegel machte das Problem vor kurzem überdeutlich. Sie lautete: "Privates Geld für öffentliche Aufgaben". Da stellt sich die Frage: Wie kann man sicherstellen, dass das private Geld nicht die öffentlichen Aufgaben umdefiniert? Wie lässt sich vermeiden, dass unter Hinweis auf die Finanzierung durch private Stiftungen die staatliche Förderung unserer zivilisatorischen Infrastruktur aufgegeben wird?


Wenn sich die demokratische Gesellschaft aus der Kulturförderung zurückzieht, bestimmt das private Kapital allein, wo und auf welche Weise Kultur in der Gesellschaft noch einen Platz hat. Das kann gut gehen, wenn es echtes Mäzenatentum gibt. Die öffentliche Kultur kann so aber auch den Interessen der Stiftenden, die nicht unbedingt diejenigen der Gesellschaft sein müssen, ausgeliefert werden.


Im Bereich des Sponsoring ist das schon exemplarisch zu beobachten. So gibt es bei größeren Sportveranstaltungen gelegentlich kaum noch einen Platz für den einfachen Sportfreund, egal zu welchem Preis, weil die ganze Tribüne von den Gästen des "corporate sponsors" belegt ist. Das dient der Pflege von Geschäftskontakten, aber nicht unbedingt dem Ereignis. Muss man nicht befürchten, dass in Zukunft auch kulturelle und wissenschaftliche Aktivitäten der Stiftungen in erster Linie einem von den Stiftern bestimmten Adressatenkreis zugute kommen?


Wichtig wird sein, bei der Zweckbindung hinreichende Sicherungen einzubauen. Zu gewährleisten ist, dass der Staat dann, wenn er auf die ihm an sich zustehenden Steuern verzichtet, zumindest eine angemessene Aufsicht über eine dauerhaft gesellschaftlich akzeptable Verwendung der Stiftungsmittel erhält. Dies wird im Stiftungsrecht des BGB zu regeln sein. Vorstellungen, dass es dem Stifter nach der Genehmigung möglich sein soll, den Stiftungszweck ohne weiteres zu ändern (wie es die CDU vorschlägt), zeigen, was einige Interessengruppen beabsichtigen könnten. Die Definitionsmacht über das Gemeinwohl wäre dann dem privaten Kapital überlassen. So weit sollten wir es nicht kommen lassen.


Die Zivilgesellschaft, die häufig im Zusammenhang mit einem verbesserten Stiftungswesen beschworen wird, muss eine vielfältige Gesellschaft sein, in der alle Aspekte der Kultur ihren Platz haben. Wenn ein öffentlicher Kulturhaushalt Monokultur und Misswirtschaft entstehen lässt, kann man den Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Wenn die Gesellschaft sich auf rein private Strukturen verlässt, ist niemand mehr für die Lücken verantwortlich. Das trifft im übrigen weniger neue Kunstformen, für die sich durchaus Mäzene finden lassen, als den kulturellen Grundstock, der der Erhaltung und Renovierung bedarf.


Besonders pikant ist die Art, in der manche Befürworter des amerikanischen Stiftungs- (und auch Gesellschafts-)modells alle Bedenken gegen die Privatisierung des Kulturangebots abtun. Da heißt es, die öffentliche Hand übe ebenfalls häufig eine Geschmacksdiktatur aus. Als Beispiel darf dann gern der österreichische Kaiser Franz Joseph dienen, der Richard Strauss′ Salome von der Bühne verbannte. Dabei wird gerade an diesem Beispiel die Gefahr der Bevormundung durch private Kunstvorstellungen deutlich - ob im Gewande der Monarchie oder des Stiftungspatriarchen.


Ein weiteres Problem liegt in der ungleichen regionalen Verteilung des Wohlstandes. Man wird erwarten dürfen, dass dort, wo die Wirtschaft blüht, auch mehr Geld in Stiftungen fließen kann, die dann entsprechend mehr Geld zu verteilen haben. Gerade dort ist aber auch die Finanzierung von Bildung, Sozialem und Kultur weit weniger gefährdet als anderswo. Ist es realistisch zu glauben, dass Stiftungen aus Schwaben den Aufbau von Jugendzentren in Brandenburg fördern werden? Oder bleiben am Ende die Stiftungsgelder dort, wo sie eigentlich gar nicht gebraucht werden?


Wenn der stiftende Bürger dort wohltätig wirken will, wo der Staat dies aufgrund seiner angeschlagenen Finanzen nicht (mehr) kann, ist das als Zeichen gesellschaftlichen Engagements zu begrüßen. Allerdings müssen alle, die in der Gesellschaft Verantwortung tragen, darauf achten, dass dieses Muster nicht umgekehrt wird und der Staat sich unter Hinweis auf die Stiftungen aus seinen Aufgaben davonstiehlt. Der öffentliche Einsatz für die Kultur bleibt auch und gerade dann notwendig, wenn privates Geld in diesem Bereich mehr leistet als bisher. Kulturmäzene sind gut, private Kulturmonopole nicht. Wenn das beherzigt wird, kann die Reform des Stiftungsrechts wirklich eine Leistung dieser Koalition werden, auf die sie stolz sein darf und die der demokratischen Kultur nützt.

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