Internationalität als Erfolgsfaktor

Mit Beharrlichkeit und soft skills halten türkische Unternehmen in Deutschland der Krise stand - ein gutes Vorbild auch für deutsche Firmen

Die Zahl der Einwanderer, die in Deutschland ein Unternehmen gegründet haben, ist seit längerem kräftig gestiegen – prozentual sogar stärker als die Zahl der Unternehmensgründungen von Deutschen. Dies ist nicht nur ein Effekt der Zuwanderung. Auch die Selbständigen-Quote unter den Einwanderern hat sich deutlich erhöht. Die regen Gründungsaktivitäten sind deshalb bemerkenswert, weil es für viele Nichtdeutsche aus rechtlichen, qualifikatorischen oder sprachlichen Gründen schwieriger ist, sich hierzulande mit einem Gewerbe niederzulassen.

Heute existieren in der EU mehr als 90.000 türkische Unternehmen, allein rund 60.000 davon in Deutschland. Doch die Wirtschaftskrise der letzten Jahre und die steigende Konkurrenz in Gastronomie und Einzelhandel durch immer mehr Unternehmen hat im türkischstämmigen Unternehmertum zu starken Verwerfungen geführt: Nicht nur die Unternehmensgründung, sondern auch die Bestandssicherung wird von Tag zu Tag schwieriger.

Gerade Akademiker versuchen ihr Glück

Dennoch: Türkischstämmige Unternehmer haben nicht an Dynamik verloren, im Gegenteil. Die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt hat viele türkischstämmige Einwanderer, darunter zunehmend Akademiker, dazu veranlasst, ihr Glück als Unternehmer zu versuchen.

Türkischstämmige Unternehmer gibt es in der EU eigentlich erst seit 20 Jahren, die durchschnittliche Existenzdauer türkischer Unternehmen beträgt acht Jahre. Vor allem die kleinen und mittelständischen Familienunternehmen werden in Zukunft eine wichtige Handelsfunktion zwischen der EU und der Türkei darstellen. Das Beitrittsverfahren der Türkei in die EU wird diese Entwicklung beschleunigen.

Mit Fleiß, Ausdauer und Kreativität

Die eindrucksvolle Innovationskraft und der gesellschaftliche Beitrag des deutsch-türkischen Unternehmertums werden bereits dadurch deutlich, dass sich die türkische Wirtschaft in Deutschland von einem ethnischen Nischenmarkt hin zu einem breit gefächerten, industriell geprägten Portfolio an Dienstleistungen und Produkten entwickelt hat. In einer Zeit verbreiteter Unternehmensinsolvenzen machen diese Unternehmer vor, wie man mit Fleiß, Ausdauer, Kreativität und Wissen auch Krisen erfolgreich meistern kann.

Was macht den Erfolg türkischstämmiger Unternehmer aus? Häufig gesellt sich bei ihnen zu großem Fleiß die fundierte Kenntnis der Türkei als Absatz- oder Beschaffungsmarkt hinzu. Wenn dann noch eine Portion Glück hinzukommt, werden so phänomenale Geschichten wie die eines Vural Öger oder eines Kemal Sahin Wirklichkeit. Zentrale Erfolgsfaktoren sind Beharrlichkeit und Kundenorientierung, die den türkischstämmigen Einwanderern aufgrund ihres ethnisch-kulturellen Hintergrunds leichter fallen.

Gerade deutsche Geschäftsleute können hier noch eine Menge so genannter soft skills von ihren türkischstämmigen Kollegen lernen. Erstaunlich ist, dass eine große Zahl dieser erfolgreichen Unternehmer aus einfachen Verhältnissen stammt. Viele von ihnen mussten sich ihre Bildung und ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse hart erkämpfen, oftmals auf dem zweiten Bildungsweg.

Trotz alledem nehmen die türkischstämmigen Unternehmensgründer in dem von Optimismus geprägten türkischen Marktsegment Beratungsleistungen noch immer unterdurchschnittlich häufig in Anspruch, wie eine Studie der KfW-Mittelstandsbank beklagt. Nicht ganz unschuldig an diesem Sachverhalt ist jedoch die Politik, welche sich noch immer schwer tut, dem besonderen Informationsbedarf dieser speziellen Zielgruppe Rechnung zu tragen. So hat beispielsweise 40 Jahre nach dem Beginn der Einwanderung das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft volle zweieinhalb Jahre gebraucht, um – mit einem eher spartanischen Programm – in Berlin einen „Tag des türkischen Mittelstandes“ auf die Beine zu stellen.

Was gerade Deutschland dringend braucht

Besser werden muss ferner die Kommunikation zwischen der türkischen Gründerlandschaft und den deutschen Geschäftsbanken, um bereits im Vorhinein die Voraussetzungen für erfolgreiche Gründungen zu gewährleisten. Wo orientalisch-freundliche Verbindlichkeit und deutsch-bürokratischer Ordnungs- und Formfetischismus aufeinander treffen, sind kulturell bedingte Missverständnisse oft programmiert. Immer wieder haben Bewerber bereits mit ihrem Vorhaben begonnen, wenn ihr Finanzierungsgesuch von den Banken abgelehnt wird. Sie beschaffen sich dann – häufig zu horrenden Konditionen – Geld auf dem grauen Kapitalmarkt, denn nur wenige türkischstämmige Gründer können auf Finanzierung aus dem Kreise ihrer Familien bauen.

Bei allen Schwierigkeiten haben die türkischstämmigen Gründer und Unternehmer eines eindrucksvoll bewiesen: Das Aufeinan-dertreffen von Geschäftskulturen schafft ein wachstumsförderndes, gesellschaftliches Klima der Internationalität. Gerade ein so sehr von Export abhängiges Land wie Deutschland braucht diese Internationalität als entscheidenden Erfolgsfaktor für seine wirtschaftliche Zukunft.

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