Gelegenheit macht Erfolge

zu Heinz Buschkowsky, Der Gegner heißt Ignoranz, Berliner Republik 1/2010

Heinz Buschkowsky hat Recht: Nach wie vor ist der soziale Aufstieg für Migranten in Deutschland ein steiniger Weg, der zu selten gelingt. Dabei sind Migranten im Grunde Pioniere. Sie wagen einen Aufbruch in die Fremde, oftmals ohne Kenntnis der Sprache oder der kulturellen Umgangsformen. Sie erwarten etwas für ihr Leben, etwas, das besser sein soll als die Umstände, die sie verlassen. Und sie sind bereit, dafür viel zu investieren.

Es ist dieser Pioniergeist und der Wunsch, Klassenschranken zu durchbrechen, die den dynamischen Wesenszug von Wanderungsbewegungen der Moderne ausmachen. Befragt man heute erfolgreiche Deutsche türkischer oder vietnamesischer Herkunft nach dem Motor ihres Aufstiegs, so verweisen diese meist auf den Traum ihrer Eltern von einem besseren Leben. Nicht alle Einwandererkinder sind den hohen Erwartungen gewachsen. Gleichwohl birgt der unverhohlene Wunsch nach sozialer Mobilität eine enorme Energie, die hilft, sichtbare und unsichtbare Grenzen zwischen den Gesellschaftsschichten zu überwinden.

Dennoch zeigt sich in den großen deutschen Städten eine lähmende Lethargie, vor allem bei der Einwandererjugend. Schon seit längerem machen sich Gefühle der Ohnmacht, der Nutzlosigkeit und des Ausgeschlossenseins breit. Die Statistik liefert zu diesem Bild die harten Fakten: hohe Arbeitslosigkeit, hohe Schulabbrecherquoten und eine geringe Ausbildungsbeteiligung unter Migrantinnen und Migranten. Ist hier der Glaube an den sozialen Aufstieg bereits verloren gegangen, wie Heinz Buschkowsky nahelegt? Muss jetzt die harte Hand des Staates Leistung erzwingen?

Der Ruf nach mehr Repression als Heilmittel gegen die vermeintliche Integrationsunwilligkeit ethnisch geprägter Unterschichten verkennt wieder einmal die intrinsische Motivation der allermeisten Menschen, die sich für die Migration entscheiden. Auch wenn sich das Klischee hartnäckig hält: Migranten verlassen ihre Heimat in den seltensten Fällen, um dem neuen Staat auf der Tasche zu liegen. Im Gegenteil, der größte Teil möchte durch harte Arbeit und die Investition in die Köpfe ihrer Kinder die engen Grenzen der eigenen sozialen Herkunft überwinden. Dass hierfür enorme Leistungen und regelkonformes Verhalten notwendig sind, versteht sich für die überwiegende Mehrheit von selbst. Schließlich haben viele Einwanderer der ersten Generation ihre Gesundheit für einen Traum von einem besseren Leben aufs Spiel gesetzt. Sie haben ein entbehrungsreiches Leben auf sich genommen, um ihren Kindern den Aufstieg zu ermöglichen. Ihre Lebenseinstellung gleicht eher dem der calvinistischen Kleinunternehmer aus dem 17. Jahrhundert, die für Max Weber Wegbereiter eines sich ausbreitenden und höchst erfolgreichen Geistes des Kapitalismus waren. Vor allem diese Energie und Leistungsbereitschaft, die aus der Migrationserfahrung resultiert, ist in den vergangenen 50 Jahren in Deutschland verkannt worden. Es fehlte bislang die Fantasie – und vielleicht die Großzügigkeit – Integration nicht als Reparaturwerkstatt, sondern als die Eröffnung von Möglichkeiten zu denken.

Was heißt das für eine moderne Integrationspolitik? Sie muss den Blick umkehren, von der Zukunft her denken und den Rahmen für Gelegenheiten zur Bewährung und zu entlohnter Leistung setzen. Sie muss glaubhaft machen, dass die Investition in die Zukunft der Kinder der Mühe wert ist. Der Arbeitsmarkt ist noch immer der beste Integrationsmotor.

Die Zeit ist günstig für einen solchen Perspektiven- und Politikwechsel. Der demografische Wandel schlägt bereits durch, viele Firmen können ihre freien Ausbildungsplätze nicht mehr besetzen. Was liegt da näher, als in Wirtschaft, Zivilgesellschaft und in den Kommunen konkrete Arbeits- und Ausbildungsangebote zu machen, anstatt abstrakte Erwartungen an die Einwanderer zu formulieren?

Dies geht aber nicht von alleine. Es erfordert ein Umdenken in den Schulen, in den Betrieben und in der öffentlichen Verwaltung. Jugendliche aus Einwandererfamilien müssen glaubhaft und direkt angesprochen werden. So viel Vertrauen muss sein. Große Firmen und einige kommunale Arbeitgeber suchen bereits jetzt gezielt nach Auszubildenden mit Einwandererbiografie – wegen ihrer spezifischen Kompetenzen. Die meisten von ihnen nehmen die Herausforderung zur Bewährung an. «

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