Gekommen sind andere

Im Westen der Republik gibt heute das rot-grüne Kulturmilieu den Ton an - die Westdeutschen im Osten dagegen sind oft konservativ und bürgerlich. Für die innere Einheit ist das fatal

Im 18. Stock verliert der Kanzler die Sprache. Gerhard Schröder steht auf der Terrasse eines Plattenbaus in Halle-Neustadt und lässt sich von Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler das Plattenbauwesen erklären. Unter ihm und vor ihm: Wohnscheiben, Punkthochhäuser, Elfgeschosser, so heißen sie. Schön sei es hier, sagt Schröder. Und blickt auf sanierte und bunt angestrichene Häuser. Aber auch auf verfallende, "leer gezogene". Dann nuschelt der Kanzler etwas vom "gelebten Leben" in Plattenbauten und davon, dass man die Lebensleistungen dort respektieren müsse. Es klingt bemüht. Nach 20 Minuten ist alles vorbei.

Eine Szene aus dem vorigen Oktober, die nicht nur zeigt, dass Gerhard Schröder ostdeutsche Plattenbauten offensichtlich gewöhnungsbedürftig findet. Sie zeigt vielleicht auch, dass der Osten der Republik der regierenden politischen Klasse von Berlins fremd ist. Nach der Wende sind viele Westdeutsche in die fünf neuen Länder gegangen. Auch, oder sogar vor allem, um Führungsaufgaben zu übernehmen. Unabhängig davon, ob der Transfer der Eliten von West nach Ost richtig war oder nicht, fällt auf, das eine Gruppe dabei fehlt. Bis heute. Ausgerechnet die nunmehr regierende rot-grüne politische Klasse - im weitesten Sinne die westdeutschen Achtundsechziger - meidet den Osten. Selbst in den Sphären, in denen sie im Westen die üblichen Karriereleitern hinaufgestiegen sind - in Staatskanzeleien, Universitäten, Verbänden und Zeitungsredaktionen -, sind die Achtundsechziger im Osten schlicht nicht anwesend. Gekommen sind andere.
Das ist fatal. Nicht etwa, weil sich die Achtundsechziger einer wie auch immer verstandenen patriotischen Pflicht entzögen. Fatal ist es vielmehr, weil ausgerechnet diejenigen um die neuen Länder einen Bogen machen, die nun politisch-kulturell die Bundesrepublik prägen wollen und für sich reklamieren, eine eben nicht westdeutsch-rheinische, sondern eine gesamtdeutsche Berliner Republik zu führen.

Doch hat die Scheu vor dem Osten Gründe. Für die Generation Gerhard Schröders - genauer gesagt: für denjenigen Teil dieser Generation, der ihr den Achtundsechziger-Stempel aufgedrückt hat - war der zweite deutsche Staat zu seiner Zeit praktisch bedeutungslos. Natürlich brachte man ihn gern ins Spiel als verlässliches Mittel der Provokation ins Spiel, damals, in den siebziger und achtziger Jahren. Nichts war für einen besseren Aufreger gut, als auf die Worte "Geh doch nach drüben!" trotzig mit "Na und?" zu antworten - egal ob nun als Juso auf einem SPD-Parteitag oder am elterlichen Küchentisch.

Die DDR, das war grau, streng - und deutsch

Aber ernst gemeint war das nicht. Spätestens dann nicht mehr, wenn man mit dem VW-Käfer auf der Transit-Autobahn in Marienborn stand und übel gelaunte DDR-Grenzsoldaten die Stimmung vor dem Wochenendtrip nach West-Berlin arg trübten. Die DDR, das war grau, trübselig, streng. Irgendwie deutsch. Und irgendwie sehr deutsch kommen den Achtundsechzigern die fünf neuen Länder auch heute noch vor. Aber "deutsch" ist eben nicht der biographische Bezugspunkt ihrer Generation. Die Bezugspunkte sind andere. Sie lagen westlicher und südlicher, schon lange bevor die Rede war von der Toskana-Fraktion. Zwar hatte ein harter Kern von Aktivisten Ho Chi Minh, Lenin und Mao Tse-Tung zu politischen Vorbildern erhoben. Das hieß freilich nicht, dass manbereit war, unter den Bedingungen der Kulturrevolution ein Leben in den chinesischen Hochebenen zu führen. Der kulturelle Kompass wies nicht nach Deutschland - und schon gar nicht weiter östlich.

Das Deutsche, von dem sich die Generation der Achtundsechziger jahrzehntelang zu lösen versucht hatten, fanden sie auf ihren Erkundungsfahrten nach der Wende nun in unverwässerter Form zwischen Ostsee und Erzgebirge. Die Bewohner hörten sie unbekümmert ihre Dialekte sprechen. Beharrlich geht man im Osten in die Kaufhalle und nicht in den Supermarkt. Den Abfall trennt man auch hier, vielleicht noch rigider - aber eher nicht aus den gleichen ökologisch-korrekten Motiven wie der Lehrer aus Freiburg im Breisgau, sondern weil Traditionen aus den Zeiten des Mangels fortgeführt werden. Und vielleicht auch, damit Ordnung im Wohnbezirk herrscht - irgendwie deutsch.

Das abendliche Leben, gerade in den kleinen Städten, findet nicht in Cocktailbars oder auf der Straße statt, sondern zu Hause, in der Gartenkolonie oder in der Stammkneipe - irgendwie deutsch. Sehr deutsch kommt den Actundsechzigern auch das Essen vor. Schlachteplatte! Lieblicher Wein! Hatte man nicht genau das damals, 1972, nach dem ersten Italien-Urlaub triumphierend aus dem heimischen Kühlschrank geräumt und durch Chianti und Parmaschinken ersetzt?

Frisches Basilikum in Frankfurt/Oder?

Wie im Brennglas zeigt sich die kulturelle Fremdheit zwischen der westdeutschen politischen Klasse und den Ostdeutschen im Bundeskabinett. Neben Rudolf Scharping, Gerhard Schröder, Hans Eichel, Otto Schily und Joseph Fischer wirkt der Ostbeauftragte Rolf Schwanitz wie ein Schuljunge, der in eine neue Klasse versetzt worden ist und nicht so recht Anschluss findet. Nun mag Schwanitz politisch eine Fehlbesetzung sein; es dürfte Ostdeutsche mit größeren kommunikativen Fähigkeiten geben. Doch stehen die Ostler des Kabinetts aufgrund eines schlichten Strukturnachteils zwangsläufig immer schlechter da: Fast alle SPD-Minister kennen sich seit 25 oder 30 Jahren aus gemeinsamen Jusotagen. Schröder mag Heidemarie Wieczorek-Zeul nicht ernst nehmen, und vielleicht teilen Scharping und Schröder nur noch ihre gegenseitige Verachtung. Doch man kennt sich eben schon so lange; selbst biografische Außenseiter wie Schily oder Fischer sind uralte Bekannte - ein für das Beziehungsgeflecht des Kabinetts wichtiger Faktor. Der Rest hat, sowohl im Hinblick auf die machtpoltisch wichtigen Netzwerke als auch in der Außenwahrnehmung das Nachsehen.

Einige wenige der Generation Schröder haben sich dennoch vorgewagt in den Osten. Es sind aber nicht ihre Kerntruppen, es sind bloß diejenigen, die zum politisch-kulturellen Mainstream der Achtundsechziger gehören. Vor knapp drei Jahren schrieb die Wuppertalerin Luise Endlich das Buch NeuLand über ihr Leben als Arztgattin in Frankfurt an der Oder und über ihre Probleme, dort frisches Basilikum zu erwerben. Das Buch sorgte für großes Aufsehen, gerade weil sich erstmals kein Harald Schmidt über ostdeutsche Merkwürdigkeiten lustig machte, sondern eine Frau, die in nüchterner Sprache ihre Nöte als Westdeutsche in Ostdeutschland protokolliert. Wie gesagt: Streng soziologisch gehört die Autorin, die eigentlich Luise Mendling heißt, nicht zu den Achtundsechzigern, sondern zu den eher unpolitischen Hedonisten aus dieser Generation. Doch ihre Schilderungen, die eben nicht die üblichen Notizen aus der Provinz sind, sondern sich wie die Erfahrungen aus einem fremden Land lesen, illustrieren, warum die Generation Schröder keinen Bezug zum Osten findet.

Die Generation Kohl griff herzhaft zu

Es sind andere, die anstelle der rot-grünen Generation Schröder und ihrer Geistesverwandten in den Osten gegangen sind. Sie haben die klaffende Lücke dankbar geschlossen. Dabei erstaunt, dass die aus dem Westen stammenden ostdeutschen Neu-Eliten erstaunlich homogen sind: Sie fühlesich als Patrioten und sind im Zweifel politisch eher konservativ. Sie sind gewissermaßen die Kinder Helmut Kohls. Mit ihm teilen sie sein Verständnis von deutscher Einheit. Kohl begriff die Einheit als Anschluss begriffen. Er hat, wie der Publizist Chistoph Dieckmann einmal in der Zeit geschrieben hat, die Ostdeutschen paternalisiert. Nun ist das Wort Anschluss gewiss problematisch, weil ihn diejenigen, die ihn prägten, auch deshalb benutzten, um gezielt Parallelen zum Anschluss Österreichs 1938 herzustellen und damit die deutsche Einheit zu diskreditieren. Der Begriff bringt aber das Selbstverständnis jener Neu-Eliten auf den Punkt: Die Ostdeutschen müssen möglichst schnell die westdeutschen Regeln und Gebräuche übernehmen. Vogel, friss oder stirb.

Nur repräseniert diese im Osten dominierende Neu-Elite eben nicht mehr die politisch-kulturelle Mitte des Westens. Den Ton gibt dort ebenjene Generation Schröder an. Sie besteht aus den 40- bis 60-Jährigen, die an den Schaltstellen von Politik und Verwaltung, von Kultur und Bildung sitzen und in der Mehrheit im Dunstkreis der Achtundsechziger sozialisiert wurden. Im Gegenzug hat die konservativ-bürgerliche Minderheit den Osten erobert - kampflos. Die Konkurrenten von einst zeigen kein Interesse.

Natürlich: Es gibt auch andere Neu-Eliten im Osten. Solche, die nicht in dieses Raster passen. Solche, die die Wirklichkeit in den neuen Ländern unbefangener erfassen, solche, die wegen privater Beziehungen zugewandert sind. Oder solche, die einfach nur neugierig sind. Doch den Takt geben die kampferprobten Gegenspieler der Achtundsechziger vor. So hat dieser sozialkulturelle Typus, der im Westen in die Minderheit geraten ist, die Deutungshoheit über den Osten erlangt. Die neuen Länder fungieren für diese Menschen als Überwinterungsraum, weil sie in der Berliner Politik einstweilen wenig zu melden haben.

Für das Zusammenwachsen von Ost und West ist das gewiss hinderlich: Die alten westlichen Eliten haben sich ihre jeweils eigenen, voneinander abgegrenzten Reservate geschaffen. Und damit auch zwei geteilte Realitäten. Die Berliner Republik von Rot-Grün hört damit spätestens an der Hauptstadtgrenze auf zu existieren, im Grunde schon nördlich vom Prenzleuer Berg und östlich von Friedrichshain. Dahinter ist sie im Osten nur noch eine Schimäre.

Dagegen sind die Voraussetzungen der konservativ-bürgerlichen Neu-Eliten im Osten eigentlich nicht schlecht für gelebtes deutsch-deutsches Verständnis. Oft haben sie biografische Verbindungen zum Osten ("Mit drei Jahren bin ich mit meiner Mutter aus Sachsen zu Verwandten nach Hamburg gekommen"). An emotionalem Bezug fehlt es ihnen nicht - anders als den Achtundsechzigern. Mit Begriffen wie Sachsen-Anhalt, Bran-denburg und Thüringen verbinden sie oft Heimat und nicht nur 1990 eingeführte seltsame Wort-schöpfungen. Selbst wenn direkte biografische Ver-bindungen fehlen, gibt es andere emotionale Bezüge. Den Mauerbau haben diese Westdeutschen, damals konservative junge Studenten oder Schüler, als wirklich dunkle Stunde für Deutschland empfunden. Studiert haben sie womöglich - genau wie ihre Altersgenossen von Achtundsechzig - an der Freien Universität Berlin. Das Attribut "frei" haben sie dabei allerdings so interpretiert, wie es die amerikanischen Gründer, nicht ohne Pathos, in der Tat gemeint hatten: Eine Universität als Stachel der Freiheit inmitten der Sowjetzone. Folgerichtig haben sie den 9. November 1989 als Befreiung der Menschen im anderen deutschen Staat von Kommunismus und Unterdrückung empfunden.

Stasi, Bautzen und "Ein Kessel Buntes"

Genau hier fangen aber die Probleme an, die im deutsch-deutschen Alltag des Ostens zu der bis heute unendlich langen Kette von Missverständnissen und Fehldeutungen geführt haben. Denn der emotionale Bezug wirkt zugleich als Nachteil: Das Klima von Kaltem Krieg und Antikommunismus hat das Gros der ostdeutschen Neu-Eliten geprägt. Die 40 Jahre der DDR sind für sie eine geschichtliche Masse, an deren möglichst schneller Tilgung mitzuarbeiten sie sich berufen fühlen. Es waren eben 40 Jahre Unrechtsstaat. Punkt.

Das ist zweifellos richtig - und doch falsch zugleich. Denn die DDR war ein schizophren strukturiertes Land. Es gab Stasi, Bautzen, Gesinnungsjustiz, Folter, politische Morde. Es gab aber eben auch Ein Kessel Buntes, Kita, Pionierausflüge und Club-Cola. Die DDR war gerade in ihrer Endphase ein Biedermeierstaat, in dem man sich leidlich einrichten konnte. 40 Jahre, das war eben nicht nur Unrechtsstaat, sondern es waren auch 40 Jahre gelebtes Leben. Dieser Befund ist nicht neu und schon oft beschrieben - selbst Gerhard Schröder hat ihn ja irgendwie verinnerlicht. Die Sache ist aber wichtig, um zu verstehen, dass so monströs-pathetische Begriffe wie zweite deutsche Diktatur oder SED-Nachfolgepartei im Osten zwangsläufig verpuffen müssen. Es sind Begriffe, die die DDR politisch-historisch zu erfassen versuchen. Über 40 Jahre Lebenswelt sagen sie wenig.

Findet Mutti für ihr Kind eine Kita?

Es ist eine kleine Geschichte, die genau diesen Widerspruch aufzeigt: Im Spätsommer 2000 geriet der Politikchef einer großen sächsischen Zeitung unerwartet in Nöte. Einige Redakteure stellten unverhohlen die journalistische Linie ihres Ressortleiters in Frage. Anlass des Streits: In jenen Tagen sollte in Sachsen das so genannte Kindertagesstätten-Gesetz geändert werden. Damit stand, wie zuvor schon im restlichen Osten Deutschlands, die hohe Kinderbetreungsdichte auf dem Prüfstand. Der Kern des Streits war im Grunde, ob in Zukunft als Orientierungsrahmen die Bedingungen in den westlichen Bundesländern gelten müssten - was ein drastisches Zurückfahren der Kita-Dichte bedeutet hätte -, oder ob sich der Osten ein eigenen Maßstab erlauben dürfe. Die Rollenverteilung beim Streit überrascht nicht. Der Ressortleiter kam aus dem Westen, und er forderte den Maßstab West. Was auch nicht überrascht: Er gehörte zu den westdeutschen Neu-Eliten vom Typus Kohl. Seine rebellierenden Redakteure kamen aus dem Osten, und sie widersetzten sich dieser Logik.

Das Beispiel eignet sich gut, weil das Thema Kita - anders als Stasi-Akten, Mauerschützen oder Rechtsextremismus - nicht sofort ideologischen Zündstoff offenbart. Öffentliche Kinderbetreuung nimmt in der ostdeutschen Alltagskultur einen breiten Raum ein. Oder, im ostdeutschen Duktus: Fin-det die Mutti für ihr Kind eine Kita? Für den aus den alten Bundesländern zugereisten Ressortleiter war das engmaschige Netz von Ganztagskitas ein Überbleibsel aus DDR-Zeiten: zwar auf den ersten Blick praktisch, aber nicht zu finanzieren. Ein Relikt aus Tagen, als die Frauen ihrer staatlich verordneten Arbeit nachgehen mussten. Und waren die Kitas nicht vor allem ein Herrschaftsinstrument des Staates, durch das die DDR ihre nachwachsenden Bürger zu willfährigen Untertanen erzog?

Ein Fall von Missdeutung, gewiss. Denn natürlich war der öffentliche Raum in der DDR politisch. Aber die Bürger haben längst nicht alles, was der Staat ihnen im öffentlichen Raum zur Verfügung stellte, als politisch gedeutet, sondern als nützliche Alltagshilfe empfunden. Und die greifen sie jetzt als Teil der verbliebenen Identitätsbestände auf. Die Kita-Geschichte ist gerade deshalb ein gutes Beispiel einer im Osten empfundenen Wessi-Arroganz, weil hier eine Ost-Besonderheit a priori für untauglich gehalten wird. Argumente zählen wenig. Dabei sind die westdeutschen Kita-Verachter womöglich die gleichen, die mit Bewunderung auf, sagen wir, Schweden blicken, das sein staatliches Kinderversorgungsnetz relativ unbeschadet durch die Klippen von Wirtschaftskrise und Mo-dernisierungsdruck navigiert hat. Es sind die gleichen, die erstaunt feststellen, dass sich das katholische (!) Frankreich Ähnliches leistet. Sie preisen die Vielfalt der Regionen in Europa, aber ihre im Pathos des Kalten Krieges eingeübten Reflexe ertragen ähnliche Unterschiede nicht im eigenen Land. Es sind solche Reflexe, die die Voraussetzungen schaffen für Nostalgie, Trotz-Reaktionen und ostdeutsche Bürger-zweiter-Klasse-Gefühle.

Die gleichen Reflexe finden sich in der unendlichen Geschichte der Auseinandersetzung mit der PDS. Die antikommunistisch sozialisierten Neubürger Ost missdeuten die PDS permanent als politische Extremisten, zitieren aus deren Parteiprogramm, warnen vor der "anderen Republik", welche die PDS angeblich errichten will, und als ultima ratio wird die verlässliche Sahra Wagenknecht bemüht, die die erwünschten Sentenzen über die Niedertracht des Kapitalismus liefert. Die PDS sei "eine Herausforderung des Westens, weil sie die vom Westen geschaffene und im Westen gewachsene Ordnung unserer Gesellschaft und unseres Staates in Frage stellt", schreibt allen Ernstes der bayerische Verleger und Publizist Claus Detjen, der lange in Brandenburg gerarbeitet hat, in seinem Buch Die anderen Deutschen. Selbst wenn es so wäre: Die PDS ist in der Kommunalpolitik verankert, eben dort leistet sie das Gros ihrer Arbeit, genau da, wo es eben nicht um freiheitliche Grundordnungen geht, sondern um Abwasserverbände, das mühsame Austarieren von Haushalten und das Verfassen komplizierter Fördermittel-Anträge.

Konservative Wossis stärken die PDS

Natürlich, über das Staatsverständnis der PDS lässt sich trefflich streiten. Nur ist es fraglich, ob die PDS überhaupt eine andere Republik will. Ihre Fixierung auf die öffentliche Hand als Rundum-Problemlöser erinnert interessanterweise eher an das parteiübergreifende Staatsverständnis der westdeutschen siebziger Jahre, als ähnlich phantasielos-monoton auf Staat und öffentlichen Dienst gesetzt wurde. Von Lenin ist da wenig zu spüren, mehr vom Mainstream der alten Bonner Republik.

Ironischerweise stärken die Abgrenzungsstrategien der konservativen Ost-Eliten aus dem Westen die PDS-Identität gründet sich auch auf Ausgrenzung. So verfestigt die PDS ihre Rolle als Heimatpartei einer wie immer gearteten Ostigkeit. Sie bietet Projektionsflächen für die Ostidentität. Parteien sind eben mehr als politische Kampfverbände.

Würden es die Achtundsechziger und ihre Nachfolger im Osten besser machen? Mehr Wettbewerb um die Deutungshoheit täte den neuen Ländern gut. Die antikommunistischen Reflexe des Kalten Krieges bewirken dort heute das Gegenteil von dem, was sie erreichen sollen. Die konservativen Neu-Eliten tragen zur inneren Einheit nicht viel bei. Doch so oder so, die Frage bleibt theoretisch - die Achtundsechziger werden die neuen Länder weiter meiden. Selbst wenn es inzwischen frisches Basilikum in Frankfurt an der Oder gibt.

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