Der Westen würfelt, Iran spielt Schach

Was wollen die Anführer der khomeinistischen Diktatur im Iran? Ihre Politik ist geprägt von Intransigenz in alle Richtungen. Gegenüber der internationalen Gemeinschaft boxt das Regime rücksichtslos sein Uran-Anreicherungsprogramm durch, im Inneren geht es mit voller Gewalt gegen die Zivilgesellschaft vor

Am 17. Mai 2010 hat sich der Atomkonflikt mit Iran weiter zugespitzt. An diesem Tag unterschrieben Brasilien, die Türkei und Iran die so genannte Teheraner Erklärung, die ein Tauschgeschäft enthält: Iran lagert rund die Hälfte des von ihm bis heute angereicherten Urans, etwa 1.200 Kilogramm, in die Türkei aus. Dieses Uran hat einen niedrigen Anreicherungsgrad von 3,5 Prozent. Als Gegenleistung erhält das Land rund 120 Kilogramm mit einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent – offiziell zu medizinischen Forschungszwecken. Am Tag der Unterzeichnung kündigte der Sprecher des iranischen Außenministeriums an, parallel zu diesem Tauschgeschäft werde sein Land die Produktion von auf 20 Prozent angereichertem Uran fortsetzen. Diese Ankündigung ging in der medialen Aufregung über die Teheraner Erklärung vollkommen unter. Experten betonen, Iran habe mittlerweile bereits ausreichend Uran produziert, um mindestens zwei Nuklearwaffen herzustellen.

Ein Faustschlag auf den Mund Amerikas

Man muss die aufgeheizte Stimmung bei manchen schnell abgewickelten Geschäften im Basar kennen, um sich nüchtern und mit rationaler Distanz zu fragen, was die iranischen Politiker hier eigentlich vorhaben: Die Iraner wollen 120 Kilogramm winzige Kartoffeln gegen 12 Kilogramm große Kartoffeln tauschen – aber all das geflissentlich ignorieren, was die internationale Gemeinschaft von ihnen erwartet. „Die Teheraner Erklärung war ein harter Faustschlag auf den Mund Amerikas und brachte die westliche Diplomatie in eine Sackgasse, so dass sie kein Wort mehr sagen kann“, sagte Ayatollah Jannati, der Vorsitzende des totalitären Organs des Wächterrats.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat seit 2006 mehrere Resolutionen zum iranischen Atomprogramm verabschiedet. In der Resolution 1803 vom März 2008 heißt es, dass Iran „weder die umfassende und dauerhafte Aussetzung aller mit der Anreicherung zusammenhängenden Tätigkeiten, Wiederaufarbeitungstätigkeiten und mit Schwerwasser zusammenhängenden Projekte nachgewiesen hat“, noch die weiteren vom Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verlangten Schritte unternehme, die „für die Vertrauensbildung unerlässlich sind“.

Wie Iran lernte, die Bombe zu lieben

Zudem beanstandete der Sicherheitsrat, Iran lasse die vollständige Kontrolle der nicht deklarierten Anlagen durch die IAEA nicht zu. Ferner äußerte er sich besorgt über die „Proliferationsrisiken“, die vom iranischen Atomprogramm ausgehen. An der Relevanz dieser Aussagen hat sich bis heute nichts geändert. Längst gibt es Maßnahmen gegen die Personenkreise, die im Dienste des iranischen Raketen- und Atomprogramms weltweit unterwegs sind. Auch die Lieferung, der Verkauf oder der Transfer von Teilen, die dem Atomprogramm dienen könnten, wurden untersagt.

Warum traut der Westen dem iranischen Außenminister Manutschehr Mottaki nicht, der Anfang Juni in Brüssel die Friedfertigkeit des iranischen Atomprogramms beschwor? Abdul Qadeer Khan, der Vater der islamisch-pakistanischen Atombombe, stand schon in den achtziger Jahren in enger Verbindung mit der iranischen Führung. Von ihm erhielt Iran heimlich das Knowhow der Uran-Anreicherungstechnologie, ohne die IAEA zu informieren. Gegen Ende des achtjährigen Krieges gegen Irak überzeugten einige Generäle der Revolutionsgardisten die politische Führung des Iran schon zu Lebzeiten Khomeinis von der Notwendigkeit einer Atombombe. Nie wieder dürfe Iran in einem Krieg so in die Knie gezwungen werden – mit etwa 350.000 Toten auf der iranischen Seite.

Die Volksmudschahiddin, eine problematische Organisation mit guten Kontakten nach Iran (immerhin war sie in den siebziger Jahren terroristisch tätig und kämpfte in den achtziger Jahren unter Schirmherrschaft Saddam Husseins gegen Iran) entlarvte im August 2002 die Existenz eines vom Iran nicht gemeldeten Schwerwasser-Reaktors in Arak und einer Uran-Anreicherungsanlage in Natanz. Das iranische Regime informierte die IAEA erst ein knappes Jahr später darüber, dass die Anlage die Kapazität besitze, jährlich acht Tonnen schweres Wasser herzustellen. Im Juni 2004 hat die IAEA Iran erneut aufgefordert, von der Fertigstellung des Schwerwasserreaktors in Arak abzusehen. Die Urananreicherungsanlage in Natanz soll heute eine Kapazität von rund 50.000 Zentrifugen haben. Einige tausend Zentrifugen sind bereits in Betrieb. Für Experten ist es vollkommen unglaubwürdig, dass Iran so viel Uran nur für medizinische Zwecke benötigt, zumal die Brennstäbe für den Reaktor in Bushehr aus Russland kommen sollen.

Kommt die Plutoniumbombe?

Das Misstrauen gegen Iran ist auch deshalb besonders groß, weil das gesamte Nuklearprogramm von Revolutionsgardisten, also militärisch kontrolliert wird. Nicht nur wird befürchtet, dass iranische Mittelstreckenraketen und die funktionierenden Trägersysteme bereitstehen, sondern dass zusätzlich die reale Option einer Uran-Bombe sowie einer Plutonium-Bombe besteht. Denn Iran kann sein Plutonium und auch die riesige Menge angereichertes Uran nicht ausschließlich für die wenigen Reaktoren benötigen, die noch nicht einmal in Betrieb sind.

Seit Oktober 2003 scheitern die Verhandlungen mit Iran regelmäßig. Damals reisten die Außenminister der Troika aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland nach Teheran, um die „vertrauensbildenden Maßnahmen“ zu stärken. Zwar behauptet das iranische Regime, ein friedliches Atomprogramm zu verfolgen, aber es bleibt in seinen Aussagen widersprüchlich und unglaubhaft. Mehr als 20 Jahre lang besaß Iran dank pakistanischer und chinesischer Hilfe ein klandestines Atomprogramm. Experten sind sich darüber einig, dass es keinen Sinn macht, industrielle Anlagen zur Anreicherung von Uran für mindestens 20 Atombomben jährlich vorzubereiten und gleichzeitig zu behaupten, friedliche Zwecke zu verfolgen. Alles weist darauf hin, dass das iranische Regime das technologische Potenzial aufbauen will, um über Nacht die Atombombe bauen zu können.

Auf die UNO pfeift das Regime sowieso

Während der Westen auf einen Sieg der Diplomatie hofft und dabei im Backgammonspiel fleißig würfelt, bleibt der Iran konsequent unnachgiebig und spielt Schach. Das khomeinistische Regime ist ein Meister der Machtdemonstrationen nach außen und nach innen. Das Regime boxt sein Uran-Anreicherungsprogramm durch und demonstriert der Weltöffentlichkeit, dass es auf Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen pfeift. Nach innen beweist das Regime seine Macht nicht nur mittels massiver Unterdrückung, sondern auch mit seinem Durchsetzungswillen gegen alle internationalen Normen. Schon lange nicht mehr gilt die Formel, wie sie von einigen Apologeten der „Islamischen Republik Iran“ propagiert wurde, dass nämlich das Volk hinter der Regierung steht, wenn es um die Infragestellung des Nuklearprogramms geht. Das Gegenteil ist der Fall: Das Regime muss das eigene Volk unterdrücken, um das Atomprogramm verwirklichen zu können. Dem eigenen Volk gegenüber führen die khomeinistischen Machthaber einen unnachgiebigen Krieg.

Schleiervergehen kosten 1.020 Euro 

Vorweg: Die khomeinistische Verfassung und Strafgesetzgebung sind mit den Prinzipien und Kriterien der universellen Menschen- und Bürgerrechte in rechtsstaatlichen Demokratien nicht vereinbar. Das ist auch der Grund, warum iranische Persönlichkeiten wie Schirin Ebadi und Schadi Sadr die Reformierung der islamischen Gesetze und eine Änderung der Verfassung fordern. Schon im ersten Jahr ihrer Machtübernahme haben die neuen khomeinistischen Machthaber bewiesen, dass die „Islamische Republik Iran“ mit einer rechtsstaatlichen Demokratie nichts gemeinsam hat. Von den massiven Menschenrechtsverletzungen sind besonders die iranischen Frauen und die Minderheit der Baha’i Religion betroffen.

Ruhollah Khomeini übernahm am 11. Februar 1979 die Macht. Genau 15 Tage später schaffte er das Familienschutzgesetz von 1967 ab, und nur wenig später verbot Khomeini Frauen die Ausübung des Richteramts. Außerdem erklärte er, Frauen müssten am Arbeitsplatz einen islamischen Hijab anziehen, und Männer und Frauen dürften nicht mehr zusammen am Strand liegen. Auch im Sport wurde die Geschlechtertrennung eingeführt. Im Juni 1981 gründeten Zahra Rahnavard, die Ehefrau des letztjährigen Präsidentschaftskandidaten Hussein Mussawi, und andere khomeinistische Frauen die „Women’s Society of Islamic Revolution“. Sie definieren, wie die „wahre Rolle“ der muslimischen Frau zu sein hat; Zwangsverschleierung wird nun auch von khomeinistischen Frauen gefordert. In der Regierungszeit von Mussawi im Jahre 1983 verabschiedete das khomeinistische Pseudo-Parlament ein islamisches Strafgesetz, wonach Frauen, die sich unislamisch kleiden, mit 74 Peitschenhieben bestraft werden müssen. Seit Mai dieses Jahres werden Frauen, die ihre Kopftücher oder Schleier nicht ordnungsgemäß tragen, mit 1.020 Euro bestraft – für iranische Verhältnisse ist das sehr viel Geld! Rahnavard ist heute zwar weiterhin für eine Zwangsverschleierung und verteidigt die totalitäre Verfassung, aber sie ist gegen die besonders strengen neuen Sittengesetze der Regierung Ahmadinejad.

Die Unterdrückung der Völker Irans, der Kurden, der Belutschen, der Turkmenen, der Araber, begann mit dem Einmarsch der Armee und der neu gebildeten Revolutionsgardisten in die kurdische Stadt Marivan am 16. Juli 1979. Rund 30 Jahre später werden immer noch kurdische Menschenrechtler hingerichtet. Anfang Juni 2010 ist die Armee erneut in Kurdistan einmarschiert. Am 7. August 1979 wurde die bürgerlich-liberale Zeitung Ayandegan verboten. Seitdem sind alle säkularen, linken und rechten Kräfte im Land eliminiert, in die Flucht geschlagen oder zum Schweigen gebracht worden.

Unterdrückung von Anfang an

Die Unterdrückung der Angehörigen der Baha’i-Religion gehörte von der Stunde Null zum Staatsprogramm. In den ersten Jahren nach der Revolution wurde die Administration der Baha’i-Gemeinde verboten, und über 200 unschuldige Baha’i wurden hingerichtet. Im Iran wird das Eigentum der Baha’i willkürlich beschlagnahmt, ihre Häuser werden mit Hassparolen beschmiert oder gar in Brand gesteckt, Baha’i-Friedhöfe werden geschändet. Lehrer demütigen Baha’i-Kinder vor ihren Schulkameraden. Sie werden oft gar nicht erst in Schulen aufgenommen oder wieder hinausgeworfen.

Der Staat organisiert Anti-Baha’i-Kurse für Laien-Prediger, die in Schulen gehen, um gegen die Baha’i zu hetzen. Baha’i-Kinder und Jugendliche werden landesweit gezwungen, sich muslimisch unterweisen zu lassen und sich von der Baha’i-Religion zu entfernen. Baha’i haben keinen Zugang zu Universitäten. Ihr Blut hat keinen Wert, heißt es in der „Islamischen Republik Iran“. Gegenwärtig sind sieben ehemalige Koordinatoren der Baha’i-Gemeinde von Hinrichtung bedroht, weil ihnen fälschlicherweise vorgeworfen wird, Spione zu sein.

Die Angst der Machthaber

Gemäß Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Gerichtshofs kann von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesprochen werden, wenn Tatbestände wie vorsätzliche Tötung, Freiheitsentzug, Folter oder die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft aus religiösen Gründen vorliegen. Auch wenn Mitglieder einer religiösen Gruppe körperlich oder mental ernsthaft verletzt werden, oder wenn die physische Zerstörung von Teilen oder der ganzen Gruppe beabsichtigt ist. Dies alles trifft auf die Behandlung der iranischen Baha’i zu.

Die gegenwärtige Lage ist katastrophal. Die Aussage, das iranische Atomprogramm sei „friedlich“, ist ebenso falsch wie die Behauptung der khomeinistischen Machtmonopolisten, die „Islamische Republik Iran“ sei die beste Demokratie der Welt und die praktizierte Strafgesetzgebung sei die beste Form der Menschenrechtspraxis, ein Modell für die „Unterdrückten der Welt“, um sich vom Joch der Kolonialisten und Imperialisten zu befreien. Die Machtmonopolisten der totalitären Diktatur rund um Mahmud Ahmadinedschad sehen ihren Machterhalt in großer Gefahr und drängen inzwischen sogar die Reformislamisten um Mussawi, die die Säulen der khomeinistischen Diktatur 30 Jahre lang stabilisierten, mit Härte zurück. Denn die Regierung hat Angst, dass einzelne Lockerungen des politischen Systems eine „sanfte Revolution“ auslösen könnten.

Mit großer Wahrscheinlichkeit werden weitere Sanktionen gegen Iran folgen – die die totalitäre Diktatur dann ignoriert. Ob die anstehenden Sanktionen die iranische Wirtschaft wirklich zum Erliegen bringen und den Unmut der Bevölkerung steigern, wird die Zukunft zeigen. In jedem Fall muss Europa lernen, jenseits der national-egoistischen Wirtschaftsinteressen Menschenrechte zur Grundlage der europäischen Außenpolitik werden zu lassen. Denn die europäische Diplomatie könnte in einem historischen Moment des point of no return in eine ernste, unkontrollierbare Krise geraten. Europa sollte seine wirtschaftlichen Beziehungen, welche die khomeinistische Diktatur stabilisieren, überdenken und stattdessen eine atomare Bewaffnung Irans verhindern. Denn sonst wird die Welt eine weitere regionale atomare Aufrüstung im Nahen Osten erleben, aber auch in Lateinamerika und Ostasien. Europa sollte sich für eine weltweite Abrüstung einsetzen, anstatt aus kurzsichtigen wirtschaftlichen Interessen die nukleare Aufrüstung einer neuen totalitären khomeinistischen Diktatur zuzulassen, die permanent die Vernichtung Israels prophezeit. «

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