Das soziale Band der Bürgerschaft

Die politischen Institutionen, mit denen unsere Gesellschaft auf sich selbst Einfluss nehmen kann, sind geschwächt. Grund genug, neu darüber nachzudenken, welche sozialen Grundlagen gegeben sein müsssen, damit eine Bürgergesellschaft funktioniert

Zeitdiagnostische Analysen zeichnen neuerdings ein eher düsteres Bild der Gegenwartsgesellschaft. Die "große Erzählung" von der gerechten Gesellschaft sei zu Ende. Die Versprechen auf Chancengleichheit, materiellen Wohlstand und gesellschaftliche Teilhabe, die die Nachkriegsgesellschaften prägten, hätten sich verflüchtigt. Spaltung, Ausschluss, Prekarität - die Schlagworte scheinen vor allem eines anzuzeigen: Die politische und soziale Integration befindet sich in der Krise.

Diese Diagnosen stehen in augenfälligem Kontrast zu der Euphorie, die der Förderung bürgerschaftlichen Engagements in der politischen Rhetorik noch immer entgegengebracht wird. Mit diesem Begriff wird parteiübergreifend die Hoffnung verbunden, zur Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung zu aktivieren und neue Integrationspotenziale zu erschließen. Der politische Wert scheint unumstritten: Bürgerschaftliches Engagement schafft eine lebendige Demokratie, erweitert Möglichkeiten der Partizipation und hilft, die Qualität politischer Entscheidungen zu verbessern.

Ein solcher Kontrast provoziert dazu, nach den sozialen Grundlagen zu fragen, die die Realisierung eines bürgerschaftlichen politischen Projektes wahrscheinlich machen. Nur dann nämlich lässt sich entscheiden, ob die Beschwörung von Bürgerlichkeit und bürgerschaftlichem Engagement zu mehr taugt als zu einer ideologischen Fassade oder einer Rhetorik der Selbstberuhigung.

"Bürgerlichkeit" ist, zumal im deutschen, ein zweischneidiger Begriff. Er bezieht sich einerseits auf das politisch aktive Mitglied eines sozialen Verbandes. Hier ist zunächst der Staatsbürgerstatus angesprochen, der rechtlich konstituiert ist und zur Teilnahme an einem Prozess der Selbstgesetzgebung berechtigt. Wenn von dem politischen Begriff des "citoyen" die Rede ist, so verbindet sich damit aber von vornherein mehr als ein Rechtsstatus: Den citoyen zeichnen bestimmte charakterliche Dispositionen aus: die Zügelung des Eigeninteresses, Mäßigung im Hinblick auf Luxus und Genuss, die Orientierung des Handelns am Gemeinwohl.

Sozialer Status und politischer Einfluss

Der politischen Definition steht der Klassenbegriff des Bürgers als Angehöriger einer sozialen Schicht gegenüber. Er ist qualifiziert durch Besitz und durch ökonomische Selbständigkeit. Es ist der Wirtschaftsbürger, der bourgeois, dessen eigeninteressiertes Handeln zwar nach frühliberaler Auffassung mittelbar das Wohl des Ganzen fördern kann, von dem die marxistische Theorie aber andererseits behauptet, dass er allenfalls sein Klasseninteresse als Gemeinwohl bemäntele. Der politische und der soziale Begriff des Bürgers greifen insofern ineinander, als politischer Einfluss und sozialer Status nie vollkommen entkoppelt waren.

Zwar kann es als Errungenschaft sozialer Demokratie im 20. Jahrhundert angesehen werden, den Anspruch formuliert zu haben, dass beide Dimensionen nicht voneinander abhängen dürfen. Formal darf seit der Einführung gleicher Bürgerrechte der soziale Status nicht mehr den politischen Einfluss bestimmen. Begriffe wie "Teilhabegerechtigkeit" oder "Inklusion" verweisen jedoch auf die Forderung, dass es nach wie vor darum geht, die Bedingungen zu überwinden, die den Status gleichberechtigter Bürgerschaft beeinträchtigen. Sie zu benennen ist Aufgabe einer kritischen Demokratietheorie.

Ideengeschichtlich ist der politische Begriff des Bürgers mit dem Begriff des Republikanismus verbunden wie ihn Rousseau und Kant entwickelt haben. Die konstitutiven Prinzipien der Freiheit und Gleichheit beziehen sich auf das Verhältnis von Staatsbürgern zueinander, die sich wechselseitig rechtlich verbinden können, indem sie sich unter "äußere Gesetze", also positives Recht stellen. Wenn für Rousseau Freiheit im Gesellschaftszustand darin besteht, nur selbst gegebenen Gesetzen unterworfen zu sein, so sind bei ihm moralische und juridische Gesetze nicht immer deutlich geschieden. Kant ist hier deutlicher, indem er einen Rechtsbegriff entwickelt, der sich auf "äußeres" Handeln bezieht, durch das Personen einander beeinflussen und möglicherweise schaden können. Dieser wird von "innerer", moralischer Freiheit unterschieden. Gemeinsam ist beiden ein Begriff der politischen Autonomie, der darauf basiert, keinen äußeren Gesetzen zu gehorchen "als zu denen ich meine Beistimmung habe geben können".

Der Bürger hat "sein eigener Herr" zu sein

Der Begriff der Gleichheit ist in diesem Zusammenhang zunächst einer der Rechtsgleichheit, im Sinne von gleicher Unterworfenheit und gleichem Stimmrecht. Letzteres ist freilich bei Kant durch das Kriterium der "bürgerlichen Selbständigkeit" eingeschränkt. Um ein Bürger zu sein, muss man "sein eigener Herr" sein, wie er schreibt, und das ist durchaus wörtlich gemeint, denn die so genannten "natürlichen" Ausschlusskriterien ("dass es kein Kind, kein Weib sei") bedürfen für ihn keiner weiteren Rechtfertigung. Hier kommt nun die oben angesprochene soziale Bestimmung des Bürgers ins Spiel: Der Bürger muss irgendein Eigentum haben, welches ihn ernährt und das er veräußern, also am Markt tauschen kann. Wer nur seine bloße Arbeitskraft anzubieten hat, also anderen nur bewilligen kann, von seinen Kräften Gebrauch zu machen, dem wird nicht jene innere Mündigkeit zugeschrieben, derer die äußere Mündigkeit bedarf.  

Auf die Hintergrundgerechtigkeit kommt es an

Wäre es nicht plausibler, Kants Argument ökonomischer Selbständigkeit umzukehren, damit es nicht unter der Hand zum Ausschlusskriterium für die Unselbständigen wird? Nicht nur das formale Bürgerrecht im Sinne von Stimmrecht unterliegt schließlich dem Verallgemeinerungsgebot, sondern auch die Möglichkeit, "sein eigener Herr zu sein". "Innere" Mündigkeit, die den Bürgern unterstellt werden muss, wenn das Projekt der demokratischen Selbstgesetzgebung einen Sinn ergeben soll (also die Fähigkeit, wie es Robert Dahl nennt, ein "aufgeklärtes Selbstverständnis" zu erlangen) bedarf tatsächlich gewisser "äußerer" Bedingungen. Aktualisiert und geschlechtsneutral formuliert impliziert das Kriterium "sein eigener Herr zu sein" die Möglichkeit, im Rahmen verrechtlichter Arbeitsverhältnisse für sich selbst sorgen, seinen Lebensunterhalt selbst verdienen zu können.

Bekanntermaßen sind ökonomische Bürgerrechte unter Bedingungen freier Märkte schwerer zu garantieren als negative Abwehrrechte oder politische Teilnahmerechte. Aber genau diesen Konflikt gilt es im Rahmen einer demokratietheoretischen Analyse, die der Idee der Republik verpflichtet ist, zu benennen.

Wenn von den sozialen Grundlagen der Bürgerlichkeit die Rede ist, so bezieht sich dies zum einen auf die sozio-ökonomischen Grundlagen einer Gesellschaft im Sinne der Eigentumsordnung, ihrer institutionellen Grundstruktur und ihre Verteilungsprinzipien. Sie bilden das, was John Rawls die "Hintergrundgerechtigkeit" nennt und von der es abhängt, ob die Chancen, sozialen Status zu gewinnen, unter den Mitgliedern einer politischen Gemeinschaft fair verteilt sind. 

Die Rede von den sozialen Grundlagen bezieht sich aber auch auf soziale Praktiken, Lebensweisen und damit verbundene charakterliche Dispositionen, Tugenden oder, in utilitaristischer Diktion, Präferenzen. Soziale Praktiken können Zivilität als Haltung mehr oder weniger befördern und damit den rechtlichen Grundlagen von Bürgerlichkeit entgegenkommen. Es ist durchaus strittig, inwiefern Kant die Erhaltungsbedingungen der Republik von den charakterlichen Dispositionen, den Tugenden der Bürger abhängig macht. In jedem Fall bemisst sich die Qualität einer Verfassung daran, inwieweit ihre institutionellen Arrangements einen Sinn für eine mit anderen geteilte gemeinsame Bürgerschaft zu vermitteln vermögen.

Gemeinsam geteilte Bürgerschaft lässt sich als ein Kooperationszusammenhang auffassen, der sich natürlich nicht als unmittelbare Interaktion zwischen konkreten Personen entfaltet, sondern weitgehend eine indirekte Beziehung darstellt, die im Wesentlichen über Rechte vermittelt wird. Die Orientierung an Prinzipien der Freiheit und Gleichheit verlangt, Beziehungen der Wechselseitigkeit zu institutionalisieren, die dadurch gekennzeichnet sind, dass man, wie Kant in der  Rechtslehre  schreibt, "nicht zu mehrerem von anderen verbunden" werden kann, "als wozu man sie wechselseitig auch verbinden kann".

Die Moral der Ebenbürtigkeit

Die Bedeutung des wechselseitig zu Fordernden konkretisiert sich freilich immer erst im Rahmen von Aushandlungsprozessen, in denen bestimmt werden muss, welches die soziale Bezugsgruppe ist, an die sich bestimmte Ansprüche richten. Nicht für alle ist die Bürgerschaft der überzeugendste Bezugsrahmen und Recht das geeignete Medium der Regulierung. (Die Verwirklichung von bestimmten moralischen Ansprüchen sollte man eher von "dichten" Beziehungen des Nahbereichs erwarten, andere gehen über den Rahmen nationaler Bürgerschaft hinaus.)

Ich weiß, dass ich hier viel zu schnell über ein schwieriges Problem hinweggehe. Worauf es mir hier allerdings erst einmal ankommt, ist, dass das Kriterium der Reziprozität nicht nur zur Rechtfertigung von Normen heranzuziehen ist, die zur Grundlage des Rechts werden können. Es kann und sollte auch in sozialen Interaktionen aufgesucht werden, in denen die Erfahrung der Gleichheit konkrete Gestalt gewinnt. Dann rücken die sozialen Bedingungen in den Blickpunkt, die den "fairen Wert" formaler Rechte bestimmen. Hierfür hat Nancy Fraser den Grundsatz der "participatory parity", der Parität der Partizipation, formuliert.

Parität bezieht sich auf den Grundsatz, als vollwertiger Partner innerhalb sozialer Kooperationen anerkannt zu sein: als Gleiche unter Gleichen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Von Gleich zu Gleich zu verkehren, setzt "equality" voraus, nicht "sameness", bezieht sich also nicht auf Identität, sondern auf den gleichen moralischen Wert von Personen im Sinne einer "Moral der Ebenbürtigkeit". Die Frage, wie viel Gleichheit der Güter und Ressourcen, wie viel tatsächliche Gleichheit der Bedingungen zur Verwirklichung partizipatorischer Parität nötig ist, ist damit noch offen. Fraser verweist zwar auf die historische Entwicklung, in deren Verlauf sich das Bedeutungsspektrum der Gleichheit erweitert hat: von einem formalen zu einem stärker materialen Verständnis. Dem steht aber nicht entgegen, dass nur in demokratischen Prozessen öffentlicher Diskussion beziehungsweise in sozialen Kämpfen bestimmt werden kann, was Parität und Ebenbürtigkeit in sozialen Interaktionen jeweils verlangen.

Institutionen und soziale Praxis

Welche Bedingungen müssen also erfüllt sein, damit Menschen im Kontext gemeinsamer Bürgerschaft von Gleich zu Gleich verkehren können? Die Bedingungen lassen sich zum einen im Hinblick auf die ökonomische Dimension bestimmen. Erfahrungen sozialer Unterprivilegierung, die Probleme der Verteilungsgerechtigkeit betreffen, gehen auf wirtschaftliche Hindernisse zurück, die einer vollständigen gesellschaftlichen Partizipation im Wege stehen. Auf der anderen Seite gibt es kulturelle Hindernisse, Missachtungserfahrungen entlang von Rasse und Geschlecht, Diskriminierungen all jener, deren Identität im Rahmen der vorherrschenden Standards sozialer Wertschätzung als "minderwertig" gilt. Ich will mich hier weniger mit der Frage befassen, ob und inwiefern ökonomischen und kulturellen Anerkennungskämpfen eine unterschiedliche Logik zugrunde liegt. Mich interessiert vor allem die Frage, wie institutionelle Arrangements eben jene sozialen Praktiken beeinflussen, in denen partizipatorische Parität oder Zivilität als Haltung zum Ausdruck kommen - oder auch nicht.

Die vermittels des Rechts geschaffenen politischen Institutionen haben zu allererst den Zweck, eine politische Gemeinschaft von Bürgern und Bürgerinnen handlungsfähig zu machen. Institutionen werden jedoch nie nur funktional in Dienst genommen. Sie haben immer auch eine sozialisatorische Dimension im Sinne eines bürgerbildenden oder -missbildenden Potenzials. Institutionen und institutionelle Praktiken vermitteln normative Prinzipien, die mehr oder weniger kognitiv bewusst oder eingelebt sind und die Individuen in dem Maße an sie binden, wie sie moralische Plausibilität zu erzeugen vermögen. Das gelingt, wenn die inkorporierten Prinzipien, die institutionelle Praxis und individuelle Erfahrungen weitgehend miteinander in Deckung gebracht werden können.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine spezielle Perspektive auf institutionelle Fehlfunktionen. Sie bemessen sich nicht nur in funktionaler Hinsicht an mangelnder Problemlösungsfähigkeit, nicht nur daran, dass etwa mit dem Einsatz bestimmter Mittel (monetäre Transfers und Anreizstrukturen) proklamierte Ziele schlecht erfüllt werden. Vielmehr bemessen sie sich besonders auch daran, dass sie ihre sozialisatorische Funktion in dem Sinne unzureichend erfüllen, dass sie Akteure nicht an sich zu binden vermögen.

Der Begriff "disaffection" trifft den Kern

Entzug von Vertrauen in Institutionen ist ein komplexer Prozess, dessen Dynamik jedoch durch die Unsicherheit ausgelöst wird, ob Institutionen ihre "Mission" eigentlich noch erfüllen, ob ihnen die sozialisatorische Zivilisierung der Akteure gelingt, oder ob sie (wie etwa die Protagonisten der These von der "postdemocracy" meinen) zu einer ideologischen Fassade geworden sind. Der englische Begriff "disaffection" ist sehr treffend, um jene diffuse Distanzierung zu beschreiben, die dann eintritt, wenn sich Zweifel breit gemacht haben, ob institutionelle Arrangements eigentlich noch die ihnen zugrunde liegenden normativen Prinzipien wirksam zur Geltung bringen können.

Ambivalenz der "neuen Bürgerlichkeit"

Meine These lautet nun, dass ein solcher Entzug von Vertrauen Rückwirkungen auf die horizontale Beziehung zwischen Bürgern hat. Das betrifft besonders Prozesse der Gruppenbildung innerhalb der Zivilgesellschaft. Zunächst noch einmal zurück zu den zeitdiagnostischen Betrachtungen, die eine neue Abschottung zwischen gesellschaftlichen Gruppen sehen. Im Blick sind Formen sozialer Homogenisierung, die sich etwa im Bildungs-, Freizeit-, Beziehungsverhalten nachweisen lassen, die die Struktur von Stadtquartieren betreffen und von öffentlichen Räumen insgesamt. Dem Streben nach Distinktion in Form einer Kultivierung von Geschmack und Manieren, traditionellem Bildungskanon, sozial abgeschlossener Sport- und Freizeitgestaltung stehen Klagen über verwahrloste Unterschichten gegenüber. In der Rede von der "neuen Bürgerlichkeit" tritt die Ambivalenz deutlich zu Tage: Die Aktivierungsrhetorik bürgerschaftlicher Verantwortung scheint sich an eben jene ökonomischen und kulturellen Kapitalbesitzer zu richten, deren Tendenz zur sozialen Abschließung gleichzeitig diagnostiziert wird.

Solchen Tendenzen sozialer Schließung lassen sich nicht einfach durch wohlmeinende politische Rhetorik entgegentreten. Vielmehr gilt es, jene strukturellen Prozesse im Auge zu behalten, die dazu beitragen, dass ein virulenter Bedarf an "Differenzversicherung" besteht: das Bedürfnis, Grenzen der Nichtzugehörigkeit zu definieren, sich auf "geschlossene Gesellschaften" zurückzuziehen und defensive Formen des Sozialkapitals zu bilden, die mit einer reaktiven Verteidigung bestehender Gruppenbezüge einhergehen.

Um Missverständnisse zu vermeiden sei betont, dass die Tatsache, dass verschiedene soziale Gruppen existieren, die auch begrenzte Solidaritätsbezüge vermitteln, an sich kein unziviles Phänomen ist. Es ist, im Gegenteil, Ausdruck des Pluralismus in modernen Gesellschaften, die ihren Mitgliedern keinen übergreifenden Sinnhorizont mehr vorschreiben. Das soziale Band der Bürgerschaft ist aber insofern übergreifend, als die unterschiedliche Wertschätzung, die sozialen Gruppen entgegengebracht wird, also ihre unterschiedliche Ausstattung mit "symbolischem Kapital" (Pierre Bourdieu), hier überhaupt zum Thema gemacht und bekämpft werden kann. Das soziale Band der Bürgerschaft allerdings ist brüchig geworden, weil die politischen Institutionen, durch die eine Bürgergesellschaft auf sich selbst Einfluss nehmen kann, in legitimatorische Schwierigkeiten geraten sind. Hierfür lassen sich vielfältige Ursachen ausmachen, die hauptsächlich mit Prozessen ökonomischer und kultureller Globalisierung zusammenhängen.

Die schleichende Erosion der Standards

Nun ist klar, dass angesichts einer postnationalen Konstellation ein institutionelles Ethos, das eine bürgerbildende Praxis zu generieren vermag, nicht mehr im nationalstaatlichen Rahmen allein restauriert werden kann. Es soll aber das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass sich unter Bedingungen, unter denen diffus wird, in welchem Kontext eigentlich Beziehungen der Verbindlichkeit entstehen, Konflikte um gesellschaftliche Positionierung auf der Ebene der Zivilgesellschaft intensivieren können. Man muss nicht gleich so weit gehen, "Mikro-Naturzustände" auszurufen, aber die durch institutionelle Fehlfunktionen ausgelöste schleichende Erosion bereits erreichter zivilisatorischer Standards, die Unterminierung formell bestehender Verbindlichkeit durch eine soziale Praxis, die schlicht die Macht desjenigen durchschlagen lässt, der sich cleverer durchzusetzen vermag, ist eine reale Gefahr. Ihr kann nur in dem Maße begegnet werden wie es gelingt, in legitimatorischer und funktionaler Hinsicht institutionelle Äquivalente zum Nationalstaat zu begründen.

zurück zur Person