Bedingt abwehrbereit?

Eric Gujer beschreibt, wie sich der BND auf den Terrorismus einzustellen versucht

Wenn Journalisten zum Thema Geheimdienste recherchieren, stehen sie vor einem Dilemma: Wollen sie kritisch und objektiv berichten, dürfen sie den Diensten nicht zu nahe kommen. Andererseits benötigen sie, um überhaupt fundiert berichten zu können, Insider-Informationen über die Arbeit der Dienste – was wiederum eine gewisse Nähe voraussetzt. Eric Gujer ist dieser Spagat mit seinem Buch Kampf an neuen Fronten gelungen. Der Band des Deutschlandkorrespondenten der Neuen Zürcher Zeitung bietet einen guten Überblick über die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes in den vergangenen Jahrzehnten, über die Umbruchsituation in den neunziger Jahren sowie über neue Herausforderungen für den BND seit dem 11. September 2001.

Gujers Buch ist ein Plädoyer für einen öffentlichen Diskurs über die Arbeit der Nachrichtendienste, der zu einem unverkrampften Umgang mit diesem Thema führen soll. Denn das öffentliche Interesse an BND und Verfassungsschutz ist wenig ausgeprägt. Das verwundert, schließlich haben die Deutschen im 20. Jahrhundert teilweise schlimme Erfahrungen mit ihren Geheimdiensten gemacht. Zudem handelt es sich beim BND um eine Behörde, die der deutsche Steuerzahler jährlich mit immerhin 430 Millionen Euro ausstattet, die ungefähr 6.000 Mitarbeiter beschäftigt und die maßgeblich zur inneren und äußeren Sicherheit des Landes beiträgt.

Das öffentliche Desinteresse ist auch Ausdruck eines gewissen Unwohlseins der Gesellschaft angesichts der Existenz der Dienste. Sie arbeiten eben im Verborgenen und sind zu unüblichen Mitteln und Methoden ermächtigt. In diesem Halbdunkel lassen wir sie gewähren, weil sie uns vor aktuellen Gefährdungen und potenziellen Risiken schützen sollen. Die Sicherheit, zu der sie beitragen, ist für uns selbstverständlich; wie die Dienste dabei vorgehen, wollen wir aber lieber nicht so genau wissen. Wenn dann doch einmal Einzelheiten der nachrichtendienstlichen Arbeit an die Öffentlichkeit gelangen, ist die Empörung schnell umso größer.

Der Diskurs, den Eric Gujer fordert, wäre kein Selbstzweck. Er würde der zusätzlichen Kontrolle dienen. Denn dass Geheimdienste kontrolliert werden müssen, steht außer Zweifel. Dass Eskapaden der Dienste im Hollywood-Stil in Deutschland nicht möglich sind, liegt nicht nur an der unvergleichbaren Finanzausstattung, sondern auch an dem besonderen Kontrollregime.

Mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium existiert ein ständiges Gremium, dem die Dienste permanent berichten müssen, das Anfragen stellen und sogar Sonderermittler einsetzen kann. Außerdem gibt es das so genannte Vertrauensgremium, das die Haushaltsmittel für die Nachrichtendienste bewilligt. Allerdings behindert das ausgeprägte gegenseitige Misstrauen die Funktionsfähigkeit dieser Kontrollmechanismen.

Das Buch von Eric Gujer ist darüber hinaus ein Plädoyer für einen effektiven Nachrichtendienst. Der beste Gradmesser für Effektivität ist neben der Qualität der beschafften Informationen vor allem deren Auswertung. Antennenanlagen, Satelliten und eine Heerschar von Agenten liefern Puzzleteile, die anschließend zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Dabei muss der BND immer wieder selbst prüfen, ob er den hohen Ansprüchen noch gerecht wird. Weil er aber eben auch nur eine Behörde ist, gelingt dieser Reflexionsprozess nicht immer. Die notwendigen Konsequenzen werden oft nur auf äußeren Druck hin und mit großer Verzögerung gezogen.

Näher an Bundestag und Öffentlichkeit

Vor wenigen Wochen hatte der BND zum ersten Spatenstich für seine neue Zentrale in Berlin-Mitte eingeladen. Ab 2011 sollen die meisten BND- Mitarbeiter in der Hauptstadt arbeiten. Zwar hat sich das Kanzleramt bei der Verwirklichung des Umzugsbeschlusses der Vorgängerregierung mehr an bayerischen Standortinteressen orientiert als an einer sachlichen Lösung. Dennoch wird der Umzug von Pullach bei München an den Regierungs- und Parlamentssitz den BND mehr verändern als die globalen Umwälzungen der letzten beiden Jahrzehnte. In den ersten beiden Kapiteln beschreibt Eric Gujer kenntnisreich die Eitelkeiten und Organisationsdefizite der Pullacher Behörde. Dabei zeigt er, dass Probleme oft hausgemacht sind und auf menschliches Fehlverhalten zurückgehen.

Mit seinem Umzug rückt der BND näher an seine Auftraggeber Bundestag und Bundesregierung heran, aber auch näher an die Kontrollinstanzen. Gleichzeitig wird das Interesse der Öffentlichkeit an seiner Arbeit zunehmen. Ob daraus eine lebendigere öffentliche Debatte folgen wird, wie Gujer sie fordert, hängt allerdings auch vom Dienst selbst ab.

Zudem wird der BND auf der Bühne der Hauptstadt in einen engeren Kontakt mit Wissenschaftlern und Sicherheitspolitikern treten. Schon dadurch wird er gezwungen sein, das in der Institution bisher ausgeprägte Abteilungsdenken zu überwinden. Helfen wird auch, dass der Personalbestand im BND in fünf Jahren ein anderer sein wird als heute oder noch vor zehn Jahren. Der Personalwechsel vollzieht sich jedoch nicht von allein, sondern bedarf eines offensiven Personalmanagements und einer Öffnung der Ausbildung. Die Schule des BND sollte die Standortvorteile der Hauptstadt nutzen, am besten schon heute.

Dass sich der BND inzwischen teilweise auf seine neue Rolle eingestellt hat, belegen seine jährlichen Symposien, mit denen der Dienst in Kontakt mit der Fachöffentlichkeit tritt und seinen umfassenden Ansatz unterstreicht. Das Thema des diesjährigen Symposiums war beispielsweise die Versorgungssicherheit der westlichen Welt mit Öl und Gas angesichts der Sicherheitsrisiken in den Förderländern. Auf seinem ersten Symposium im Jahr 1999 hatte sich der BND mit dem Thema Migration beschäftigt.

Genau dieses Thema arbeitet Eric Gujer als eine der entscheidenden Herausforderungen im Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus heraus. Bei der Integration der nach Europa kommenden oder schon länger hier lebenden Einwanderer haben wir die Chance, aus den Fehlern unserer Nachbarn zu lernen, die perspektivisch ansteigende und notwendige Migration in unser Land zu gestalten und die Abschottung ausländischer Zwischenwelten aufzubrechen.

Diskurs an neuen Orten

Im Kapitel „Moscheen im Visier“ beschreibt Gujer diese Herausforderung am Beispiel des ägyptischen Arztes Yehia Yousif und dessen Sohn Omar. Scheinbar integriert und zufrieden mit der bürgerlichen Existenz in Europa, die sie sich hart erarbeitet hatten, hielten sie Kontakt zum vorterroristischen Milieu und wurden sogar zu dessen Multiplikatoren. Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist freilich zuvörderst Aufgabe der Politik, nicht des BND.

Eric Gujers Buch bietet dem interessierten Leser einen guten Einstieg in die vielfältige Materie; es ist übersichtlich strukturiert und sehr gut zu lesen. Kampf an neuen Fronten ist damit ein wichtiger Beitrag zu dem Diskurs, den der Autor für so dringend notwendig hält, und der künftig auch an diesem Ort geführt werden sollte.

Eric Gujer, Kampf an neuen Fronten: Wie sich der BND dem Terrorismus stellt, Frankfurt und New York: Campus-Verlag 2006, 316 Seiten, 24,90 Euro

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