Aus guten Gründen für das Falsche



Der Koalitionsvertrag zwischen CDU / CSU und SPD schließt eine Bankenunion de facto aus und setzt auf die Idee einer Föderation. Der Europäische Stabilitätsmechanismus soll Kredite nur an Regierungen und nicht direkt an Banken vergeben dürfen. Zudem soll der neue europäische Abwicklungsfonds erst dann zur Rekapitalisierung des maroden Finanzsystems verwendet werden, wenn die Banken genügend Mittel eingezahlt haben. Es wird kein Gemeinschaftsinstrument geben, mit dem die Bankensanierung vorher beginnen kann. Der Weg aus der Bankenkrise bleibt ein nationales Problem jedes einzelnen Mitgliedsstaates.

Angeblich war es die SPD, die auf diese Beschränkungen bestand. Der Steuerzahler sollte nicht noch einmal für die Stabilisierung von Banken zur Kasse gebeten werden. Durchaus verständlich: Wer teilt nicht die Skepsis gegenüber immer neuen Bankenrettungen und der Sozialisierung von Verlusten?

Doch setzt sich die Große Koalition mit ihren Plänen durch, werden die Steuerzahler auf andere Weise zahlen. Dann müssen überschuldete Banken und Haushalte langfristig Einnahmeüberschüsse erzielen – durch hohe Zinsmargen beziehungsweise hohe Ersparnisse. Das bedeutet eine verhaltene Kreditvergabe und verhaltene Nachfrage. Selbst die Unternehmen würden große Überschüsse („Unternehmensersparnisse“) anhäufen, anstatt sich für Investitionen zu verschulden. Denn die Firmen könnten sich weder der langfristigen Finanzierung durch das marode Bankensystem noch des Absatzes ihrer Produktion sicher sein. Als Schuldner blieben nur das Ausland oder der Staat.

Dieser Weg führt in eine lange Depression. Politischer Druck wird immer wieder kurzatmige Stimulierungsprogramme hervorbringen, die den Staat mit wachsender Verschuldung zurücklassen. Dabei ist das wirkliche Problem einer steigenden Staatsschuldenquote nicht der Zähler, sondern der Nenner: das real schrumpfende Volkseinkommen. Die Bankenkrise ging der Staatsschuldenkrise voraus, nicht umgekehrt. Griechenland war die Ausnahme, die diese Regel bestätigt. Die EU konnte Athen 2010 nicht erlauben, einen Teil seiner Schulden sofort abzuschreiben, weil die Angst vor einem neuen „Lehman-Moment“ umging. Erst als die internationalen Banken ihre Forderungen gegen Griechenland verkauft oder bei der EZB abgeladen hatten, zwang man den Privatsektor dazu, auf einen Teil seiner Forderungen zu verzichten. Das ruinierte das griechische und zypriotische Bankensystem. Die Kosten der Rekapitalisierung schrieb man der griechischen und der zypriotischen Regierung in die Bücher. Nur der Gläubiger wurde ausgetauscht: Statt deutscher und anderer Banken sind es nun der Internationale Währungsfonds und die EU.

Die Krise der europäischen Banken ist noch immer virulent; in ihren Büchern finden sich viele faule Kredite, von denen sie sich nicht erholen, weil das Wirtschaftswachstum so schwach ist. Bürdet man den Regierungen nun eine Restrukturierung auf – also die Schließung insolventer Banken sowie die Teilentschuldung der kommerziell lebensfähigen Banken samt Kompensation der sparenden Haushalte –, wird lange viel zu wenig geschehen. Zu Recht fürchten alle Regierungen eine erneute Panik der Märkte für Staatsschuldpapiere. Selbst Deutschland müsste Angst davor haben, wäre da nicht das Privileg, dass seine Staatsschuldpapiere als sicherer Hafen angesehen werden.

Eine solche Politik stellt sicher, dass die Bürger lange für die Bankenkrise zahlen werden. Sie zahlen nicht mit Steuern aus einem wachsenden Einkommen, sondern mit entgangenem Einkommen, mit der niedrigen Verzinsung von Ersparnissen und durch die eine oder andere Bankenabwicklung. Die Sozialdemokratie hatte einmal den Mut und die Kreativität, für eine aufgeklärte Solidarität einzutreten. Damals ging es darum, Unternehmen als Verbündete der Arbeiterbewegung zu gewinnen – wohlgemerkt trotz wirklich unkooperativer Teile des Kapitals und gegen eine radikalisierte Minderheit in den eigenen Reihen. Diese Fähigkeit ist wieder gefordert. Denn das internationale Finanzsystem übersteigt die fiskalischen Möglichkeiten jedes Nationalstaates. Leider folgen Sozialdemokraten heute den Konservativen in der Maxime, jeder solle vor seiner eigenen Haustür kehren. Wenn ihnen zu Europa nicht mehr einfällt, machen sie sich als politische Kraft überflüssig.

Unsere Kolumnistin Anke Hassel veröffentlicht in diesem Heft einen längeren Beitrag und wird durch Waltraud Schelkle vertreten.

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