"Das System von 1949"

Die Landtagswahl war gerade erst vorüber, und die sächsische NPD hatte 9,2 Prozent der Stimmen eingefahren, da veröffentlichte der Parteiideologe Karl Richter im NPD-Parteiorgan Deutsche Stimme den euphorischen Kommentar "Das Fanal von Sachsen", den wir auf dieser Seite wiedergeben. Ein größenwahnsinniges Machwerk? Sicherlich. Pathetisches Geschwurbel? Auch das. Widerliche Propaganda? Sowieso. Und trotzdem dokumentieren wir hier diesen Text. Wir tun das, weil es immer nützlich ist zu verstehen, wie politische Gegner "ticken". Dies zumal dann, wenn es sich um Feinde nicht einer einzelnen Partei, sondern der freiheitlichen Ordnung unserer Gesellschaft und ihrer Menschen überhaupt handelt.

Unser Eindruck ist: Allzu viele Angehörige der demokratischen Eliten dieser Republik haben noch nicht wirklich registriert, welchem Ausmaß von Zuversicht und "selektiver Intelligenz" (Cornelius Weiss) auf Seiten der extremen Rechten sie heute gegenüberstehen. Man muss aber genau das in Rechnung stellen. "Die rechtsextremen Organisationen stellen alles selber auf die Beine und handeln aus ihrem Ideologievorrat heraus idealistisch", warnt auch der Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner (siehe S. 42). Solcher Idealismus, wie fehlgeleitet auch immer, setzt Kräfte frei. Die Auseinandersetzung mit diesen Feinden von Demokratie und Freiheit wird kein Picknick sein und ist auch nicht nebenbei zu führen. Weil sie zu dieser Erkenntnis beiträgt, muss auch die Lektüre übler Texte manchmal sein. T.D.

Das Fanal von Sachsen
von Karl Richter

Spätere Historiker werden sich des 19. Septembers 2004 einmal als jenen Tag erinnern, an dem alles begann: 12 NPD-Abgeordnete im sächsischen Landtag – ein Dammbruch, ein Fanal, das Undenkbare in Fraktionsstärke. Aber das ist erst der Anfang. Denn nun wiederholt sich, was die Geschichte immer wieder erweist: fallen erste Breschen, dann fallen bald weitere.

Der Sieg hat viele Facetten. Zweistellige Verluste für die Altparteien sind eine davon. Die NPD nur noch knapp hinter der SPD. Die „Volksparteien“ sind plötzlich keine mehr. In Mitteldeutschland befinden sie sich im freien Fall. Über Nacht gibt es eine neue Parteienlandschaft, neue politische Gravitationszentren. Mandate, Gelder und Ressourcen werden neu verteilt. Medien und Altparteien bleibt nur Fassungslosigkeit. Der NPD gehört in den neuen Bundesländern die Jugend. Tabus und Denkverbote aus fünfzig Jahren BRD verfangen in den Köpfen der jungen Deutschen zwischen Mecklenburg und Erzgebirge nicht mehr. Der Bann weicht, es geht ans Erwachen. Heute Sachsen, morgen Deutschland. Der verdiente Sieg ist an diesem 19. September jener Partei zugefallen, die von allen patriotischen Parteien am längsten und konsequentesten den politischen Kampf gegen das System von 1949 führt. Das ist gut so. Denn es lässt hoffen, dass alte Fehler diesmal nicht aufs Neue gemacht werden. Was heute Bewegung ist, muss es auch morgen noch sein. Wir haben es viel zu oft erlebt, dass in der Stunde des Erfolgs Wasser in den Wein gekommen ist, Beschwichtiger, Systemtreue und Koalitionswillige das Heft in die Hand bekamen. Das darf nicht mehr geschehen.

Man wird sich Sachsens einmal als der Keimzelle der nationalen Erneuerung erinnern. Schon die nächsten Wochen werden jeden Zweifel ausräumen, dass den Kartellparteien diesmal ein Gegner von anderem Format erwachsen ist, jung in seinen Herzen, modern in seinen Mitteln, fest in seinen Zielen – ein neues Deutschland. Erfolg hat, wer standhaft bleibt. Erfolg hat, wer angreift. Jetzt müssen aus der Begeisterung des Augenblicks die Instrumente, Kader und Strukturen künftiger Siege geschmiedet werden. Es gibt viel zu tun.

Aus: Deutsche Stimme, Ausgabe Oktober 2004

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