Vom Nutzen und Nachteil politischer Satire

Gelingt es mit Sendungen wie der "heute show" oder "Neo Magazin Royale", politikferne Menschen für politische Zusammenhänge zu interessieren? Oder verstärkt die unernste Präsentation von Politik und Staat apolitische Resignation und antipolitisches Ressentiment?

„Politik ist doch zum Lachen!“ – solche oder ähnliche Sätze hört man regelmäßig an Deutschlands Stammtischen, gefolgt von Scherzen über Mandatsträger oder politische Initiativen. Ein klares Zeichen von Politikverdrossenheit? Dieser Schluss mag zwar naheliegen, greift aber eindeutig zu kurz. Denn Lachen ist nicht nur ein möglicher Ausdruck von Herabsetzung, sondern auch von Unterhaltung und Verhandlung. Die humorvolle Auseinandersetzung mit Politik kann daher auch eine Chance für die politische Kultur bedeuten.

Satireformate haben in der öffentlichen Debatte über Politik im Laufe der vergangenen Jahre einen zunehmend wichtigen Platz erobert. Allein die ZDF-Nachrichtensatire heute show erreicht mit politischen Themen regelmäßig über drei Millionen Fernsehzuschauer, die übrigens deutlich jünger sind als der Altersdurchschnitt des Senders. Die Popularität dieser Formate wird durch die Verbreitung satirischer Inhalte über diverse Online-Kanäle verstärkt – seien es Mediatheken, Youtube oder soziale Netzwerke.

Die Relevanz von Satireformaten ist eindeutig gestiegen

Mittlerweile sind einige Sendereihen sogar so beliebt, dass Politiker, die traditionell Gegenstand der politischen Satire sind, nicht mehr vor Auftritten in solchen Formaten zurückschrecken. Manche Mandatsträger sehen darin einen attraktiven Weg, um ein breites und häufig relativ junges Publikum zu erreichen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, war dieses Jahr sowohl in der heute show als auch bei der Comedy-Verbrauchersendung Mario Barth deckt auf zu Gast. Und die Kunstfigur Erwin Pelzig begrüßte in seiner Kabarett-Talkshow Pelzig hält sich in den vergangenen Monaten gleich mehrere hochrangige Politiker, darunter Entwicklungshilfeminister Gerd Müller und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff.

Kurzum: Die Relevanz von Satireformaten ist eindeutig gestiegen. Bereits seit längerem wird daher diskutiert, welche Auswirkungen die Satire auf die politische Kultur habe: ob sie tatsächlich das Potenzial besitzt, Politik mit Mitteln der Unterhaltung für breitere Bevölkerungsschichten wieder erfahrbar zu machen; oder ob die medial verbreiteten Pointen und Schenkelklopfer nicht eher bestehende Klischees reproduzieren und Politikverdrossenheit letztlich sogar verstärken. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage ist weder möglich noch zielführend, denn die einzelnen Formate unterscheiden sich zum Teil erheblich. Dennoch lässt die bisherige Forschung bereits einige interessante Schlüsse darüber zu, welches gesellschaftliche Potenzial der Satire innewohnt.

Aber der Reihe nach. Was genau ist eigentlich Satire? Besonders im öffentlichen Diskurs wird immer wieder diskutiert, ob bestimmte Inhalte satirisch sind – oder eben nicht. Zwar ist der Begriff recht diffus, dennoch lassen sich bestimmte Merkmale identifizieren, die für Satire charakteristisch sind: Politisch ist Satire in der Regel dann, wenn gesellschaftliche oder politische Inhalte thematisiert werden. Zudem kennzeichnet die Satire ein künstlerisch überspitzter Blick auf die Realität, der bestehende Missstände aufgreift und anprangert.

Charakteristisch ist schließlich eine erhöhte Aggressivität in Form von Übertreibung und Spott. Bereits 1919 stellte Kurt Tucholsky – in Deutschland der Urvater der Satire – im Berliner Tageblatt fest, dass die Satire „ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht“ sein müsse, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Diese Ungerechtigkeit dient einem hehren Ziel: Es geht darum, einen kritischen Blick auf die Gesellschaft zu werfen. Der besondere Reiz der Satire besteht demnach vor allem darin, dass sie spielerisch mit ernsten Fragen umgeht: Den Zuschauern werden nicht primär sachliche Argumente präsentiert, sondern ernste Themen unterhaltsam vermittelt.

Der Einsatz von Satire hat den Vorteil, dass gesellschaftliche Sanktionsregeln vorübergehend aufgehoben sind. In Deutschland steht die Satire unter dem besonderen Schutz der Kunstfreiheit. Vermeintliche Tabuthemen können öffentlich diskutiert und Höhergestellte – etwa Politiker – offen kritisiert werden. Selbstverständlich heißt dies nicht, dass Satirikern jede Geschmackslosigkeit erlaubt ist. Deshalb kommt es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen, in deren Rahmen geprüft wird, ob bestimmte satirische Aktionen zu weit gehen – etwa wenn Persönlichkeitsrechte betroffen sind. So sorgte die für Angela Merkel und Sigmar Gabriel „reservierte“ Galgenattrappe auf einer Pegida-Demonstration im Oktober für öffentliche Empörung: Der Verantwortliche bezeichnete seine Aktion im Anschluss als „schwarzen Humor“. Im Zweifelsfall muss also konkret geklärt werden, ob die betreffenden Inhalte tatsächlich satirisch sind – oder eben nicht.

Politikformate (auch) für politisch Desinteressierte

Politische Satire ist an kein konkretes Kommunikationsmedium gebunden: Sie reicht von der gedruckten Zeitschrift (zum Beispiel Titanic) über Onlineformate (etwa Der Postillon) bis hin zu Radio- und Filmproduktionen. Aktivistengruppen (man denke an The Yes Men) und Kunstprojekte (etwa Institut Avaroid) nutzen ebenfalls satirische Mittel, um mit komischen Erwartungsbrüchen und überspitzten Inszenierungen ein kritisches Schlaglicht auf die Gesellschaft zu werfen. Interessant wird es besonders dann, wenn die Satire den fiktiven Rahmen verlässt. So zog der ehemalige Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn 2014 mit seiner Partei „Die Partei“ ins Europäische Parlament ein und tritt in Brüssel seitdem als satirischer Insider des politischen Betriebs auf.

Der zentrale Vorteil der politischen Satire liegt in ihrem Unterhaltungswert. Statt mit nüchterner Gesellschaftsanalyse nähert sie sich dem Politikbetrieb auf künstlerische und vergnügliche Weise. Mit dieser Strategie erreichen politische Satire- und Comedyformate nicht nur gut informierte Bürger, sondern eben auch solche, die sich kaum für Politik begeistern und primär unterhalten werden wollen.

Diesem Prinzip ist besonders die heute show verpflichtet, die in weiten Teilen eine Adaption der populären amerikanischen The Daily Show darstellt. Seit ihrem Start im Jahr 2009 ist die Beliebtheit der ZDF-Nachrichtensatire kontinuierlich gestiegen – sowohl beim Fernsehpublikum als auch bei Kritikern. Sie wurde bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Neben dem Deutschen Fernsehpreis erhielt die heute show sogar den Hans-Joachim-Friedrichs-Preis, der journalistische Verdienste ehrt – ein Zeichen der gesellschaftlichen Anerkennung gegenüber der Nachrichtensatire. Kritiker begrüßen vor allem, dass mit solchen Fernsehformaten die politische Informationsvermittlung belebt wird.

Die heute show sticht besonders durch ihren hybriden Charakter hervor, denn sie kombiniert Satire mit Comedy – eine durchaus bemerkenswerte Verbindung, wenn man bedenkt, dass hierzulande oftmals eine strikte Trennung dieser beiden Bereiche postuliert wird: Während die Satire und das Kabarett traditionell für den geistreichen und kritischen Umgang mit der Gesellschaft stehen, der mit dem Hintergrundwissen des Publikums spielt, wird der Comedy ein solcher Anspruch oftmals komplett abgesprochen. Comedy gilt vor allem als seichte Unterhaltung für die unkritische Masse.

Entgegen dieser üblichen Trennung verbindet die heute show eine hohe Dichte an Gags und einfach zu verstehende Scherze mit der Berichterstattung über aktuelle politische Themen. Auf diese Weise kann das Team um Moderator Oliver Welke eine viel breitere Zielgruppe ansprechen als klassische Satire- oder Kabarettformate. Denn die Scherze werden auch von jenen Zuschauern verstanden, die sich primär unterhalten lassen wollen oder nicht über das nötige Hintergrundwissen verfügen, um alle politischen Anspielungen zu verstehen. Dies macht die heute show gerade auch für Zuschauer interessant, die sich bisher nur wenig mit Politik auseinandergesetzt haben.

Den Erfolg dieser Vorgehensweise belegt auch der Blick in die Vereinigten Staaten. Dort ist die Daily Show vor allem für junge Erwachsene zu einer zentralen Quelle politischer Nachrichten avanciert. Der Medienforscher Geoffrey Baym betrachtet die Sendung sogar als „oppositional news“, die im Gegensatz zu den harmlosen und schrillen „real news“ politische Sachverhalte noch kritisch hinterfragen würden. Der eingesetzte Humor ist Geoffrey Baym zufolge nur das Mittel zu dem Zweck, sich mit Politik ernsthaft auseinanderzusetzen. Im Idealfall kann eine breite Öffentlichkeit mit politischen Inhalten erreicht und zum eigenen kritischen Nachdenken animiert werden – ein Faktor von unschätzbarem Wert für eine funktionierende Demokratie.

Als Jan Böhmermann den Mittelfinger von Yanis Varoufakis fälschte

Von klassischen Politikformaten unterscheidet sich die Satire vor allem dadurch, dass sie eine spielerische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen zulässt: Kreativität und Scherz erlauben einen alternativen und mehrdeutigen Blick auf den gesellschaftlichen Status quo. Auf diese Weise können auch Meinungen öffentlichkeitswirksam präsentiert werden, die vom herrschenden Konsens abweichen oder diesen zumindest stellenweise hinterfragen.

So entfachte etwa der „#Varoufake“-Clip des Neo Magazin Royale einen regelrechten Hype unter Nutzern von Facebook und Twitter. Der Satiriker Jan Böhmermann behauptete darin, er selbst habe das kontrovers diskutierte „Mittelfinger-Video“ des damaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis gefälscht. Der Verdienst des Videos bestand vor allem darin, in der aufgeheizten Stimmung Raum für eine kritische Debatte über die Logik der Medien und die öffentliche Diskussionskultur zu schaffen.

Der satirische Umgang mit Politik birgt allerdings auch bestimmte Risiken. Schon Platon vertrat die Auffassung, dass der Komik eine revolutionäre Macht innewohnt, die den Staat gefährden könne. Einige Kritiker befürchten hingegen, dass der politische und gesellschaftliche Status quo durch die Satire zusätzlich stabilisiert wird. Die Satire erzeuge zwar einen Eindruck von Wandel, tatsächlich handele es sich dabei aber um eine Täuschung. Satirische Kritik wäre dann nichts anderes als ein Ventil, um gesellschaftlichen Frust abzubauen. Diese Funktion hat durchaus ihren Wert, da auf diesem Wege eine gewisse Entspannung in der Gesellschaft gewährleistet werden mag. Problematisch wird es allerdings dann, wenn unzufriedene Bürger die humorvolle Politikkritik lediglich als Bestätigung ihrer Vorurteile betrachten. Statt sich aktiv für eine Verbesserung der politischen Verhältnisse einzusetzen, wäre Resignation das Ergebnis.

Schlimmstenfalls kann die Politikverdrossenheit sogar zunehmen. Der amerikanische Kulturwissenschaftler Russell Peterson hat diese These in seinem Buch Strange Bed-fellows: How Late-Night Comedy Turns Democracy Into a Joke prominent vertreten. Ein Großteil der komikorientierten Fernsehformate wertet Peterson als „Pseudo-Satire“, denn statt wichtige politische Themen zu behandeln, beschränkten sich viele Formate auf persönliche Eigenschaften von Politikern – etwa deren äußerliche Erscheinung oder vermeintliche Charaktereigenschaften. So entstehe die Gefahr eines zynischen Blicks auf die Politik. Diese Überlegung ist nicht grundlegend abwegig. Denn wie sollen Bürger Vertrauen in die Politik fassen, wenn ihre gewählten Volksvertreter öffentlich als Witzfiguren mit fragwürdigem Charakter dargestellt werden? Die permanente Wiederholung von Stereotypen kann Klischees etablieren und verfestigen, die der bestehenden Politikverdrossenheit weiteren Vorschub leisten. Dies könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass der politischen Klasse jegliche Kompetenz abgesprochen wird.

Die Komik schier unglaublicher Unwissenheit

Diese Schattenseite unterhaltungsorientierter Satireformate offenbart sich auch bei der heute show. Nicht selten kommt es vor, dass über politische Persönlichkeiten gespottet wird. Anlässlich der Probleme bei der Bundeswehr etablierte die Sendung etwa die Wortschöpfung „Pannen-Uschi“ für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die Sendungsmacher erzielen damit stets sichere Lacher beim Saalpublikum. Aber überdeckt nicht die starke Fokussierung auf die Person von der Leyen den Blick auf die eigentlichen Ursachen der Misswirtschaft bei der Bundeswehr? Es überrascht nicht, dass einige Kritiker der heute show vorwerfen, sich auf Kosten der Politik zu profilieren.

Heikel ist der scherzhafte Umgang mit Politik auch dann, wenn Komik diskriminierend eingesetzt wird. Der französische Philosoph Henri Bergson wies bereits um 1900 in seiner Abhandlung Le Rire auf die Bestrafungs- und Korrektivfunktion des Lachens hin: Personen, die von den bestehenden gesellschaftlichen Normen abweichen, können durch Spott und Verhöhnung auf ihr Fehlverhalten hingewiesen und sanktioniert werden. Auf den ersten Blick hat dieses Prinzip durchaus Vorteile für die politische Kultur. Die aktuelle Flüchtlingsdebatte zeigt etwa, dass Humor ein mögliches Mittel darstellt, um sich gegen ausländerfeindliche Parolen in sozialen Netzwerken zu wehren. Es existieren jedoch auch Fälle von ausgrenzendem politischem Humor, der zu Unterhaltungszwecken bestimmte Bevölkerungsgruppen bloßstellt.

In diese Kategorie fallen besonders die „Erstwählerchecks“, mit denen die Comedyshow TV Total in den vergangenen Jahren die Bundestagswahlen begleitet hat. Junge Passanten wurden zu politischen und gesellschaftlichen Inhalten befragt und ihre Antworten anschließend zu einem kurzen Videoclip zusammengeschnitten. Der Kern der Komik lag dabei stets in der schier unglaublichen Unwissenheit der Interviewten, die oftmals jegliches Allgemeinwissen vermissen ließen.

Man könnte argumentieren, die Interviewten erhielten lediglich die Quittung für ihr politisches Desinteresse. Dies geht jedoch am Kern des Problems vorbei. Schließlich wurde mit den „Erstwählerchecks“ systematisch ein Negativbild der heranwachsenden Wähler erzeugt. Dass diese Einspieler vor allem bestehende Vorurteile gegenüber der jüngeren Bevölkerung bedienen, ist besonders vor dem Hintergrund brisant, dass vergangenes Jahr Vorwürfe gegen die Macher von TV Total laut wurden, diese hätten die Interviewpartner bewusst zu falschen Antworten vor der Kamera motiviert. Es liegt daher nahe, dass die Bloßstellung der Erstwähler allein der Unterhaltung dienen sollte – und weniger darauf abzielte, humorvoll auf eine tatsächliche bildungspolitische Schieflage hinzuweisen.

Politische Satire ist für die Gesellschaft also ein zweischneidiges Schwert. Bislang liegen keine wissenschaftlichen Studien vor, die abschließend die Potenziale und Risiken der politischen Satire beurteilen. Zwar wurden in den Vereinigten Staaten verschiedene empirische Studien durchgeführt, deren Befunde widersprechen sich jedoch zum Teil. Dies liegt unter anderem an dem mehrdeutigen Charakter scherzhafter Kommunikation. Die tatsächliche Rezeption von Satirebotschaften hängt stark von den persönlichen Einstellungen des Zuschauers, von seiner politischen Meinung und seinem Humorverständnis ab.

Zudem unterscheidet sich der konkrete satirische Umgang mit Politik je nach Format zum Teil erheblich, so dass von der Untersuchung einer Sendereihe nicht auf das ganze Feld geschlossen werden kann. Bei der heute show variiert die Gestaltung und Stoßrichtung der Satire sogar in einzelnen Folgen – je nachdem, ob mehr die Unterhaltung oder mehr die Informationsvermittlung im Vordergrund steht. Dieser Befund mag durchaus ernüchternd sein. Aktuelle Entwicklungen zeigen dennoch, welche Potenziale sich in diesem Bereich noch verbergen.

Besonders die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich in den vergangenen Jahren sehr experimentierfreudig gezeigt. So startete Die Anstalt 2014 mit einem komplett überarbeiteten Konzept. Der Ansatz, emotionale Darstellungsweisen abseits der kabarettistischen Konventionen zu verwenden, brachte der Sendung von Max Uthoff und Klaus von Wagner dieses Jahr sogar den Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung ein. Konkret wurden die Satiriker dafür gewürdigt, dass sie in einer Sendung, die sich dem Thema Flüchtlinge widmete, die Zuschauer nicht mit einer scherzhaften Pointe verabschiedet hatten. Stattdessen trat ein realer Flüchtlingschor auf, der das Saalpublikum zu Tränen rührte. Damit zeigten die Macher, wie man sich einem ernsten Thema unterhaltsam nähern kann, ohne dessen dramatischen Kern in Zweifel zu ziehen.

Immer mehr Politiker treten in Comedysendungen auf

Zum Markenkern der Sendung gehört ebenfalls die Art und Weise, mit der Inhalte aufbereitet werden: Neben der kabarettistischen Behandlung von Themen sind auch deutlich journalistisch angelegte Gestaltungselemente zu finden. Jede Ausgabe fokussiert auf ein übergeordnetes Leitthema, das ausführlich betrachtet und mit gründlich recherchierten Hintergrundinformationen angereichert wird. Dies hat den Vorteil, dass auch weniger informierte Zuschauer der Darstellung folgen können. Zwar werden auch hier Politikerstereotypen und einfache Scherze verwendet, dennoch wird die Informationsvermittlung deutlich stärker gewichtet als in anderen Formaten. Ob sich dieses Prinzip in Zukunft durchsetzen kann, wird sich zeigen.

Auch hierzulande hat sich außerdem der Trend durchgesetzt, dass in Satire- und Comedysendungen nicht mehr nur über Politiker gescherzt wird, sondern diese vermehrt selbst auftreten. Deutschen Politikern wird zwar oft Humorlosigkeit -vorgeworfen, tatsächlich haben viele Mandatsträger jedoch weniger Berührungsängste mit Komik, als gemeinhin vermutet wird. Seit jeher sitzen lokale und überregionale Politiker bei Karnevalsveranstaltungen in den ersten Reihen und lachen über Seitenhiebe auf ihre Arbeit. Auftritte von Berufspolitikern in Satire- und Comedysendungen sind auch nichts gänzlich Neues. So warb etwa Rainer Brüderle 2002 bei Late-Night-Talker Harald Schmidt unter dem Motto „Saufen mit Brüderle“ für rheinland-pfälzische Weine. Seit einigen Jahren gibt es nun einen regelrechten Boom von Politikerauftritten in Satiresendungen – man denke an die heute show, Pelzig hält sich oder TV Total. So gehen immer mehr Politiker bewusst auf die Außenreporter der heute show zu, um sich vor der Kamera zu präsentieren.

Bei solchen Auftritten handelt es sich um eine Fortsetzung bereits bestehender Tendenzen in der politischen Kommunikation. Seit den neunziger Jahren vermischen sich Politik und Unterhaltung zunehmend. Der Medienwissenschaftler Andreas Dörner spricht daher von „Politainment“. Zum einen erkennen die Produzenten von Unterhaltungssendungen, dass das Politische ein interessantes Thema für ihre Formate ist.

Zum anderen greift die politische Klasse des Öfteren auf eine unterhaltungs-orientierte Sprache zurück, um auch solche Wähler zu erreichen, die für klassische politische Kommunikationswege nicht mehr empfänglich sind. Schon „Medienkanzler“ Gerhard Schröder trat während des Wahlkampfs in der RTL-Soap Gute Zeiten, schlechte Zeiten auf und bot einige Monate nach seinem Sieg in der Sendung Wetten, dass …? als Wetteinsatz eine Fahrt in seiner Limousine an. Das Kalkül ist klar: Politiker erhalten die Chance, sich als sympathisch und umgänglich zu präsentieren. Hierfür bieten gerade Satireformate eine interessante Bühne. Sofern es ihnen gelingt, auf Scherze nicht bloß zu reagieren, sondern selbst Pointen zu platzieren, können sich Politiker im Idealfall als schlagfertig und selbstironisch präsentieren. Zudem können sie vom positiven Image der Sendungen gerade unter jüngeren Wählergruppen profitieren.

Komik basiert vor allem auf Erwartungsbrüchen

Das besondere Potenzial für die öffentliche Auseinandersetzung mit Politik entfaltet sich bei solchen Auftritten in dem scherzhaften Wechselspiel zwischen Politiker und Gastgeber. Da Komik vor allem auf Erwartungsbrüchen basiert, ist der Verlauf solcher Begegnungen häufig unberechenbar. Oftmals versuchen die Sendungsmacher, die gewohnten Kommunikationsroutinen ihrer Gäste aufzubrechen. Um nicht deplatziert, humorlos oder gar lächerlich zu erscheinen, müssen die Politiker daher stets auf eine angemessene Reaktion achten. Selbst für erfahrene Spitzenpolitiker mit professionellem Mediencoaching ist das eine Herausforderung, da sie sich von einstudierten Inszenierungen und Sprachregelungen lösen müssen.

Der Besuch in Satire- und Comedysendungen ist folglich kein Selbstläufer, sondern immer auch mit gewissen Risiken verbunden. Gleichzeitig haben die Politiker die Möglichkeit, offenherziger über ihre Arbeit zu sprechen als sonst. Im Rahmen von Satireshows kommt es daher nicht selten zu interessanten Einblicken, die in klassischen Talkformaten eher spärlich gesät sind. Dies kann von kritischen Seitenhieben auf die eigene Partei bis hin zur ironischen Selbstkritik reichen. Sofern es ihnen gelingt, aus ihrer gewohnten Rolle herauszutreten, können Politiker durch solche Auftritte an Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei den Zuschauern gewinnen, die aus Verdruss schon länger keine klassischen Politiksendungen mehr verfolgen.

Welche Formate sich in Zukunft durchsetzen werden und ob Politiker weiterhin den Weg in Satiresendungen finden, um potenzielle Wähler zu erreichen, muss sich erst noch zeigen. Am Ende werden es die Zuschauer sein, die darüber entscheiden, ob sich Sendungskonzepte durchsetzen, die in der Lage sind, unsere politische Kultur zu bereichern. Denn Satire besitzt zwar ein kritisches und aufklärerisches Potenzial, bleibt aber eine Form der Unterhaltung, die ihr Publikum erreichen muss.

Benedikt Porzelt ist Autor des Buches „Politik und Komik: ‚Fake-Politiker‘ im Bundestagswahlkampf“, das 2013 im LIT Verlag erschienen ist. Es hat 320 Seiten und kostet 34,90 Euro

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